,,Heute ist diesem Hause Heil widerfahren“

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Wiedereinweihung der umfassend renovierten Agnethler Kirchenburg
Ausgabe Nr. 2783

Zu einem Reigen der Freundschaft luden die Gastgeber alle ein. Vor der Kulisse des Glockenturms und des Fassbinderturm und unter Anleitung des Choreographen Ioan Sârbu machten alle gerne mit, egal ob in Volkstracht oder nicht. Foto: Beatrice UNGAR

Was laut der Bibel bei Lukas 19, 1-10 Jesus dem Zöllner Zachäus sagte – ,,Heute ist diesem Hause Heil widerfahren“ – gelte auch für die Kirchenburg in Agnetheln, sagte Bischof Reinhart Guib in seiner Predigt im Rahmen des Festgottesdienstes zur Wiedereinweihung der evangelischen Kirche und der Kirchenburg am Sonntag, dem 14. August. Kirche und Kirchenburg leuchteten nun zur Ehre Gottes, nachdem  mit dem 2022 gewählten neuen Presbyterium unter Leitung von Kuratorin Andrea Șchiau-Gull ,,Ruhe und Eintracht“ in die evangelische  Kirchengemeinde A. B. in Agnetheln, die nach dem viel zu frühen Tod ihres Pfarrers 2020 eine schwierige Zeit durchmachen musste, Einzug gehalten haben.

Bischof Reinhart Guib und Kuratorin Andrea Șchiau-Gull schreiten durch das Spalier zur Kirche, gefolgt von den Ehrengästen, links hinten zu sehen ist der Schusterturm.Foto: Beatrice UNGAR

Den entsprechenden Bibeltext las Diakon Heinrich Rosinger, der nun für Agnetheln und die dazugehörenden Gemeinden im Oberen Harbachtal zuständig ist. Zuvor hatten er und der Dechantstellvertreter Pfarrer Hans-Georg Junesch gemeinsam mit Bischof Guib die im neuen Glanz erstrahlende Kirche und die Kirchenburg erneut unter den Schutz Gottes gestellt. Rechts und links vom Altar hatten die Trachtenträgerinnen und -träger Platz genommen, die vor der Kirche Bischof und Ehrengäste im Spalier erwartet hatten.  Eine Augenweide war das für alle, die sie während des Abendmahlsgottesdienstes bewundern konnten: die Männer mit Mente (Mantel), Dolman, Gürtel, Marderhut und Röhrenstiefeln, die Frauen gebockelt und mit wunderschön gestickten Schürzen. Welches genau die Besonderheiten von Agnetheln sind, können Interessierte nun in einem Buch nachlesen, das zum Auftakt der Feierlichkeiten in Agnetheln am Samstagvormittag vorgestellt worden ist.

Wo die Urzeln zuhause sind. Agnetheln – Schritte durch Geschichte und Kirchenburg. Ein Wegweiser von Horst Fabritius, Ruth Fabritius und Helga Lutsch. Honterus-Verlag Hermannstadt 2022, 202 Seiten, ISBN: 978-606-008-116-6. Das Buch wird kostenlos abgegeben.

Es handelt sich um den Band ,,Wo die Urzeln zuhause sind. Agnetheln – Schritte durch Geschichte und Kirchenburg“ einen von Horst Fabritius, Ruth Fabritius und Helga Lutsch verfassten ,,Wegweiser“, der im Honterus-Verlag Hermannstadt erschienen ist. Unterstützt wurde die Herausgabe vom Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung durch das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt. Bei der Buchvorstellung dabei waren Horst und Ruth Fabritius, Helga Lutsch konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht anreisen. Der reich bebilderte Band diene laut den drei Autoren dazu, ,,gestützt auf wesentliche Elemente der Ortskenntnis“ dem Besucher die Kirche und ihre Ausstattung vorzustellen und es ihm ermöglichen ,,ihre Wehrhaftigkeit in Gestalt der Wehrtürme für sich“ zu entdecken, ,,als Einrichtungen der selbstorganisierten Bürger der Marktgemeinde, die die längste Zeit ihrer Geschichte als Handwerker lebten, nebenher für den Eigenbedarf Landwirtschaft betrieben und zugleich wehrhaft sein mussten.“

Wohin man sich auch wendete, man konnte sich nicht sattsehen an den sanierten Wehrtürmen, der Schule, der Kirche. Rund 6,53 Millionen Lei haben die Arbeiten gekostet, davon stellte 6,24 die Europäische Union zur Verfügung, durch das Regionale Operationelle Programm 2014-2020. Im August 2017 wurde der Finanzierungsvertrag unterzeichnet. Antragsteller war die evangelische Kirchengemeinde A. B. Agnetheln, ihr zur Seite standen außer der Projektmanagerin Elena Curcean und dem Planer, Architekt Emil Aurelian Crișan mit Rat und Tat das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien und die Heimatortsgemeinschaft (HOG) Agnetheln und im Laufe der mehr als 3 Jahre dauernden Arbeiten zahlreiche Spenderinnen und Spender. Im Rahmen des Projektes wurden u. a. die Wände entwässert, Strukturen saniert, Installationen und Anlagen drinnen und draußen ersetzt und in der Kirche eine Bodenheizung eingelegt. Mehrere Baufirmen waren beteiligt, wie Hauptanwalt Friedrich Gunesch in seiner Ansprache im Anschluss an den Gottesdienst sagte.

Eine Gedenktafel für den verstorbenen Pfarrer Reinhardt Boltres wurde an einem Pfeiler in der Kirche angebracht und im Rahmen des Gottesdienstes enthüllt.Foto: Beatrice UNGAR

Was der inzwischen verstorbene Agnethler Pfarrer Reinhardt Boltres beim  ersten Spatenstich am 1. Juli 2019 gesagt hat, gilt heute mehr denn je: ,,Dieses Projekt kommt nicht nur der evangelischen Gemeinde zugute, sondern allen Agnethlern – inklusive wirtschaftlich“.

Die Wiedereinweihung der Agnethler Kirchenburg war sozusagen der krönende Abschluss des ersten Siebenbürgischen Kultursommers, wie es Bischof Guib in seiner Predigt formulierte. Im Zuge der mehr als 130 Veranstaltungen, die vom 23. Juli bis 15. August stattgefunden haben, habe man feststellen können: ,,Überall sind wir willkommen in Siebenbürgen. Es ist unsere Heimat.“ Angelehnt an den Bibeltext 1. Könige 8, wo Samuel sich fragt, wo Gott wohne, sagte Bischof Guib: ,,Es ist nicht selbstverständlich, dem großen Gott in unserer kleinen Welt zu begegnen. Das gilt auch für Siebenbürgen. Er ist in jedem Atemzug bei uns. Das Gebet zeugt von der Bereitschaft Ihn einzulassen.“

Nicht zuletzt ermutigte Bischof Guib alle aus Deutschland Angereisten eine Zweitmitgliedschaft in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien anzustreben.

Musikalisch umrahmt haben den Gottesdienst der eigens aus Klausenburg angereiste Organist Erich Türk und die Siebenbürger Blasmusik Stuttgart. Die wackeren Bläser vom Original Karpaten Express haben in Agnetheln ihre Siebenbürgen-Tournee erfolgreich abgeschlossen und boten im Anschluss an den Gottesdienst Ständchen vor der Kirche und auch auf der Bühne, die neben der Schule aufgebaut war.

Im Anschluss an den Gottesdienst kamen auch der orthodoxe Dechant Andrei Iancu, der reformierte Pfarrer Kozma Endre und der Agnethler Bürgermeister Alin Șchiau-Gull zu Wort.

Die Bläser vom Original Karpaten Express der Siebenbürger Blasmusik Stuttgart e. V. erfreuten auch die Agnethler mit einem Ständchen, nachdem sie u . a. in Hundertbücheln, Braller, Rauthal waren.  Hinten rechts ist der Fassbinderturm zu sehen.                    Foto: Beatrice UNGAR

Die HOG-Vorsitzende Doris Hutter war vor allem davon begeistert, wie selbstverständlich alle Agnethler von hüben und drüben die beiden Tage gemeinsam gefeiert haben. Dies sei ein Hoffnungszeichen auch für weitere anstehende Arbeiten. Z. B. soll die Orgel saniert werden, die Glocken ebenfalls und natürlich auch die Turmuhr, wie Presbyter und Mitglied des Bezirkskonsistoriums Helmut Lerner der Hermannstädter Zeitungsagte. Es bleibt noch Einiges zu tun, besuchen kann man die Kirchenburg aber schon.

Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft, Kirche.