DWS-Mitgliedertreffen im Kinderhospiz des Dr. Carl Wolff-Vereins
Ausgabe Nr. 2775
Das Mitgliedertreffen des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS) am 8. Juni fand dieses Mal im Kinderhospiz des „Dr. Carl Wolff“-Vereins der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien statt. Zunächst stellte in dem Gemeinschaftsraum des Altenheims Cătălina Costache die Stiftung Polisano vor, die sich vor allem um Herzoperationen für Kinder kümmert, darunter mit Hilfe von Ärzten aus dem Ausland. Anschließend ging es nach nebenan ins Kinderhospiz, wo Heimleiterin Ortrun Rhein dieses vorstellte und die Gäste durch die Zimmer führte. Eine Schlussfolgerung war, dass von staatlicher Seite für diesen Bereich, wo es um schwer kranke und womöglich verlassene Kinder geht, viel zu wenig Interesse gezeigt wird.
Die Stiftung Polisano wurde vor sieben Jahren ins Leben gerufen. Als Grundstein dafür diente die Initiative „Inimi Sănătoase pentru Copii“ (Gesunde Herzen für Kinder) des Arztes Ilie Vonica. Die Stiftung organisiert Operationsmissionen für Kinder, wobei mit Ärzteteams aus dem Ausland, darunter aus Deutschland, zusammengearbeitet wird. Diese kommen mehrmals pro Jahr nach Rumänien, um Kindern mit Herzkrankheiten zu helfen. Mit den Missionen fing es natürlich in Hermannstadt an, inzwischen organisiert man jährlich auch in anderen Städten Einsätze. Beispielsweise gab es im Mai den ersten Einsatz in Temeswar, mit Hilfe von Ärzten aus Deutschland.
Weitere Einsätze fanden im Sf. Constantin Spital in Kronstadt statt, wo es inzwischen das damalige Team, mit dem dort zusammengearbeitet wurde, nicht mehr gibt. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit bräuchte es bloß Teams in den rumänischen Krankenhäusern, die Interesse an einer Kollaboration zeigen. In der Vorwoche des DWS-Treffens führte das Ärzteteam aus Klausenburg die ersten beiden Einsätze in Hermannstadt durch. „Auch wenn Geld zur Verfügung steht, ist es trotzdem schwierig Ärzte zu finden, die diese Kinder operieren, weil die Operationen sehr riskant sind“, meinte Costache.
Es gibt weiterhin in Rumänien einen Mangel an Personal im Gesundheitsbereich. Praktisch gäbe es bloß die beiden Zentren in Neumarkt und in Klausenburg, in denen Kinder-Herzoperationen durchgeführt werden. Weniger als ein Drittel der etwa 1.500 Kinder, die jedes Jahr in Rumänien mit Herzfehlbildungen geboren werden, können in diesen Zentren operiert werden. Von den übrigen werde nicht viel gesprochen. Kinder, deren Eltern über bessere finanzielle Möglichkeiten verfügen, fahren ins Ausland. Im Rahmen der Stiftung versucht man sich dabei um die Kinder zu kümmern, die nicht zeitgerecht in einem der beiden Zentren operiert werden können oder deren Familie finanziell nicht auskommen kann. Viele der Eltern dieser Kinder sollen nicht lesen oder schreiben können.
Zwischen den Polisano-Kliniken und der Polisano Stiftung besteht nur eine Namensgleichheit. Über Finanzierungen vom Staat verfügt die Stifung nicht. Alle Missionen werden durch Sponsorisierungen finanziert. Die Ärzte aus dem Ausland kommen als Volontäre und teilen hier ihr Know How mit den rumänischen Kollegen. Wenn ein Ärzteteam kommt, kann es vorkommen, dass es Ausgaben von mehreren zehntausend Euro gibt. Den Ärzten zahlt man zwar nichts, allerdings muss man sich um den Transport, um die Unterkunft und um die Verpflegung kümmern. Außerdem kann es vorkommen, dass es sogar bei staatlichen Spitälern direkte medizinische Ausgaben gibt. „Wir mussten zwei Transplantationen bezahlen. Es ging um Lungenarterien, die aus Deutschland gebracht wurden und 20.000 Euro kosteten“, erklärte Costache.
Im Weiteren stellte Ortrun Rhein das Kinderhospiz vor und zeigte den Gästen die Zimmer. Das Gebäude des Kinderhospizes war urprünglich als eine Altenpflegeschule gedacht, der rumänische Staat war damals aber nicht empfänglich für so ein Projekt. Das Gebäude wurde trotzdem fertiggestellt. 2006 wurde das Erwachsenenhospiz in einem anderen Gebäude eröffnet. Und da sich der Bedarf auch für ein Kinderhospiz ergab, wurde im leerstehenden Gebäude das als Altenpflegeschule gedacht war, das Kinderhospiz eingerichtet und 2016 eingeweiht.
Uwe Fabritius und Bernd Fabritius hatten sich damals engagiert und über die Aktion Sternstunden des Bayerischen Rundfunks geholfen, dass die Finanzierung für den Fahrstuhl und einen Teil der Einrichtungsgegenstände zustande kommt. Unterstützung gab es auch vom Deutschen Witschaftsclub Siebenbürgen.
Betreut werden hier Kinder im Alter von 10 Tagen bis hin zu Jugendlichen von 17 Jahren. Zur Zeit des Besuchs wurde u.a. auch Andrei betreut, für den eine Herzoperation lebensnotwendig ist, sowie zwei andere Kinder, die eine Herzoperation bereits erfolgreich überstanden haben. Kennenlernen konnten die Besucher auch die dreijährige Crina. Sie wurde alleine ins Krankenhaus eingeliefert, da sich ihre Eltern aus ihren Pflichten zurückgezogen hatten. Sie musste eine ganz schwere Operation überstehen, die gelungen ist. Doch dann gab sie sich selber auf. Sie verweigerte jedes Essen, lag nur noch im Bett, es ging nichts mehr. Zu ihrem Glück wurde sie ins Kinderhospiz geschickt, wo sie gut aufgenommen wurde. Es hat ihr hier so gut gefallen, dass sie sich erholte und allerdings dann „hat sie angefangen zu leben“. „Wir sagen, sie schafft es ins Leben zurückzufinden“, meinte Ortrun Rhein. „Auch im Hospiz kann man ins Leben zurückfinden. Aber es sind die Ausnahmen“.
Im Hospiz muss man sich häufig auch um Beerdigungen kümmern. „Es gibt viele Kinder, die man neben den alten Bewohnern beerdigen muss, weil es niemanden gibt, der für sie aufkommt“, sagte Rhein. Wenn Kinderheime von Beerdigungen erfahren, tun sie so, als wäre das nicht ihre Verantwortung. Im Hospiz landen meistens Kinder aus dem ganzen Land und die Zusammenarbeit mit den Behörden läuft sehr schwer. Es ist schon vorgekommen, dass die zuständige Firma den Leichnam in einem Sack abholen wollte.
Rhein ging vor allem darauf ein, wie wenig auf staatlicher Seite für schwerkranke Kinder und noch dazu solche, die keine Familie haben, geschieht. „Es ist traurig zu sehen, wie wenig du zählst, wenn du keine Familie und eine schwere Krankheit hast. Und da muss ich sagen: So viel zählen auch wir als Hospiz für den rumänischen Staat. Man klopft uns gerne auf die Schulter und sagt: Das macht ihr toll. Die Unterstützung bleibt aber aus“.
Werner FINK
Kontaktdaten und Spendenkonten
Verein „Dr. Carl Wolff“-Kinderhospiz, Str. Pedagogilor Nr. 3-5, 550132 Sibiu/Hermannstadt, E-Mail: carlwolff@carlwolff.ro; Banca Comercială Română, IBAN RO 34 RNCB 0227 0360 5498 0035 (Euro), IBAN RO61 RNCB 0227 0360 5498 0034 (Lei), BIC-Nr. RNCBROBU
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Polisano Stiftung/Fundatia Polisano, Casa Franceza, Str. Conrad Haas Nr. 14, 550177 Sibiu/Hermannstadt, E-Mail: contact@fundatiapolisano.ro, Tel. 0799-76.79.07; Banca Romana de Dezvoltare Societé Genérale, IBAN RO 69 BRDE 330SV84826373300 (Lei)
Pfingstbrief aus dem Kinderhospiz
Sie haben uns geholfen, die ersten schweren Monate dieses Jahres zu bewältigen, dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken.
Die unverhältnismäßig hohen Gas- und Strompreise machen uns allen arg zu schaffen. Der Anstieg des Gaspreises um 200 Prozent, die Anhebung des Strompreises um 100 Prozent, das alles ist kaum in den Griff zu bekommen. Und Anhebungen solcher Größenordnung waren weder angekündigt noch vorstellbar. Sie sind schwer verkraftbar für unser Budget. Danke für Ihre Hilfe!
Trotz alledem geht der Alltag im Kinderhospiz seinen gewohnten Gang. Wir haben ständig 9 Kinder im Haus. Was vielleicht neu ist: Es ist eine Zeit, in der wir mehr als sonst Jugendliche betreuen. Jeder Jugendliche ist eine Geschichte, die ein Familienleben verändert hat.
Andreea (14) verlor bei einem Autounfall vor zwei Monaten Mutter, Vater, Onkel. Sie und der 7 Jahre jüngere Bruder überlebten schwerverletzt. Der Bruder hat noch nicht alle OPs hinter sich, Andreea liegt im Wachkoma bei uns. Ob sie aufwacht oder nicht, ist nicht abzuschätzen. Die Großmutter sitzt Tag und Nacht an ihrem Bett und ist verzweifelt. Zwei Kinder hat sie verloren, die Enkel, die das Leben dieser Familie waren, liegen an Apparaten angeschlossen und niemand wagt eine ermunternde Prognose.
Lorena (15) liegt im Nebenzimmer. Sie ist Mutter einer drei Monate alten Tochter. Ungewollt. Vergewaltigt. Dann kam eine nicht beachtete Hirnhautentzündung hinzu und als die Ärzte das Klagen Lorenas über nervige Kopfschmerzen ernstnahmen, war es sehr spät. Jetzt kann sie weder alleine essen noch sich selbstständig bewegen, sie hat eine Tracheostomie, braucht immer wieder Sauerstoff und wir versuchen, zumindest das Leiden zu lindern, das durch die Dekubituswunden verursacht wurde, mit denen sie aus dem Krankenhaus kam. Dekubitus mit 15 Jahren. Es läuft vieles falsch im Gesundheitswesen dieses Landes. Loredana reagiert kaum auf ihre Umwelt, aber wenn wir ihr Andrei, der gerade mal 6 Monate alt ist, in den Arm legen, wirkt sie entkrampft. Andrei ist die kleine Ausnahme: Klein im wahrsten Sinne des Wortes , mit einem schweren Herzfehler aber einem gesunden Wahrnehmungsvermögen. Er ist neben Crina der Stimmungsmacher im Kinderhospiz und auch der Wecker! Jede Essenszeit kündigt er lauthals pünktlich an.
Zu unseren Jugendlichen gehört noch Stefan (16 Jahre alt), der seit der COVID-Erkrankung an eine mechanische Atemhilfe angeschlossen ist. Seine Mutter sitzt Tag und Nacht an seinem Bett. Sie sieht, wie Stefan das Leben immer wieder aufgibt, und sie versucht, jede Minute einzigartig zu machen. Das Zimmer ist ein Disneyland in Miniatur.
Hinzugekommen ist dann letzte Woche auch Marius. 15,5 Jahre alt. Vor einem Monat verlor er Vater, Mutter und 4 Geschwister bei einem Wohnungsbrand. Geblieben ist er, mit Wunden an Körper, Lunge und Seele. Sein Gehirn ist durch die Monoxydvergiftung arg geschädigt. Er wacht weinend und schreiend auf. Anders als die Wunden an seinem Körper vernarben die Albträume nicht.
Diese jungen Menschen brauchen alle sehr intensive Pflege. Die Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun. verbinden, pflegen, füttern, trösten.
Es war in dieser Zeit ein besonders erfreuliches Ereignis, dass wir vor zwei Wochen eine Dreifach-Taufe im Kinderhospiz feiern konnten. Für Ovidiu (7 Monate) fürchteten wir fast, den Tag zu weit hinausgeschoben zu haben. Für Crina und Andrei konnten wir uns einfach freuen. Sie haben uns allen letztendlich einen schönen Tag beschert. Und die Taufpaten – Eltern sind bei keinem dieser Kinder vorhanden – haben ihre Rolle übernommen.
So ist der Alltag im Kinderhospiz bunt: mal eher traurig, dann wieder so voller schöner Momente, die man festhalten möchte. Und zu alledem kommt in diesem Jahr die Spannung dieser sehr unübersichtlichen und unsicheren Zeit. Fast wöchentlich gibt es Preisanhebungen, besonders im medizinischen Bereich. Medikamente, Pflegemittel, Spezialnahrung wurden seit Anfang des Jahres um bis zu 40 Prozent teurer.
Unsere Kinder brauchen uns und wir danken Ihnen, dass Sie unsere Arbeit unterstützen. So können wir Lorena und Marius und allen anderen Kindern die notwendige Pflege zukommen lassen.
Ortrun RHEIN
Projektleiterin
Hermannstadt, 3. Juni 2022