Ausgabe Nr. 2785
Rückblick auf den Siebenbürgischen Kultursommer mit Dr. Heinke Fabritius
,,Licht und Schatten: Malerei der 1920er Jahre in Siebenbürgen“ lautete der Titel des Vortrags zu zehn Bildern aus einem Jahrzehnt, das gern als das „goldene“ apostrophiert wird, den Dr. Heinke Fabritius, Kulturreferentin für Siebenbürgen am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar am 4. August d. J. im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums gehalten hat. Der Vortrag war speziell für die erste Auflage des Siebenbürgischen Kultursommers konzipiert worden und führte hinein in eine Zeit voller neuer Hoffnungen und Herausforderungen. Zu ihrem Vortrag und zu den Veranstaltungen des Siebenbürgischen Kultursommers gab Dr. Heinke Fabritius der HZ-Chefredakteurin Beatrice U n g a r in dem nachfolgenden Interview Auskunft.
Was macht die Besonderheit 1920er Jahre für die Kunst aus?
Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stellten für viele europäische Gesellschaften eine Zeit des grundlegenden politischen Neuanfangs dar. Das wissen wir alle. Die Kriegserfahrungen und die gesellschaftlichen Umwälzungen fanden natürlich auch Spiegelung in den Künsten. Das ist der Hintergrund, vor dem die Malerei jener Zeit gesehen werden muss. Mehr denn je wurde damals nach einer neuen Bildsprache gesucht, eine, in der die Menschen ihren beklemmenden Erfahrungen und Hoffnungen Ausdruck zu geben vermochten: neue (Bild-)Themen entstanden und auch die Art und Weise ihrer Darstellung änderte sich. Heute habe ich den Eindruck, die damaligen Hoffnungen und Nöte der Menschen sind von denen heute nicht so verschieden. Daher fand ich es spannend, aus der Perspektive der jetzigen frühen 20er Jahre in diejenigen des letzten Jahrhunderts zurückzuschauen.
Mich interessiert das besonders mit Blick auf Siebenbürgen und ich habe mich gefragt, worin die spezifischen Herausforderungen und Chancen lagen, die eine so vielgestaltige und multiethnische Region birgt, die zudem gerade Teil eines anderen Landes geworden war. Ging man als Künstler oder Künstlerin nun verstärkt zur Ausbildung nach Bukarest anstatt nach Budapest? Wie gestalteten sich solche Erwägungen? Welchen Stellenwert nahm Berlin als neue Metropole der Moderne ein? Welche Rolle
kommt nun Paris, welche Wien, welche Rom zu? Wer geht wohin und warum? So habe ich 10 Bilder ausgewählt, die mir auf diese Fragen Antworten geben könnten.
Warum haben Sie gerade dieses Angebot für den Siebenbürgischen Kultursommer konzipiert?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen, weil das Kultursommerprojekt mit seinen Angeboten ein großes Publikum angezogen hat. Auch in Deutschland und Österreich gut beworben, stellte es eine zusätzliche Motivation dar, Siebenbürgen zu besuchen. Das ist für den Tourismus nach der Pandemie wichtig, aber auch in diesen aufreibenden Zeiten des Krieges, die eine erneute Auseinandersetzung mit der Geschichte des östlichen Europas fordert. Hinzu kommt, dass – zumindest von Deutschland aus betrachtet – Rumänien als Nachbarland der Ukraine zurzeit nur in eingeschränkter Weise ein attraktives Urlaubsziel darstellt. In Gesprächen scheint das leider immer wieder auf. Diejenigen, die kommen, will ich gerne auch in die Museen locken. Denn nicht nur über Literatur, Musik und Theater, auch anhand der Bildkultur lässt sich viel Neues über Siebenbürgen erfahren. Das ist für mich der zweite Grund!
Und so stehen Werke aus den Kunstsammlungen Hermannstadts, also des Brukenthalmuseums, Kronstadts, Neumarkts und Klausenburgs im Zentrum meines Vortrags. Ergänzend hinzu kommt noch die Privatsammlung Josef Böhm aus Berlin, die bis zum Frühjahr in Großwardein zu sehen ist. Alle Arbeiten sind also gegenwärtig in den jeweiligen Häusern ausgestellt und können besichtigt werden. Diese Begegnung mit dem Original zu fördern, ist mir ein Anliegen. Dafür will ich Impulse setzen. Auch will ich Mut machen, an die Bilder Fragen zu stellen. Das können ganz andere sein als die oben erwähnten, auf jeden Fall aber wird das den eigenen Rundgang, egal wo, spannender und erkenntnisreicher werden lassen. Insofern ist es auch überflüssig zu sagen, dass die von mir getroffene Bildauswahl nur exemplarischen Charakter hat, man kann den Blick auf die 1920er Jahre natürlich auch anhand anderer Bildwerke richten.
Welche Häuser würden Sie noch zum Besuch empfehlen, z. B. in Deutschland?
Das Kulturreferat für Siebenbürgen ist an das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim am Neckar angedockt. Da gibt es einiges zu entdecken. Im nächsten Frühjahr wird die neue Gemäldegalerie vorgestellt. In Regensburg gibt es die Ostdeutsche Galerie, kurz KOG, die zentrale Werke besitzt, unter anderem von Grete Csaki-Copony. Darauf beziehe ich mich, ebenso wie auf Kernstücke der Berlinischen Galerie, die mit ihren Sammlungsbeständen zur osteuropäischen Avantgarde ihrerseits viele Netzwerke und Verflechtungsgeschichten dokumentiert.
Kommen wir noch einmal zum Vortrag zurück. Wie war das für die Frauen in der Kunst?
Sie fragen nach den Voraussetzungen künstlerischen Arbeitens von Frauen während der 1920er Jahre? Für Frauen hatten sich die Chancen, auf institutioneller Ebene einer künstlerischen Ausbildung nachzugehen, seit dem späten 19. Jahrhundert stetig verbessert. Gleichwohl spielte auch die Rückendeckung aus dem Elternhaus und besonders auch die des (Ehe-)Partners eine wesentliche Rolle, um künstlerisch tätig sein zu können. Gleichberechtigt war die Situation noch lange nicht. Zugleich muss man aber auch sehen, dass es bis heute grundsätzlich eine besondere Herausforderung darstellt, ein Auskommen als freiberuflich tätiger Künstler oder Künstlerin zu finden, ganz gleich, welchem Geschlecht man angehört.
Eine besondere Chance für die Frauen in den 1920er Jahren stellte das Medium der Fotografie dar, die nötige Technik wurde immer leichter in der Handhabe und erschwinglicher im Preis. Am Mut, sich neuer Möglichkeiten aktiv zu bedienen, fehlte es auch den Siebenbürgerinnen nicht. Das ist es, was ich in der laufenden Reihe „Deutschsprachige Künstlerinnen im und aus dem östlichen Europa“, in der ich mich gezielt einzelnen Persönlichkeiten widme, verstärkt deutlich machen will. Denn auch das ist noch viel zu unsichtbar.
Welche Veranstaltungen haben Sie im Rahmen des Kultursommers noch begleitet oder betreut?
Das größte Vorhaben, das ganze acht Tage in Anspruch genommen hat, war ein Jugendtheaterprojekt, das ich in Kooperation mit der Theaterpädagogin und Gründerin des Vereins „Cu Timp pentru Cultură“ Petra Antonia Binder durchgeführt habe. Die Förderung dafür kam aus Mitteln der BKM in Deutschland, des DFDKK und der M&V Schmidt Stiftung. Mit einer kleinen Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Kronstädter Oberschulen haben wir gemeinsam die Landschaft des Burzenlandes erkundet. Das Projekt hieß ,,ŢARA BurzenLAND“. Die Annäherung war vor allem eine kulturhistorische, die Beschäftigung mit Dichtung, Liedkunst und Landschaftsmalerei stand im Mittelpunkt, von dort aus sollte das eigene Verhältnis zum Burzenland, das ja die Heimat der Jugendlichen ist, reflektiert werden. Dazu sind wir auch im Museum gewesen, haben Bilder analysiert und schließlich das eigene, kritische Sehen geübt. Dann wurden eigene Texte verfasst und Bilder gemalt. Natürlich hatte auch die Begegnung mit der Natur ihren Platz, es gab eine geführte Wanderung auf die Zinne, die hat uns in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Erstaunt habe ich feststellen müssen, dass obwohl alle in Kronstadt zu Hause sind, keineswegs alle die Zinne von oben kannten. Den Schlussakkord des Projektes hat schließlich Petra Antonia Binder in der theaterpädagogischen Arbeit mit den Jugendlichen gesetzt. Unter ihrer Regie wurden all diese Erfahrungen zusammengeführt und zu einer Performance gestaltet, so konnten wir mit zwei wunderbaren Aufführungen in Bukarest und Kronstadt auftreten.
Es gab auch einen Film?
Ja, es gab schon im letzten Jahr ein ähnliches Kooperationsprojekt. „DOR! Dor? Das Land in dem ich geboren bin. HEIMATFREMDE“ war sein Titel. Es wurde damals von Ella Haas und Leon Zidek, die beide in Berlin Film studieren, begleitet. Die beiden haben eine wunderbare Kurz-Dokumentation von knapp 17 Minuten daraus gemacht. Nach der Deutschland-Premiere in Heilbronn haben wir nun die Rumänien-Premiere gefeiert. In Kürze gehen wir damit online, um ein größeres Publikum zu erreichen.
Es gibt auch eine Grußkarte, die sie gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde in Heltau gemacht haben.
Genau. In Heltau wird zurzeit die Kirche umfassend restauriert, dabei auch wunderbare Fresken sichergestellt. Im Rahmen des Kultursommers gab es die Möglichkeit, geführt von Pfarrer Kézdi, hinter die Bauplanen zu schauen. Außerdem waren die frühneuzeitlichen Handschriften der Pfarrbibliothek, die jüngst mit BKM-Mitteln restauriert wurden, eine Woche lang im Kultursalon der Kirchenburg ausgestellt. Um auch über diese Präsentation hinaus die Bestände im Bewusstsein zu halten und ein Andenken zu haben, haben wir gemeinsam eine Grußkarte gestaltet. Sie zeigt eine Seite aus dem Heltauer Missale, das eines der eindrücklichsten Messbücher aus vorreformatorischer Zeit ist, die zudem eine Geschichte von der Migration und vom Wandel liturgischer Praxis erzählt. Die Karte liegt nur für alle Besucher zum Mitnehmen an der Kirche aus.
Musikalisch-literarischen Charakter hatte die Kooperation mit der evangelischen Kirchengemeinde von Deutsch-Weißkirch und Johann Markel, der freundlicherweise seinen Flügel mitsamt Musikzimmer zur Verfügung stellte. So fand in der letzten Kultursommerwoche der von Dagmar Dusil initiierte und konzipierte Salon „Carl Filtsch im Kontext seiner Zeit“ in schönster Atmosphäre statt. Irisa Filip und Constantin Andrei Preda am Klavier haben Chopin, Rubinstein, Schumann, Liszt und natürlich Filtsch sehr eindrücklich und unmittelbar zu interpretieren verstanden. Dagmar Dusil hat durch den Abend geführt.
Was hat der Siebenbürgische Kultursommer bedeutet?
Wie gesagt, ich denke, der Kultursommer war eine gute und nachhaltige Initiative der Organisationen. Wie vielfältig und reich das Programm war und wie viele Mitwirkende beteiligt waren, belegt der Blick ins Programmheft. Dazu beitragen zu können, war eine Freude und für alle Seiten ein Gewinn.
Herzlichen Dank für das Gespräch.