Engagierte Podiumsdiskussion beim Heimattag in Dinkelsbühl
Ausgabe Nr. 2774
Nach einer zweijährigen Pause hat vom 3. bis 6. Juni der Heimattag der Siebenbürger Sachsen wieder als Präsenzveranstaltung in Dinkelsbühl stattgefunden, unter dem Motto „Wurzeln suchen – Wege finden“. Organisiert wurde der Heimattag vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. An dem Trachtenumzug haben rund 100 Gruppen mit weit über 2.000 Mitwirkenden teilgenommen. Aus Hermannstadt dabei war u. a. der DFDR-Geschäftsführer Benjamin Józsa, der am Pfingstmontag an dem Podiumsgespräch zum Thema „Identität in neuer Umgebung“ teilgenommen hat. Lesen Sie dazu im Folgenden die gekürzte Fassung des in der Siebenbürgischen Zeitung veröffentlichten Berichts von Christian Schoger:
Unter der Moderation von Dr. Iris Oberth, Leiterin des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen, diskutierten Dr. Heinke Fabritius, Kulturreferentin für Siebenbürgen, Bessarabien, Bukowina, Dobrudscha, Maramuresch, Moldau und Walachei am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim, die Filmemacherin Brigitte Drodtloff, der Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien Benjamin Józsa, Filmproduzent Holger Gutt und Fabian Kloos, Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD).
Der in Landshut geborene Fabian Kloos erzählte, wie er schon früh in die siebenbürgische Gemeinschaft einbezogen gewesen sei, als Mitglied der Kindertanzgruppe sowie der Jugendtanzgruppe. Nach der Konfirmation habe er die bewusste Entscheidung getroffen, sich mehr mit der siebenbürgischen Identität auseinanderzusetzen. In diesem Bewusstsein sei er auch bereits nach Siebenbürgen gereist.
Der nahe München geborene Holger Gutt schilderte seinen ursprünglichen Zugang zu Siebenbürgen, der auf den Erzählungen der Eltern und Großeltern gründe. Dabei sei das Leben in Siebenbürgen immer wieder thematisiert worden und dadurch zum leitenden Motiv seiner Spurensuche geworden für seinen Dokumentarfilm ,,Sehnsucht nach einer unbekannten Heimat“.
Dr. Heinke Fabritius, im Grundschulalter ausgewandert mit ihrer Familie, habe diese Entscheidung nicht bewusst und eigenverantwortlich treffen können. In ihrer heutigen Tätigkeit als Kulturreferentin sei es ihr vordringliches Anliegen, mittels Projektarbeit „in die Gesamtgesellschaft zu wirken“, breitenwirksam zu informieren und Interesse zu wecken.
Die im Erwachsenenalter ausgereiste Filmemacherin Brigitte Drodtloff engagiert sich in vielfältiger Weise als interkulturelle Vermittlerin zwischen Rumänien und Deutschland. von Geschichte und Vorurteilen.
Benjamin Józsa schickte voraus, dass er selbst sich nie mit dem Gedanken der Auswanderung getragen habe. Die in Siebenbürgen Gebliebenen seien von der Auswanderung ebenso geprägt wie die Landsleute, die ihre alte Heimat verlassen hätten, stellte er fest. In seinem persönlichen Erleben habe sich das Abschiednehmen bisweilen in einer „Weltuntergangsstimmung“ vollzogen. Nach und nach habe man die Freunde verloren, aus seiner Grundschulklasse sei er mittlerweile als einziger in Rumänien verblieben. Allerdings habe man sich entschlossen, die bald 900-jährige Kultur der Siebenbürger Sachsen zu bewahren, „jetzt erst recht“. Bezugnehmend auf das Heimattagsmotto meinte Józsa, die Wurzeln müsse eigentlich niemand mehr suchen, man habe sie in sich; es sei jedoch wichtig, sich auf diese einzulassen in dem Sinne: „Ja, das bin ich, ob ich es will oder nicht.“ Zu den Wurzeln der heimatverbliebenen Siebenbürger Sachsen gehörten die rumänischen wie auch die ungarischen Nachbarn. Das Miteinander habe sich immer prägend ausgewirkt. Anerkennend führte Józsa das rumänische Improvisationstalent an, das sich aktuell bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge wieder bewähre. Einen Mentalitätswandel mache er auch daran fest, dass die Mehrheitsgesellschaft das Siebenbürgisch-Sächsische für sich entdeckt habe; Wandlung sei grundsätzlich positiv.
Einen Videomitschnitt gibt es auf dem YouTube-Videokanal von Siebenbuerger.de unter https://www.youtube.com/watch?v=e8CSo6rlKQE.
Christian SCHOGER