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Zum 200. Geburtstag von Joseph Haltrich

Ausgabe Nr. 2779

Arthur Coulin: Joseph Haltrich.

Heute, am 22. Juli, erfüllen sich 200 Jahre seit der Geburt von Joseph Haltrich. Seit 1972, also seit 50 Jahren trägt die Bergschule seinen Namen. Lesen Sie im Folgenden den Kurzvortrag, den die Lehrerin Karola Fröhlich bei den diesjährgen Deutschen Kulturtagen in Schäßburg an der Gedenktafel gehalten hat, die an dem Haus Nr. 13 am Marktplatz/Pța Hermann Oberth, wo Haltrich gewohnt hat, angebracht werden soll.

Joseph Haltrich wurde in Sächsisch-Regen geboren. Nach dem Abschluss der Grundschule in seiner Heimatstadt kommt er im Jahr 1836 auf das Schäßburger Gymnasium, wo er öfters für seine guten Lernergebnisse ausgezeichnet wird. Er liebt die Literatur schon im Schulalter, liest viel und ist ein guter Erzähler. Im Jahre 1845 beendet er mit Auszeichnung das Gymnasium und bekommt ein Stipendium seitens der Evangelischen Kirche. Er geht für zwei Jahre auf die Universität nach Leipzig, wo er neben Theologie klassische und deutsche Philologie studiert, aber auch historische und philosophische Vorlesungen hört. Von Leipzig aus unternimmt er in den Ferien längere Reisen, u. a. auch nach Berlin; dies wird auf sein späteres Tun nachhaltigen Einfluss ausüben, da er in Kontakt mit Jacob Grimm kommt, aber auch mit dem Historiker Leopold von Ranke. Mit den Gebrüdern Grimm bleibt Haltrich auch nach seiner Rückkehr nach Siebenbürgen in enger Verbindung.

Nach einem kurzen Aufenthalt als Hauslehrer in Klausenburg im Jahr 1847, wird er 1848 an die Bergschule berufen und beginnt 1849 seine Lehrtätigkeit. Sein Hobby ist und bleibt aber die Volkskunde. Als Gründungsmitglied der Humboldt-Stiftung ist er ein erklärter Gegner des Mystizismus und versucht, gewisse Naturerscheinungen wissenschaftlich zu erklären. Haltrich ist ein Befürworter der Modernisierung des siebenbürgischen Schul- und Lehrwesens; in jener Zeit werden aufgrund eines neuen österreichischen Schulgesetzes (der sogenannte „Organisationsentwurf“ von 1850) die Gymnasien mit acht Klassen ins Leben gerufen, die die sechsjährigen Lateinschulen ablösten. Seine didaktisch-pädagogische Tätigkeit wird sowohl vom Lehrerkollegium als auch vom damaligen Rektor Georg Daniel Teutsch sehr geschätzt.

1869 wird Joseph Haltrich die Leitung der Bergschule aus Schäßburg übertragen. Als Rektor erfährt er Anerkennung durch das Lehrerkollegium, aber auch darüber hinaus in der damaligen Gesellschaft. Sein Rektorat fällt in die Zeit, in welcher das Schäßburger Gymnasium höchste Anerkennung über die Grenzen der Stadt Schäßburg hinaus in ganz Siebenbürgen genießt. Das lag vor allem an dem hoch gebildeten und motivierten Lehrerkollegium, aber nicht zuletzt auch an den Amtsvorgängern Haltrichs, die markante Gestalten der siebenbürgisch-sächsischen Kirchen- und Kulturgeschichte gewesen sind: Georg Paul Binder, Carl Goos, Georg Daniel Teutsch oder Friedrich Müller der Ältere.

Haltrichs Wirkungsfeld überschritt den Rahmen des Schäßburger Gymnasiums, aber auch die Grenzen der Stadt. Jahrelang war er Mitglied der Prüfungskommission für die Kandidaten der Theologie und des Lehramtes der Evangelischen Kirche A. B. Seit 1860 gehörte er dem Ausschuss des Vereins für siebenbürgische Landeskunde an. 1859 wurde er in den Gelehrtenausschuss des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg berufen.

Offenbar war dann aber die vakant gewordene Pfarrstelle in der Nachbargemeinde Schaas so reizvoll, dass Haltrich sie der anerkannten Rektorenstelle vorzog. Kirche und Schule waren zu jener Zeit eine Einheit, und eine klassische Laufbahn begann in der Regel als Lehrer und endete als Pfarrer. Nebenbei betrieb man seine Studien, wobei die siebenbürgisch-sächsischen Pfarrer sich mit allen möglichen wissenschaftlichen Disziplinen beschäftigt haben; im Falle von Haltrich war dies hauptsächlich das Sammeln der sächsischen Volksmärchen aus Siebenbürgen. Nach nur drei Jahren im Rektorenamt geht Haltrich im Jahr 1872 nach Schaas, wo er die letzten 14 Jahre seines Lebens verbringt und am 17. Mai 1886 verstirbt. Auch in Schaas ging Haltrich dem nach, was für ihn Aufgabe und Hobby zugleich war: der Volkskunde. Allerdings ist er nun nicht mehr in der Lage, die Fülle an gesammeltem Material selber zu publizieren und vertraut es seinem jüngeren Freund und Weggefährten Johann Wolff an. Bis heute bekannt sind die ,,Deutschen Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen“.

Es ist üblich an Geburtshäusern von Persönlichkeiten Gedenktafeln anzubringen. Das ist bei Haltrich leider nicht möglich, weil sein Elternhaus in Sächsisch-Regen in den Wirren der Revolution von 1848 bis auf die Grundmauern abbrannte und man heute nicht mehr genau weiß, wo es stand. Andererseits ist Haltrich schon als Schüler aus seiner Heimatstadt weggezogen und hat die meiste Zeit seines Lebens hier in Schäßburg verbracht.

Er war mit Schäßburg und vor allem mit der Bergschule aufs Engste verbunden, und – wiewohl er die letzten Jahre seines Lebens im Pfarrhaus der Nachbargemeinde Schaas gewohnt hat – kann man diesen Ort bzw. dieses Haus am Marktplatz durchaus als sein „Zuhause“ betrachten. Er hat nicht nur die längste Zeit seines Lebens hier verbracht, sondern auch die „beste“ oder die „kreativste“, wenn man das so sagen kann. Hier hat er seine Schulstunden vorbereitet und hier hat er seine volkskundlichen Studien betrieben. Insofern ist es wichtig und richtig, diese Gedenktafel hier anzubringen.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.