,,Mit versöhnlichem goldenen Humor…“

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Zweite Neuauflage soll die ,,Tschiripik“-Gestalt am Leben erhalten

Ausgabe Nr. 2763

Adolf Schullerus: Geschichte vum Tschiripik/Geschichten vom Tschiripik; in 3. Auflage herausgegeben von Wilfried Bielz, Eigenverlag Bensberg, 2021, 196 Seiten, ISBN 377760. In Hermannstadt liegt das Buch im Erasmus-Büchercafé und in der Schiller-Buchhandlung auf und kostet 60 Lei/13 Euro.

„Weil diese humorvollen Geschichten vom Tschiripik mir und meinen Altersgenossen Freude bereitet haben, möchte ich sie neu herausbringen“, erklärt der gebürtige Hermannstädter Wilfried Bielz im Vorwort zur dritten Auflage der „Geschichten vom Tschiripik“. Im Eigenverlag Bensberg veröffentlichte der Pädagoge 2021 eine neue Version des Werks. Den Erzählungen in der siebenbürgisch-sächsischen Mundart um den Roma Tschiripik, den Bielz als Antihelden bezeichnet, stellt er eine hochdeutsche Übersetzung gegenüber. Dies soll auch den jüngeren Generationen Zugang zu den Geschichten, die dem Pädagogen als Kind von seiner Mutter vorgelesen wurden, gewähren.

In den ersten beiden Auflagen, mit dem Titel ,,Geschichte vum Tschiripik uch ånder lastich Zegunemeeren; sengem Änkelche Christian erzählt vun Adolf Schullerus“ konnten die Abenteuer Tschiripiks in der siebenbürgisch-sächsischen Mundart gelesen werden. 1928 veröffentlichte der Geisteswissenschaftler und Theologe Adolf Schullerus (1864-1928), von 1907 bis 1928 evangelischer Stadtpfarrer A. B. von Hermannstadt, die erste solche Aufzeichnung der Geschichten. 25 Jahre später veröffentlichten zwei seiner Enkel, Gerhard Möckel (1924-2004) und Andreas Möckel (1927-2019), eine zweite Auflage.

Eingeführt werden die Geschichten mit dem Vorwort von Wilfried Bielz sowie dem Nachdruck jenes der Brüder Möckel zur Auflage von 1953. Die Brüder Möckel schließen ihr im August 1953 in Stuttgart verfassten Vorwort mit folgenden Zeilen: ,,Ob wohl jeder Leser wahrnimmt, wie diese Geschichten frei sind von Dünkel und Spott, wie das wirklich eigenartige Geschlecht der Zigeuner hier mit versöhnlichem goldenen Humor geschildert ist? Hierin spiegelt sich eine alte Tugend unserer Vorväter wider: die Fähigkeit, verstehend und duldsam mit den übrigen Nationen im Vaterland zusammenzuleben. Wohl sind die alten Zeiten vorbei, – der pfiffige Tschiripik und unser Großvater leben nicht mehr – und vieles hat sich von Grund auf gewandelt. Sollten wir uns aber nicht trotzdem bemühen, gleich den Alten den Anderen gelten zu lassen? So möchte dieses kleine Buch mithelfen, die Liebe zur fernen Heimat und ihrem kostbaren Erbe wach zu erhalten. Es sei dem Andenken des Großvaters und unseres ältesten, viel zu früh verstorbenen Bruders Christian gewidmet.“

Im neuesten Vorwort thematisiert Bielz unter anderem den Begriff „Zigeuner“, der in den einzelnen Episoden zur Bezeichnung der Charaktere verwendet wird. Er erklärt, dass das Wort von vielen als diskriminierend wahrgenommen wird. Andere Roma, wie sich die Bevölkerungsgruppe in der eigenen Romanes-Sprache nennt, hingegen würden die Fremdbezeichnung für sich selbst verwenden. Bielz schreibt: „Diese leicht gekürzte Neuauflage möchte unseren Tschiripik noch eine Zeit lang am Leben erhalten, unabhängig davon, wie man seine Ethnie nennt.“ Es komme ja hauptsächlich darauf an, ob man sich überzeugend für interethnischen Respekt einsetze.

In über 50 Episoden tritt Tschiripik mit anderen Roma auf. „Ihm sitzt der Schalk im Nacken. Er führt ein armseliges Leben und kann dennoch beängstigende Situationen bewältigen und Konflikte überraschend einfach lösen“, so Bielz zur Hauptgestalt. Die Leserschaft begleitet Tschiripik auf seinen Abenteuern unter anderem auf den Jahrmarktplatz, wo er vom Kaufmann ausgetrickst wird und sich mit Gewitztheit rächt, oder betrunken in den Sumpf, wo er gemeinsam mit einem Freund den Mond auszugraben sucht.

Ergänzt werden die Texte durch Reproduktionen von Holzschnitten der bekannten siebenbürgisch-sächsischen Künstlerin Trude Schullerus (1899-1981), die bereits in der ersten Ausgabe Platz fanden. Neu hinzu gekommen sind zwei Holzschnitte des Kronstädter Künstlers Helfried Weiß (1911-2007).

Zusätzlich zu den Tschiripik-Geschichten liest man in der dritten Auflage des Buches Erzählungen aus der Sammlung des  siebenbürgisch-sächsischen Volkskundlers und Pädagogen Josef Haltrich (1822-1886). Dieser hat, wie Herausgeber Bielz beschreibt, Tschiripik entdeckt und in seinem Werk „Zur Volkskunde der Siebenbürger Sachsen“ von 1885 hochdeutsch überliefert.

Im Nachwort, das die letzten 40 von insgesamt 192 Seiten einnimmt, beschäftigt Bielz sich mit Herkunft und Wahrnehmung der Roma. Der Herausgeber vermittelt eigene Anekdoten von Erfahrungen mit der ethnischen Minderheit in Siebenbürgen und lässt Freundinnen und Freunde zu Wort kommen, die ebenfalls Begegnungen schildern.

Auch Kalderaš-Romni Luminiţa Mihai Cioabă berichtet von ihren Erinnerungen an das Zusammenleben mit den Siebenbürger Sachsen und den Landlern in Neependorf, wohin ihre Familie aus Südrumänien 1963 übersiedelt ist. Die Dichterin, Drehbuchautorin und Regisseurin erklärt zudem die Bedeutung der Romanes-Sprache: Eine Sprache definiert die Identität eines Volkes und die Identität eines Volkes wird in erster Linie von der gesprochenen Sprache definiert.“.

Zum Schluss gewährt Bielz gestützt auf ,,zwei unersetzliche Quellen“, zwei Bücher von Franz Remmel (1931-2019), Journalist, Ethnologe und Schriftsteller, Einblick in die Zeit der Deportation der Roma nach Transnistrien 1942-1945. Es handelt sich um die Bücher ,,Nackte Füße auf steinigen Straßen“ (aldus-Verlag Kronstadt, 2003) und ,,Die rumänischen Roma in Daten und Fakten“ (Verlag Banatul Montan Reschitza, 2007).

Carla HONOLD

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher.