Der Schöpfer des Rolands vom deutschen Heldenfriedhof in Kerz

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Ausgabe Nr. 2785

Auf den Spuren des Hermannstädter Bildhauers Fritz Zelch / Wie die Burgkirche in Michelsberg vor 80 Jahren zum ,,germanischen Golgotha“ wurde / Von Konrad KLEIN

Pfarrer Carl Reich mit Konsul Karl Stauss (im Hanomag), damals Beauftragter der Deutschen Kriegsgräberfürsorge in Rumänien (Kerz, 1928). Foto: Samml. Gotthelf Zell

Anlass dieses Beitrags ist der verdienstvolle Artikel von Prof. Heinz Acker über seinen Urgroßvater Carl Reich, in dem ich aufgrund eines redaktionellen Eingriffs mit einer leider falsch wiedergegebenen Information zum Bildhauer „Rudolf Zelch“ erwähnt wurde (HZ vom 10. Juni 2022, S. I). Eine nähere Beschäftigung mit Fritz Zelch (Rudolf Binder war sein Arbeitgeber), dem Schöpfer der markanten Rolandfigur vom Kerzer Heldenfriedhof, lohnt indes ebenfalls und hält Überraschendes bereit. Aus ähnlichen Gründen habe ich einige unbekannte Fakten zur Geschichte der Heldengedenkstätte auf der Michelsberger Burg und, damit zusammenhängend, der Steinmetzfirma R. Binder zusammengetragen, der wohl bedeutendsten siebenbürgischen Firma für Sepulkral- und Gedächntniskultur.

Als Bischof D. Friedrich Teutsch am 30. September 1928 im Beisein von Pfarrer Carl Reich und weiteren Persönlichkeiten den Heldenfriedhof in Kerz mit einem Gebet vor dem Rolandstandbild an der Südwand der einstigen Abteikirche einweihte, waren wohl auch dessen „Väter“, der Bildhauer Fritz Zelch und sein Firmenchef, Steinmetzmeister Rudolf Binder (1888-1953), anwesend. Die kuriose Geschichte der Rolandfigur hatte der Beauftragte der deutschen Kriegsgräberfürsorge in Rumänien Karl Stauss in einem bekannten Buch festgehalten: „Von den deutschen Truppen war in Hermannstadt [1918] ein mächtiges Roland-Standbild unvollendet zurückgelassen worden, das vermutlich für den Turm des Ehrenfriedhofes auf dem Hammersdorfer Berge gedacht war. Bestimmte Gründe ließen uns die nachträgliche Aufstellung auf dieser einsamen Höhe nicht ratsam erscheinen und so entschloss man sich für Kerz. Steinmetz R. Binder hat nach einem vorgefundenen Gipsentwurf [von Fritz Zelch, Mitt. Rudolf Binder jun. vom 8.8.2010; dass Zelch seinen Rohentwurf später selbst vollendete, kann m. E. als sicher gelten] die roh behauenen Kalksteinblöcke ausgearbeitet. So ragt heute der mächtige Roland wie sein berühmtes Steinbild zu Bremen als Sinnbild der Standhaftigkeit und als treuer Hüter über den Gräbern“ (K. Stauss, Kriegsgräber in Rumänien, Ploiești 1931, S. 172). 

Fritz Zelch (1912). Aufnahme des Hermannstädter Fotografen Eugen Lieblich. Auf der Rückseite eine handschriftliche Widmung vom 10.11.1912: „Andenken von Ihrem Freund Fritz Zelch“. Foto: Samml. d. Verfassers

Die „bestimmten Gründe“ ließen nicht lange auf sich warten, denn bereits kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs wurden an den vier Ecken und am Dach des Denkmalturms in Hammersdorf Sprengungsversuche unternommen, deren Spuren noch heute sichtbar sind. 

Um wieviel mehr hätte der wehrhafte Wächter am Eingang zum Turm chauvinistische Zerstörungswut auf sich gezogen. Heute undenkbar? Es genügt ein Blick in das Jahr 2000, als der Deutschenhass einiger Heltauer ausreichte, mehrere Jugendliche zu wüsten Zerstörungen in der deutschen Heldengedenkstätte in der Michelsberger Burgkirche anzustiften. 

Deren Anfänge jähren sich gerade zum 80. Mal. Die Volksgruppenführung sorgte damals dafür, dass sich der Wunsch der Wehrmacht nach einer zentralen Weihestätte für die im Kreis Hermannstadt im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen und k. u. k. Soldaten erfüllte. Der fast unbekannte Sachverhalt: Die Ortsgruppen von Heltau und Michelsberg hatten ihr 1942 die Michelsberger Burg geschenkweise überlassen, wobei auch Dr. Misch Orend maßgeblich mitgewirkt haben soll (Mitt. Erhardt Klein vom 5.9.2003). Nachdem sich die Burgkirche nun auf reichsdeutschem Hoheitsgebiet befand, bekam die Sächsische Kriegsgräberfürsorge vom Auswärtigen Amt in Berlin den Auftrag, die Gefallenen von den Heldenfriedhöfen Hammersdorf, Thalheim, Talmesch, Freck, Heltau und sogar aus Kerz hierher umzubetten. Die Monographien zu Heltau (2002, neuerdings auf Rumänisch in aktualisierter Form) und Michelsberg (2005) enthalten kein Wörtchen dazu, wenn man von einem in letzterem abgedruckten zeitgenössischen Zeitungsbericht absieht, der kurz auch die Schenkung streift, aber die Episode nicht weiter erwähnt (S. 292). (Die Zeitung heißt übrigens Donauzeitung, nicht Deutsches Volksblatt, siehe unten.)

Feierstunde unter reichsdeutschem Hoheitszeichen

Eine erste Gedenkfeier mit anschließender (Massengrab-)Bestattung der Gebeine von 600 überführten Schreinen in fünf Sammelgräber im Südwesten des Burghofs fand bereits am 13. Juli 1942 mit Fanfaren, Trommelwirbel und viel germanischem Feuerzauber mit Vertretern der Wehrmacht, Gebietsleiter Kurt Fromm, Herrn Klety von der Deutschen und Auguste Schnell von der Sächsischen Kriegsgräberfürsorge statt. Gestaltet hatte die Feier laut Südostdeutscher Tageszeitung vom 15.7.1942 der Heltauer Ortsgruppenführer Gustav Herbert. [Auch in der unzugänglichen, von der Wehrmacht erweiterten Krypta unter dem Chor sollen Gefallene bestattet worden sein, doch durften die in den 1960er Jahren mit der Burgrenovierung Betrauten Dr. Gustav Gündisch und (Wilhelm?) Wagner keine Auskunft dazu geben, so Maria Schmale von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge in ihrem Bericht von 1979] .

Exhumierung deutscher Gefallener durch DJ-Jungen in Thalheim, Sommer 1943. Jedem wurde ein Grab zugeteilt, der damals 16-jährige Helmut Meint hatte auch seine Kamera dabei. Die Gebeine wurden anschließend in Kisten gelegt, zugenagelt und auf den Pfarrhof nach Kastenholz gebracht, ehe sie nach Michelsberg kamen. Die von der Volksgruppe organisierten Exhumierungen fanden bezeichnenderweise sonntags statt. Samml. Helmut Meint

Wegen des Krieges geriet das Projekt bald ins Stocken, so dass sich Bischof W. Staedel und Hauptanwalt A. Scheiner im Sommer 1943 genötigt sahen, per Rundschreiben alle Pfarrämter aufzufordern, dem Landeskonsistorium den Stand der von der sächsischen Kriegsgräberfürsorge betreuten und jetzt aufzulösenden Kriegsgräber zu melden „ob Exhumierungen vorgenommen wurden, wohin, wieviele usw.“ (Kirchliche Blätter v. 29.6.1943) ‑ übrigens das einzige Mal, dass das heikle Thema in den Kirchlichen Blättern erwähnt wurde. Dass sich die Begeisterung über eine NS-Weihestätte in der kirchlich-traditionell geprägten sächsischen Gemeinschaft in Grenzen hielt ‑ die bis dahin die Gräber pflegenden Schwesterschaften hatte man 1941 aufgelöst ‑, verwundert kaum; näheren Aufschluss darüber könnte der Fonds Sächsische Kriegsgräberfürsorge in Siebenbürgen im Nationalarchiv, Filiale Hermannstadt, geben. Wie auch immer: Der Michelsberger Sammelfriedhof mit seinen Kisten voller nicht mehr bestatteter Gebeine war im Laufe des Krieges zum „germanischen Golgotha“ geworden, ausführlich thematisiert und beschrieben in Joachim Wittstocks halbdokumentarischem Roman „Bestätigt und besiegelt“ von 2003, Seite 157 ff. (Eine tragende Rolle spielt dort der Heltauer Notar Michael Klein, Vater des oben erwähnten Erhardt Klein, vgl. S. 6.)

Überraschend optimistisch noch die 1943 veröffentlichte Reportage des meist gut informierten, auch aus Rumänien berichtenden Journalisten Gerhart Herrmann in der damals in Belgrad erscheinenden Donauzeitung: „Dort hinauf [auf die Burgkirche] werden die Gebeine aller derer gebracht, die im Weltkrieg in Siebenbürgen fielen (…) Sie ruhen dort in deutscher Erde, wie die Weltkriegstoten des Burzenlandes in der alten Marienburg (…) in deutscher Erde ruhen werden. Das menschliche Verständnis, das freundschaftliche Gefühl und das soldatische Empfinden des rumänischen Staatsführers Marschall Antonescu und seiner Regierung gaben den Boden dieser beiden Burgen dem Deutschen Reiche, auf daß dort, und nur dort, die im Lande zerstreuten sterblichen Überreste deutscher Krieger ihre endgültige und gemeinsame Heimstatt finden.“ (Donauzeitung vom 8.6.1943, S. 8). Offensichtlich blieb die Gedächtnisstätte in der Marienburg im Projektstadium stecken, von Gefallenengräbern ist dort nichts mehr bekannt (Mitt. Wolfgang Wittstock vom 6.8.2022).

Erst im Zuge der Restaurierungsarbeiten von 1964 bis 1966 (Leitung: Arch. Mariana Anghelescu) erhielt der Innenraum der Michelsberger Basilika die romanische „Reinheit seiner Bauform und seine wortlose Schlichtheit“ (M. Schmale) wieder, teils mit Gedenkplatten versehen, die Soldaten an den Wänden des Chors angebracht hatten. Daneben – stellvertretend für alle Gefallenen – das hölzerne Grabkreuz des 17-jährigen Leutnants Maximilian v. Steinsdorf vom Königl.-Bayerischen Infanterie-Leibregiment. Keine Spur von einer großdeutsch-völkischen Ausgestaltung der Gedenkstätte, selbst der neuheidnische, auf vier Steinkugeln ruhende Opfertisch im Chor hätte glatt als Hommage an die Michelsberger Ortsgeschichte durchgehen können. Erfreulicherweise verschwanden später auch die dreibeinigen, arg windschiefen Feuerschalen und zwei als Blumenvase dienende Granathülsen, so dass der heutige Besucher nurmehr von dem durch die Rundbogenfenster hereinströmenden Licht und erhabener Ruhe umfangen ist – Sepulkralkultur in ihrer schönsten Form.

Überraschung unter 

kommunistischem Putz

Ausgerechnet ein Einbruch in die Burgkirche am 24. Januar 2000 mit teils brachialen Verwüstungen sorgte für eine handfeste Überraschung. Alle Glasfenster waren eingeschlagen, etwa ein Drittel der rund 120 marmornen Gedenkplatten waren aus der Wand gerissen und lagen teils zertrümmert zusammen mit dem Steinsdorfschen Holzkreuz auf dem Boden, der Opfertisch war umgestoßen und Ziegel aus dem Bodenbelag herausgerissen. Bereits einige Wochen danach startete eine vom nachmaligen Historiker Winfried Ziegler organisierte Studentengruppe eine professionelle Rettungsaktion unter Anleitung von Alexandru Sonoc vom Brukenthalmuseum, fachlich beraten von Bildhauer und „Nepomuk-Restaurator“ Prof. Dr. Gavril Abrihan. Zerbrochene Marmorplatten wurden wieder zusammengefügt oder mit Modelliergips ergänzt und der mutwillig ins Tal gerollte vierte Rundstein von fast 40 kg mit Spezialmörtel unter dem viereckigen Steintisch fixiert (vgl. ADZ und Hermannstädter Zeitung vom 21.4.2000). Dabei staunten die Restauratoren nicht schlecht, als sie auf der massiven Tischplatte ein mit Mörtel abgedecktes Eisernes Kreuz und an deren abgeschrägten Seiten NS-völkische Inschriften entdeckten („DEUTSCHE HELDEN AUS ALLEN GAUEN DES REICHES“) – Arbeiten der Steinmetzfirma R. Binder, die nun wieder freigelegt sind. Die Veröffentlichung eines von Sonoc 2001 in Chişinău gehaltenen Referates zur Michelsberger Restaurierung im Kontext der siebenbürgischen Erinnerungskultur und der Niederlage der Rumänen in der Schlacht bei Hermannstadt 1916 lehnte Dekan Pamfil Matei von der Hermannstädter Lucian-Blaga-Universität freilich ab, weil sie „dem Ansehen des Landes schaden“ würde.

Durch sein Wissen hatte der gelernte Steinmetz und spätere Ingenieur Rudolf Binder jun. (1921-2016) in jahrelangem Briefwechsel mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge dazu beigetragen, die Erinnerung an die deutschen Heldenfriedhöfe und an die Gedenkstätte in der Michelsberger Basilika wachzuhalten – von Freiburg i. Br. aus, wo er sich nach Kriegsende wegen seiner Mitgliedschaft bei der Waffen-SS (bereits 1939 in der SS-Standarte „Germania“) niedergelassen hatte, teils nachzulesen in seinen Erinnerungen in den Südostdeutschen Vierteljahresblättern 2/2004 und im Hermannstädter Heimat-Boten 3/2006. Die Liste der väterlichen Steinmetz-Werkstatt mit 620 deutschen Gefallenen ist beim Volksbund als „Liste Binder“ bekannt, sogar eine Originalrechnung vom 18.11.1943 für 42.390 Lei für die Anbringung der Namenstafel der Heltauer Kriegstoten im Chor der Burgkirche ist erhalten. Nicht erhalten ist natürlich die Rechnung für den steinernen Reichsadler über der südlichen Burgeinfahrt, den man noch rechtzeitig vor Einmarsch der Russen 1944 von der Bruchsteinmauer entfernte (seine plastische Ausführung stammte ebenfalls aus der Steinmetzerei R. Binder, wie mir 2003 der Michelsberger Maurermeister Johann Hann, geb. 1922, bestätigte). Das Einzige, was Binder damals noch retten konnte, waren 34 Travertinplatten, die er zum Anwesen seiner Schwester brachte, wo sie als Gehwegplatten verwendet wurden – falls schon beschriftet, mit den eingemeißelten Namen nach unten. Verbittert und vergrämt nach seiner Totalenteignung 1949 starb Rudolf Binder sen. wenige Jahre später, erst 65-jährig. Bischof Müller hielt seine Grabrede.

Ein Bild der Verwüstung: der Chor der Michelsberger Burgkirche nach dem Einbruch vom 24. Januar 2000. Die abgeschlagenen Gedenkplatten und der umgestürzte Steintisch wurden seinerzeit von der Steinmetzfirma Rud. Binder gefertigt. Foto: Winfried ZIEGLER

Doch zurück zu Fritz Zelch, zu seiner Zeit der versierteste Bildhauer in Hermannstadt, der auch Feinarbeiten filigranerer Art übernahm. So wurden vor einiger Zeit bei einer Bestandsaufnahme in der Glyptothek des Brukenthalmuseums zwei farbig getönte Gipsabgüsse mit dem Profil des sächsischen Flugpioniers Albert Ziegler gefunden, wie einem Zeitungsbeitrag von Manfred Wittstock zu entnehmen ist (Hermannstädter Zeitung vom 25.8.2006, S. 5). Unter dem nach rechts gewandten Profilbildnis des Piloten steht in Kapitalien ZIEGLER ALBERT, signiert ist die Arbeit mit „FZ“ im Nacken des Dargestellten. Weil auf der Rückseite einer Plakette handschriftlich „Zelch 1923“ vermerkt war, war schnell klar, dass es sich um eine Jubiläumsplakette handelt, die zum zehnjährigen Jubiläum der Ziegler-Flüge angefertigt wurde. Anfang der 1930er Jahre war Zelch auch mit Arbeiten zur Erhaltung der einsturzgefährdeten alten Decke im Festsaal des Brukenthalpalais beschäftigt, nicht umsonst firmierte er im Adressbuch von 1926 auch als „Ornamentiker“.

Vollkommen in Vergessenheit geraten ist, dass Fritz Zelch 1934 die Relieftafel für das Bogenfeld über dem Haupteingang der Johanniskirche geschaffen hat. Er hatte sie auf Wunsch des für seine Wohltätigkeit bekannten, kinderlos gebliebenen Apothekers Carl Pissel (1859-1934) entworfen. Als Motiv hatte sich dieser Jesus als Kinderfreund gewünscht und hierfür als Vorlage eine Illustration aus seiner Familienbibel zur Verfügung gestellt. Diese und weitere Details sind einem mit H.W. signierten Nachruf auf Pissel im Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt (SDT) vom 20.5.1934 zu entnehmen, eine Abkürzung, hinter der sich zweifellos der Stadtprediger und „Waisenvater“ Hans Wagner verbirgt, bis 1910 selbst Leiter des Lutherhauses bzw. Waisenhauses. Dem Zeitungstext zufolge hatte Pissel den Bildhauer anlässlich der Lutherhausfeier von 1933 kennengelernt und hierbei auch erfahren, dass Zelch ein ehemaliges Waisenmädchen geheiratet hatte. Der aus Birthälm gebürtige Carl Pissel, der selber frühzeitig zur Waise wurde und zeitweilig auch Kurator des Lutherhauses war, hatte stets im Geiste des Evangeliums gewirkt und sich darüber hinaus auch um die Salzburger Kinderkolonie, das Brukenthal-Sanatorium in Freck und das Christliche Hospiz verdient gemacht. 

Unbekannt ist auch die Tatsache, dass Zelch aktiv an der Ausgestaltung der Familiengruft des bekannten Großkaufmanns Ilie Floașiu mitwirkte (Mitt. R. Binder jun. von 2010), der nach einer Operation in Wien am 13. April 1935 gestorben war. Die Fertigstellung des wuchtigen Baus auf dem Hermannstädter Zentralfriedhof erlebten wohl beide noch, weil dieser bereits 1934 begonnen wurde. Auch die Büste von Floașiu sen. im Treppenhaus der neugotischen Floașiu-Villa in der Schewisgasse/Bd. Victoriei 35 dürfte eine Arbeit von Zelch sein (Foto davon in Hermannstädter Zeitung v. 6.11.1998, S. 3). 2008 geriet die reich ausgestattete Gruft wegen schwerer Schändung und Störung der Totenruhe in die Schlagzeilen.

Sicher ließen sich noch weitere Arbeiten von Fritz Zelch nachweisen. So etwa vermutet Manfred Wittstock, dass dieser auch den Springbrunnen im ehemaligen Bürgerspital mit seinen drei etagenartig angeordneten Wasserschalen in Tulpenkelchform entworfen hatte – in Hermannstadt als „Fântâna Olandezului“ bekannt (wohl eine Stiftung eines niederländischen Patienten namens Teus Huisman). 

Apropos Zuschreibungen: Auch bei der Marmorplastik in Sigmund Dachlers Garten in der Franz-Gebbel-Straße/Spartacus 9 handelt es sich meines Erachtens um ein Werk von Fritz Zelch. Sie zeigt einen auf einem Amboss sitzenden Schmied mit einem Hammer und einem halben Wagenrad zu seinen Füßen, auf dem Sockel das Dachler‘sche Geschlechterwappen, das in Hermannstadt auch von Sigmund Dachler (1872-1951), dem langjährigen Direktor des Hermannstädter Elektrizitätswerkes (HEW), verwendet wurde. Warum jedoch ein Schmied? Vielleicht als Allegorie auf den Mann der Tat, der Großes schmiedet – wie seinerzeit Bismarck, der auch gern als Schmied mit Lederschürze und hochgekrempelten Ärmeln dargestellt wurde. Leider ist die 1932 datierte Plastik seit einigen Jahren verschwunden.

Happy end für eine 

,,Traurige Madonna“

Die Geschichte eines lebensgroßen Grabdenkmals, das ebenfalls in einem Hermannstädter Garten stand, ist hingegen bekannt. Mit der Ausführung der künstlerisch anspruchsvollen Arbeit – einer teils mit einem Schleier verhüllten Trauernden an einer Säule – wurde, wie so oft, Fritz Zelch beauftragt. Als Modell fiel die Wahl auf die schöne Brauereitechnikertochter Titti (eigentl. Berta) Müller, später verheiratete Rösner, die gerade eine Stelle als Pädagogin am katholischen Knabeninternat Norbertinum angetreten hatte. Wie sich die damals 25-Jährige erinnerte, musste sie dem Bildhauer tagelang Modell sitzen, nur bei den Händen entschied sich Zelch für jene ihrer jüngeren Schwester Erna. Das Ergebnis entzückte sowohl Familie Müller als auch die mit dieser verwandten Steinmetzfamilie Binder; letztere verwendete die wohl 1935 entstandene Grabplastik auch prompt als markante Werbefigur für ihren Stand auf der Hermannstädter Mustermesse. Nach der Wende scheuten die beiden Töchter der Dargestellten weder Kosten noch Mühe, das geliebte Kunstwerk für ihre Mutter nach Limburg a. d. Lahn zu bringen, was sogar die Regionalpresse aufgriff („Die traurige Madonna trägt Titti Rösners Züge“, Nassauische Neue Presse vom 9.8.1993) – auch wenn‘s eine namenlose Trauernde und keine Madonna ist.

Über die Vita von Fritz Zelch ist leider wenig bekannt. Geboren am 23. August 1894 in Reußen als Sohn des aus Elisabethstadt gebürtigen Schuhmachers Friedrich Zelch (1869-1941) und der Josefine, geb. Winkler (1862-1940), Schmiedtochter aus Stolzenburg, dürfte er das Steinmetzhandwerk beim Hermannstädter Steinmetzmeister Josef Roubischek jun. (1864-1915) gelernt haben, damals auch Inhaber des größten Grabsteinlagers in Siebenbürgen. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Roubischeks ehemaliger Schüler Rudolf Binder die Traditionsfirma. Zu den zeitweilig 30-40 Mitarbeitern seiner Steinmetz- und Bildhauerwerkstätte auf dem Lohmühlgrund in der Kraussgasse/Anina 2 ‑ die in der Zwischenkriegszeit von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge angelegten Heldenfriedhöfe bis hinunter nach Călinești sorgten jahrelang für volle Auftragsbücher – zählte auch der künstlerisch wohl begabteste Fritz Zelch. Am 5. April 1920 heiratete er in Stolzenburg die gebürtige Hermannstädterin Melanie, geb. Ladmann (1896-?). In den Jahren darauf bekamen sie in rascher Folge zwei Töchter und einen Sohn.

Die ersten Jahre lebte die junge Familie unter wechselnden Adressen, ehe sie um 1926 in die geräumige Villa des Baumeisters Ferdinand Königer jun. in der Langgasse 9 zog. Das Familienglück endete jäh, als Fritz Zelch am 3. Juni 1935 unerwartet einem „Herzschlag“ (Herzinfarkt) erlag (SDT v. 5.6.1935). Melanie Zelch übersiedelte mit ihren drei minderjährigen Kindern in ein Haus am Schiffbäumel/Plopilor Nr. 7. Hier traf sie wenige Jahre später – damals in der Presbyterialkanzlei beschäftigt – ein weiterer Schicksalsschlag, als sie erfuhr, dass ihr erst 20-jähriger Sohn bei Kämpfen zur „Neuordnung Europas“ am 9. September 1943 im italienischen Tarvis/Tarvisio „den Heldentod gefunden“ hatte (Parte in der Südostdeutschen Tageszeitung vom 7.10.1943). Seine letzte Ruhe fand der als SS-Jäger gefallene Fritz Zelch jun. auf der Kriegsgräberstätte Costermano beim Gardasee, Block 14, Grab 286, im Netz unter www.volksbund.de/erinnern-gedenken/graebersuche-online. Mit ihm hatten auch die Mitarbeiter von „Krafft & Drotleff“, damals Hauptverlag der Deutschen Volksgruppe in Rumänien, einen „lieben Arbeitskameraden“ verloren (Parte vom 8.10., ebd.). Dass die Trauerfeier für den Verstorbenen am 8. Oktober in eben jener Johanniskirche stattfand, für die einst Fritzens Vater das Relief von der Kindersegnung Jesu gefertigt hatte, lässt alles in einem noch tragischeren Licht erscheinen. 

Tröstlich, dass zumindest dem Heldenfriedhof in Kerz mit seinem trefflichen Roland das Schicksal der anderen Friedhöfe erspart blieb – der dortige Gemeindepfarrer hatte im November 1943 dagegen protestiert, die Gefallenen in die Michelsberger Gedenkstätte umzubetten, ihre Gräber seien liebevoll gepflegt und die Anlage genieße auch in Deutschland großes Ansehen. 

Konrad KLEIN

An dieser Stelle meinen besten Dank an Jutta Tontsch und Michael Hihn, Autor der Monographie „Reußen, das Dorf mit dem schiefen Turm“ (1994, 2010, rumänisch 2014), für die Bereitstellung einiger genealogischer Daten zur Familie Zelch.                              K. K.

Veröffentlicht in Forschung, Aktuelle Ausgabe, Geschichte, Kirche, Kultur, Kunst.