,,Ich stehe normalerweise auf Leica“

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Gespräch mit Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Regionalforums Altreich des DFDR

Ausgabe Nr. 2770

Was haben der Biologe Dr. Klaus Fabritius, der Vorsitzende des Regionalforums Altreich des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, und die altbewährte Kamera vom Typ Leica gemeinsam, was rät der 1942 in Hermannstadt Geborene jungen Leuten, die Deutsch lernen wollen? Solchen und ähnlichen Fragen  geht das folgende Interview nach, das der HZ-Praktikant Emanuel S a r m a s a n mit Dr. Klaus Fabritius anlässlich einer Veranstaltung im Friedrich Schiller-Kulturhaus in Bukarest geführt hat, bei der das Buch ,,Unser Weg ins Altreich/Drumul nostru în Vechiul Regat” (Koordinatorinnen Dr. Marianne Koch und Christiane Cosmatu, Honterus Verlag Hermannstadt 2021) vorgestellt wurde. Dr. Klaus Fabritius, der das Vorwort verfasste, ist darin mit dem Text ,,Fünf Jahre in der Moldau, zehn in der Dobrudscha und fünfundvierzig in der Walachei” vertreten.

Sie pflegen eine ganz besondere Beziehung zu Bildungseinrichtungen, die zu den wichtigsten Mitarbeitern des Deutschen Forums gehören. Glauben Sie, dass junge Rumänen immer noch bereit sind, intensiv Deutsch zu lernen oder es versuchen?

Natürlich ist die deutsche Sprache eine schöne, international gesprochene Sprache, deren Erlernen sich lohnt. Jede Sprache ist eine Bereicherung und ein Weg zur Kultur.  Das große Problem z. B. an der Bukarester deutschen Schule ist, dass wir nicht genügend Lehrkräfte für den Fachunterricht haben. Außerdem ist es heute normal, dass die Zahl der rumänischen Schüler größer ist als die der Angehörigen der deutschen Minderheit. Als ich die Brukenthalschule in Hermannstadt besuchte, in den Jahren 1955-1959, war dieses Verhältnis ganz anders. In unserer Klasse gab es nur drei Rumänen. In Bukarest war es aber auch zu jener Zeit anders. Aber wir  wissen sehr wohl, dass der außerkarpatische Raum eine lange Tradition der deutschen Bildung hat. Das Deutsche Goethe-Kolleg hat eine besondere Geschichte von mehr als 270 Jahren. Gegründet wurde es als „Evangelische Gemeinschaftsschule” mit deutschem Sprachunterricht.  Die meisten kennen die Einrichtung  unter dem Namen „Schule Nr. 21”  – wie sie früher hieß.

Wie laufen literarische Abende, Konzerte oder auch Ausstellungen im Friedrich Schiller-Kulturhaus in der Regel ab?

Das Friedrich-Schiller-Haus nennen wir sehr gerne unser Zuhause. Wir fühlen uns hier sehr wohl. Wir wählen üblicherweise ein bestimmtes Thema, das wir darstellen können. Natürlich haben wir auch ausländische Gäste, aber das kommt recht selten vor. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass sowohl das Bukarester Deutsche Forum als auch das Schillerhaus sich im selben Gebäude befinden. Für die Einladung von Persönlichkeiten durch den DAAD oder die Einleitung solcher Maßnahmen ist das Goethe-Institut zuständig.

Wie ist der Fotoclub Leica entstanden und warum haben die Gründer diesen Namen gewählt?

Die Fotografie war schon immer meine Leidenschaft. Und unsere Gruppe besteht aus Amateurfotografen, die Leica-Kameras benutzen und lieben. Diese Kameras gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg. Für echte Sammler weltweit hatten und haben sie natürlich eine große Bedeutung. Und da ich mich so sehr für diesen Bereich interessiere, hatte ich auch die Gelegenheit, eine Schulung in Wetzlar zu absolvieren, wo es ein besonderes Leica-Zentrum gibt. Leica-Fotografen sind nach und nach zu echten historischen Quellen geworden, und deren Bilder zu echten Symbolen für einige Nationen. Der Gründer Oskar Barnack hat das Filmformat 35 mm angepasst, die Qualität der Kameras ist absolut erstaunlich.

Meine Kamera habe ich immer dabei, jedes Mal, wenn wir im Rahmen des Forums mit den Mitgliedern der verschiedenen Ortsforen zusammenkommen oder während der verschiedenen Tagungen, auf privaten Reisen, die ich in das Donaudelta oder zu anderen historischen Orten in Rumänien oder in der ganzen Welt unternehme. Ich kann sagen, dass ich sehr viel gereist bin, London kenne ich z. B. wie meine eigene Westentasche.

Ich stehe normalerweise auf Leica. Das Schillerhaus ist seit seiner Gründung 1957 der Ort, an dem wir uns bei verschiedenen Fotoausstellungen getroffen haben. Wir haben uns immer gewünscht, diese Tradition so weit wie möglich an junge Menschen weiterzugeben, denn es ist ein Ort, der uns hilft, unseren täglichen Sorgen zu entfliehen. In der Einrichtung gab es auch ein Fotolabor. Viele der Exponate oder auch ältere Kameras sind gerade dafür aufbewahrt worden, damit sie auch von anderen bewundert werden können.

In den vergangenen Jahren war das „Karpatenshow“ – Orchester bei mehreren Veranstaltungen des Forums anwesend, wie in Slănic-Moldova, Sinaia, Neptun-Olimp, Snagov oder auch in Birthälm beim Sachsentreffen. Sind derartige Ereignisse noch möglich?

Natürlich und wir wollen auf jeden Fall so viele Treffen wie möglich veranstalten. Bei unseren Veranstaltungen im regionalen oder außerkarpatischen Raum ist das Orchester immer dabei. Und bei jeder Veranstaltung hielten wir bei Sehenswürdigkeit oder historischen Denkmälern an. In der Dobrudscha bei den Sehenswürdigkeiten in der Hafengegend von  Konstanza, in Tulcea natürlich im Donaudelta bis zum Mündungsgebiet, wo wir einige schöne Aufnahmen machen konnten, die Sie sicher kennen.

Dann ist noch zu erwähnen, dass die Musik der Karpatenshow spezifisch für die deutschen Minderheiten ist, natürlich mit verschiedenen Einflüssen und Facetten aus dem Bereich der Volksmusik. Das Orchester  wurde 1997 von Hans Groza gegründet und konnte an die lange Tradition des berühmten Blasorchesters anknüpfen, das in den 1970er und 1980er Jahren unter der Leitung von Emil Frantz oder Andreas Bretz im Schillerhaus bestand und ebenfalls den Namen „Karpatenshow” trug.

Das Orchester verfügt über ein umfangreiches Repertoire und eignet sich für Aktivitäten, die speziell auf die deutschen Minderheiten in unserer Region ausgerichtet sind. Zu Andreas Bretz sollte auch erwähnt werden, dass er ein sehr erfahrener Instrumentalist und Dirigent war, und als Solist im Bukarester Rundfunkorchester oder dem Erfurter Orchester in Deutschland gespielt hat.

Was hat die Feier zum 50. Jubiläum des Friedrich-Schiller-Kulturhauses für Sie bedeutet?

Eine Tradition, seit der Feier sind weitere 15 Jahre vergangen und dieses Jahr feiern wir Anfang Juni 65 Jahre seit der Gründung „unseres Hauses“. Hinzu kommt dieses Jahr auch das Regionaltreffen des Forums in Jassy.

Wie oft arbeiten Sie mit den Schauspielern des Deutschen Staatstheaters in Temeswar zusammen? Welche Geschichten und Aufführungen sind bei Kindern besonders beliebt?

Wir würden ja öfter mit solchen Einrichtungen zusammenarbeiten, auch mit den deutschen Abteilungen der Hermannstädter Theater – Radu Stanca und Gong – aber aufgrund der Entfernung geschieht dies seltener, und man kann behaupten, dass unsere Zusammenarbeit nur sporadisch ist.

Könnten Sie etwas über Veranstaltungen in Siebenbürgen erzählen, an denen sie teilgenommen haben?

Es ist natürlich in der Tat so, dass das Regionalforum Altreich des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien außerhalb der Karpatenregion verschiedene Aufgaben wahrnimmt, bei denen wir uns mit den anderen Niederlassungen beraten, wie wir eine Aufgabe organisieren oder durchführen sollen. Es ist wichtig auch zu erwähnen, dass diese Beziehungen auf Gegenseitigkeit beruhen. Vor vielen Jahren, und hier beziehe ich mich auf die Zeit vor der massiven Abwanderung der Sachsen nach Deutschland, kannte ein Sachse aus der Gegend von Bistritz, wo Sie herkommen, keinen anderen Sachsen aus unserer Gegend.

Unser Schicksal, der deutschen Minderheit, war äußerst kompliziert, vor allem nach der Deportation zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion im Januar 1945, als die Auswanderung begonnen hat. Der Prozess dauerte länger, und ein Angehöriger der deutschen Minderheit aus der Bistritzer Gegend wusste nicht so viel über einen, der in Bukarest, in Reschitza oder in Craiova lebte.

Heutzutage kennen wir uns viel besser, die Partnerschaften jeder Art, die mit unserer  lokalen Kultur zu tun haben, sind natürlich viel enger, und jede Art von verschiedenen Tätigkeiten sind viel besser konsolidiert.

Haben Sie vor, in diesem Jahr neue Bücher zu veröffentlichen, vielleicht Fotoalben und Monografien, sowohl für Leser, die die deutsche Kultur lieben, als auch speziell für Kinder?

Natürlich wollen wir jedes Jahr mehr solcher Bände veröffentlichen, nicht nur Fotoalben oder Monografien, wie Sie erwähnten. Und was die Kinder betrifft,  haben wir beschlossen, in diesem Jahr eine besondere Ausgabe aus Konstanza zu drucken, wo Annemarie Czernack Vorsitzende des Ortsforums ist. Wir wissen noch nicht, wie der Titel des Bandes lautet, aber ich bin sicher, dass Frau Czernack etwas Passendes finden wird. Sie arbeitet sehr ausführlich an diesem Projekt. Und da wir schon bei Büchern sind: Das Landesforum arbeitet an einer Veröffentlichung, die allen Gruppen der deutschen Minderheit gewidmet ist, unabhängig davon, aus welchem Gebiet sie stammen, ob es sich um Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Sathmarschwaben, Buchenlanddeutsche, Dobrudtschadeutsche oder Zipser handelt.

Was können Sie uns über die deutschen Minderheiten in Bukarest erzählen? Unterscheiden sie sich in Bezug auf Traditionen und dialektale Einflüsse von denen in Siebenbürgen oder dem Banat? Brachten sie neue, markantere Elemente in die rumänische Hauptstadt, vielleicht sogar im Bereich Architektur?

Es ist sehr schwer, auf diese Frage zu antworten. Es gibt Gebiete, wo die Angehörigen der deutschen Minderheit einen eigenen Dialekt sprechen, wie z. B. siebenbürgisch-sächsisch oder banat-schwäbisch, und auch eine eigene Tracht tragen. Dies ist für das Gebiet außerhalb des Karpatenbogens nicht der Fall. Hier wurde eher das spezifische Dirndl weitgehend übernommen, aber auch hier haben die Modeschöpfer  eingegriffen. Natürlich steht die siebenbürgisch-sächsische Kleidung für Eleganz, Handwerkskunst und Farbe. Diese schöne Tradition ist leider im Aussterben begriffen, und es gibt Gebiete, in denen versucht wird, das Handwerk der Trachtenherstellung zu erhalten und wiederzubeleben.

Wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es in Hermannstadt auch am ASTRA-Museum die „Emil Sigerus“-Abteilung für siebenbürgisch-sächsische Volkskunde, die eine beeindruckende Sammlung siebenbürgisch-sächsischer Trachten und Schmuckstücke besitzt.

Es gibt auch Stücke und verschiedene Stickereien aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, die aus ethnographischen Gebieten von besonderer Bedeutung wie Hermannstadt, Bistritz oder Kokeltal stammen.

Was den Einfluss auf die Architektur der Hauptstadt betrifft, können wir erwähnen, dass deutsche Architekten Spuren in Bukarest hinterlassen haben, aber wenige gehörten der deutschen Minderheit an.

Wenn ich in meine Heimatstadt Bistriz zurückkehre, erkenne ich oft Gruppen von Deutschen und Österreichern, die die evangelische Kirche oder den Fassbinderturm besuchen und wirklich fasziniert sind. Während meines Studiums habe ich mich mit einer österreichischen Familie angefreundet, die es kaum erwarten kann, Rumänien zu besuchen. Glauben Sie, dass ausgewanderte Angehörige der deutschen Minderheit gerne zurückkehren würden?

Es gibt sicherlich diese Tendenz, dass einige zurückkehren, und wie Sie sagten, kehren viele zurück, weil sie sich zu den Orten hingezogen fühlen, an denen sie aufgewachsen sind, insbesondere ältere Menschen. Es gibt aber auch die Tendenz, dass junge Menschen ihre Wurzeln und ihre Familiengeschichte besser kennen lernen wollen, und einige haben den Mut, einen Arbeitsplatz zu finden oder ein eigenes Unternehmen zu gründen, was sehr erfreulich ist.

Was würden Sie jungen Menschen raten, die sich der Sprache Goethes nähern wollen.

Ich war schon immer der Meinung, dass Deutsch eine schöne Sprache ist, und ich habe das Studium dieser Sprache immer gefördert, zumal jede Sprache eine Bereicherung ist und den Weg zur Kultur und zur Aneignung von Wissen darstellt. Ich habe immer gesagt, dass junge Menschen ins Ausland gehen müssen, um die Schönheit und den Liebreiz fremder Traditionen und Kulturen zu erleben, aber vor allem, um die Klugheit zu erwerben, zurückzukehren und innovative Ideen mitzubringen. Deutsch wird immer Zukunft haben, und die Literatur ist so vielfältig, dass es immer einen Bedarf an Spezialisten auf diesem Gebiet geben wird. So kann ich ihnen nur viel Glück und Mut zur Bereicherung und zur gründlichen Beherrschung der Sprache wünschen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Anmerkung der Redaktion: Am 25. Mai  feiert Dr. Klaus Fabritius seinen 80. Geburtstag. Dazu wünscht ihm die HZ-Redaktion alles Gute und weiterhin viel Spaß in allem, was er unternimmt.

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.