Gespräch mit dem Musiker Michael Barenboim vor seinem Gastauftritt in Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2774

Bei der Probe mit dem Orchester der Hermannstädter Staatsphilharmonie im Thaliasaal. Foto: Ruxandra STĂNESCU
Michael Barenboim konzertierte am 19. Mai mit der Hermannstädter Staatsphilharmonie. Der Musiker spielt Geige und Bratsche und ist seit zwei Jahren Dekan an der Barenboim–Said Akademie in Berlin, wo er auch Kammermusik und Geige unterrichtet. Barenboim kommt aus einer sehr berühmten Musiker-Familie, Geige hat er schon als Kind mit der Oma geübt. „Die Eltern müssen die Neugier der Kinder wecken und die Liebe zur Musik transportieren“, erklärte er in dem Interview, das er HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u gewährt hat.
Wie ist das Leben als Musiker, Sie sind viel unterwegs, bleiben aber nicht sehr lange in einer Stadt. In Hermannstadt sind Sie nicht zum ersten Mal, haben Sie mehr von der Stadt erlebt?
Bei den Solo-Engagements ist es oft so, dass man in einer Stadt ankommt, kaum Zeit hat, sich zu orientieren und dann ist man wieder weg. Hier ist es anders, ich habe in Hermannstadt 2019 konzertiert, und auch in Bukarest, beim Enescu-Festival. Wir haben ein paar Tage hier verbracht, eine sehr schöne Zeit und ich finde auch, dass Hermannstadt eine sehr schöne Stadt ist. Ich habe mich sehr gefreut, hierher wieder zu kommen und mich hier orientieren zu können.
Sind Sie öfters in Rumänien unterwegs?
In letzter Zeit mit der Pandemie nicht, zum letzten Mal war ich, wie erwähnt, 2019 da.
Können Sie die Musikszene in Deutschland mit der in Rumänien vergleichen?
Ich weiß leider viel zu wenig über die Musikszene in Rumänien, wie sie hier aufgebaut ist, wie flächendeckend das musikalische Angebot ist. In Deutschland sind wir in einer Situation, wo wir im grunde fast überall ein Theater oder ein Orchester haben. Es gibt auch in kleineren Ortschaften immer dieses Angebot, das ist toll, aber ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist.
Ausgenommen die Pandemiezeit, wie steht es um das Interesse an klassischer Musik in den letzten Jahren? Ist es gesunken oder gestiegen?
Das ist schwer zu beantworten. Statistisch gesehen war es bis zur Pandemie gleich. Wir sind alle Gewohnheitstiere. Wir gewöhnen uns an eine Situation und dann fällt es uns manchmal schwer, uns umzugewöhnen. Genauso haben sich die Leute in den letzten Jahren daran gewöhnt, auf der Couch zu sitzen, anstatt auszugehen. Die Restaurants sind auch nicht voll, es sind nicht nur die Konzertsäle, die weniger Gäste als früher haben. Es wird immer mehr, aber es braucht seine Zeit, bis die Menschen wieder ausgehen, um einen schönen Abend zu verbringen.
Seit wenigen Wochen ist die Situation mit der Pandemie lockerer geworden. Spüren Sie, dass es besser wird?
Ja, wir sind noch in der Pandemie, das muss man immer wieder sagen. Es hat sich ein bisschen der Glaube verbreitet, dass es jetzt vorbei ist, und dass es jetzt ok ist, aber ich fürchte, dass wir wieder unterschätzen, was in September, Oktober auf uns zukommen wird und dass wir uns wieder nicht vorbereiten. Auch als klassischer Musiker müssen wir ein Auge darauf haben, wie sich das entwickeln wird.
War das Leben als Musiker in der Pandemiezeit schwer?
Ja, ich habe am Anfang der Pandemie auch viel online gemacht, dann habe ich irgendwann keine Lust mehr gehabt. Es gab verschiedene Projekte, in denen ich mitgewirkt habe und ganz interessant waren. Ich habe die Situation so hingenommen, wie sie war. Ich konnte gut damit umgehen, dass keine Konzerte waren, für manche Kollegen von mir war es ganz schwer. Für mich war es eher kompliziert, denn ich bin Dekan geworden in der Akademie und es war sehr viel Arbeit, den Betrieb irgendwie am Laufen zu erhalten. Wir haben sehr viel investiert an Zeit und Mühe, damit wir den Studierenden ein richtiges Angebot machen können.

Philharmonie-Manager Cristian Lupeș, Dirigent Alessandro Crudele und der Musiker Michael Barenboim bei der Pressekonferenz im Vorfeld des Konzertes (v. l. n. r.). Foto: Ruxandra STĂNESCU
Brauchen Sie Publikum im Saal, macht es einen Unterschied?
Ja, das macht einen Riesenunterschied. Wir spielen ja Sachen, die im Raum entstehen, die Musik ist im Raum. Aufnahmen sind sehr schön, aber es ist nicht dasselbe und das richtige Konzert ist das, wofür wir eigentlich leben. Ich habe bei mir bemerkt, dass ich nach Monaten von nur zu Hause üben, als ich wieder auf die Bühne gegangen bin, nicht mehr diese Klangbreite hatte und die musste ich mir wieder antrainieren. Und die kommt nur mit Bühnenerfahrung, da musste ich fast von Null anfangen.
Hören Sie außer klassischer Musik auch eine andere Art von Musik?
Nicht wirklich.
Haben Sie einen Lieblingskomponisten?
Auch nicht wirklich. Ich mag eigentlich Vieles und interessiere mich auch für Vieles…
Haben junge Leute noch Interesse an der klassischen Musik, ein Instrument zu erlernen?
Es kommt darauf an. Es gibt schon viele Leute, die ihren Kindern ein Instrument beibringen lassen wollen, es gibt auch viel Nachfrage für Unterricht für Kleinkinder. Aber insgesamt fehlt zum Beispiel an den Schulen ein Unterricht, der die Wichtigkeit von Kunst und Musik auch den jungen Leuten wirklich nahe bringt. Dabei ist es sehr wichtig und wir brauchen Kunst und Kultur, um uns als Menschen zu fühlen und im gesellschaftlichen Leben auch ein kollektives gemeinsames Leben zu erleben. Wenn Kunst, Kultur und Musik nur den Spezialisten überlassen wird, also nicht mehr Teil des gesellschaftlichen Lebens ist, fehlt was für uns alle. Es geht auch nicht darum, dass alle Paganini werden, sondern das man durch das Instrument Erlernen auch Zugang zur Musik hat und zur Kunst und Kultur. Die Liebe zur Musik, die man den Kindern geben kann, ist etwas ganz Besonderes.
Herzlichen Dank.