,,Eine der prägendsten Zeiten meines Lebens“

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Gespräch mit dem Biophysiker Prof. Dr. Günther Zeck von der TU Wien

Ausgabe Nr. 2764

Prof. Dr. Günther Zeck in seinem Büro an der TU Wien mit der ,,Neuroikone“  von Dorcas Müller (einem der Chips, künstlerisch fotografiert mit ein paar Blutstropfen).                        Foto: Privat

Etwas über 20 Jahre ist es her, dass eine Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts (MPI) für Biochemie in Martinsried weltweit Aufsehen erregte. Im Sommer 2001 gelang es den Wissenschaftlern, erstmals ein Netz aus Nervenzellen in direkte Kommunikation mit einer Halbleiterstruktur zu bringen. Teil des Teams war auch Günther Zeck, ein junger Doktorand mit siebenbürgischen Wurzeln, über den die Hermannstädter Zeitung im September 2001 berichtete. Mittlerweile ist der heute 48-Jährige Professor an der Technischen Universität Wien. Über seine Karriere als Wissenschaftler und über eine jahrzehntelange Verbundenheit mit Siebenbürgen berichtet Prof. Dr. Günther Zeck im Interview mit der HZ-Praktikantin Cheyenne P e t e r s.

2001 promovierten Sie gerade in der Neurophysik. Damals sprachen verschiedene Medien von einem „Quantensprung in der Forschung“ und auch in der Hermannstädter Zeitung sprach man von einem „Durchbruch in der Biophysik“. Konnten sich diese Prognosen bewahrheiten?

Ich glaube, mit diesen Worten sollte man grundsätzlich vorsichtig umgehen, sie werden viel zu oft verwendet. Während meiner Promotion habe ich das einfachste vorstellbare Netzwerk von zwei Zellen in Kombination mit etwa zehn Elektroden („Feldeffekttransistoren“) gebracht. Eigentlich kann man da kaum von einem Netzwerk sprechen. Aber das Prinzip wurde weitergeführt, sodass man so inzwischen ganze Teile des Gehirns untersuchen kann. Das findet in vielen Laboren und in der Industrie Gebrauch. Von daher würde ich schon von einem Erfolg sprechen.

Wie ging Ihre Karriere nach der Promotion weiter?

Danach begann für mich eine interessante Zeit. Ich bin für dreieinhalb Jahre in die USA gegangen. Dort habe ich als Postdoktorand in einem Labor der Harvard Medical School an der Netzhaut, also der Retina, geforscht. Danach bin ich zurück nach Deutschland in mein früheres Labor am MPI gekommen, um die Retina mit den inzwischen viel weiter entwickelten Chips zu koppeln. Als die Abteilung 2010 geschlossen wurde, habe ich die Chance bekommen an das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut (NMI) an der Uni Tübingen umzusiedeln. Dort habe ich diese Chiptechnologie zusammen mit einer Firma kommerzialisiert. 2020 habe ich dann den Ruf an die Technischen Universität Wien angenommen. Seit dem ersten Februar 2022 leite ich jetzt hier das Institut für Biomedizinische Elektronik (www.tuwien.at/etit/bme). Dankbar bin ich meiner Frau Anne, welche unsere Familie stützt und den Großteil des Wanderlebens mitmachte.

Woran forschen Sie derzeit?

Ich interessiere mich nach wie vor für Nerv-Chip Kopplungen und ihren Einsatz in Implantaten. Das bekannteste Implantat ist der Herzschrittmacher. Er wird überall eingesetzt – auch in Rumänien. Unsere Labormessungen zeigen, dass auch Retina-Implantate, sogenannte Sehprothesen, möglich sind, die die Funktion der Nervenzellen der Netzhaut mit einer zufriedenstellenden Auflösung ersetzen. Als Universitätsprofessor bin ich hier außerdem in der Lehre der Elektrotechnik und im internationalen Masterstudiengang Biomedical Engineering tätig. Da er in englischer Sprache unterrichtet wird, hoffen wir auf  interessierte Studierende aus Europa und der ganzen Welt.

Welchen Einfluss hat Ihre Herkunft auf ihren Beruf?

Die Freude an der Physik habe ich sicher auch meinem Physiklehrer Hans Birk an der Bruken-
thalschule in Hermannstadt zu verdanken. Seit seiner Pensionierung, sowie des Lehrerehepaars Friedrich und Ilse Philippi, habe ich leider keinen direkten Kontakt mehr zur Schule. Das ist schade, ich bin aber gerne bereit, den Kontakt wieder aufzubauen. Zuletzt hatte ich vor genau 20 Jahren, am 3. April 2002, an dieser Schule einen Vortrag zum Thema ,,Verbindung von Nervenzellen mit Halbleiterchips“ gehalten. Ich glaube, die „Brukenthaljahre“ waren eine der prägendsten und bedeutendsten Zeiten meines Lebens. Etwas, das ich aus Siebenbürgen mitnehme, ist, dass es immer kulturelle Unterschiede gibt. Die Wissenschaft ist sehr international. Mir ist ein gegenseitiger Respekt ohne Überheblichkeit wichtig. Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen war da nicht immer ruhmreich. Aber ich finde, jeder Mensch verdient unabhängig von seiner Herkunft Respekt und hat gleich viel Recht auf Zugehörigkeit.

Damals berichteten Sie im Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung von einem engen Kontakt nach Siebenbürgen. Konnten Sie den über die letzten 20 Jahre noch aufrecht halten?

Ich bin immer noch Mitglied im Verein der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und seit dem Umzug auch in dem in Wien. Obwohl ich durch meinen Beruf nicht mehr die Zeit habe, mich so aktiv wie früher zu beteiligen, bin ich gerne Mitglied und lese viele der Berichte. Meine Frau, übrigens auch ehemalige Brukenthalschülerin, und ich haben nach wie vor Kontakt nach Rumänien. Wir haben dort immer noch einen großen Freundeskreis und kommen jedes Jahr mit unseren Söhnen nach Hermannstadt.

Wie hat sich Ihre Beziehung zu Ihrer ehemaligen Heimat über die Jahre verändert?

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mit dem Begriff Heimat eine gewisse Schwierigkeit habe. Da ich schon an so vielen Orten gelebt habe, spreche ich lieber von einer Verbundenheit. Die spüre ich besonders beim Wandern in den Fogarascher Bergen oder im Zibinsgebirge. Das beruhigt und erdet mich. In meinem Geburtsort Urwegen, ein Dorf im Unterwald, feierten die Siebenbürger Sachsen sehr gerne und ausgelassen. Das schätze ich sehr – vielleicht ist es auch eine Schwäche von mir. Ich bin auch nach wie vor Mitglied in der Heimatortsgemeinschaft Urwegen und helfe, wo ich kann. Zusammenfassend, meine Verbundenheit zu Siebenbürgen ist nach wie vor stark.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Veröffentlicht in Wissenschaft, Aktuelle Ausgabe, Medizin.