,,Ein einheitliches Kunstwerk zu formen“

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Buch über den Architekten Fritz Balthes (1882-1914) erschienen

Ausgabe Nr. 2763

Das evangelische Gymnasium in Mediasch, heute Stephan-Ludwig-Roth-Schule (Teilansicht). Foto: Stefan JAMMER

Das siebenbürgische Kulturmilieu ist um eine neue historisch-sozial-kulturelle Veröffentlichung bereichert worden. Es handelt sich um das Buch ,,Architekt Fritz Balthes (1882-1914). Sein Denken und Schaffen als Beitrag zum siebenbürgischen Kulturerbe“, herausgegeben von Gerhild Rudolf und Hermann Fabini. Balthes sah als „Ziel unserer künstlerischen Kultur: Alle Bauten, Berge, Bäume, Wege, Gebilde von Natur und Menschenhand zusammenzufassen und daraus ein einheitliches Kunstwerk zu formen, die schöne Stadt.“ (,,Friedrich Balthes. Auswahl aus seinen Schriften, mit einer Einleitung von Karl Scheiner, herausgegeben von der Ortsgruppe Schäßburg des Sebastian-Hann-Vereins, 1918, S. 14)

Der Architekt Fritz Balthes hat sich zu seiner Zeit für die Verschönerung des Stadt- und Dorfbildes in Siebenbürgen engagiert und war ungemein tätig. Zudem war Balthes selbst eine vielseitige Persönlichkeit des beginnenden 20. Jahrhunderts, seine Weltanschauung war visionär. Anhand der hier folgenden Kurzbeschreibung des Buches soll gezeigt werden, dass dieses sowohl das Wirken Balthes‘ präsentiert, als auch einen Einblick in die siebenbürgische Gesellschaft bietet.

Giebel des Gemeindewirtshauses in Schönberg/Dealu Frumos, mit dem Fritz Balthes den sächsischen Heimatstil entwarf und zugleich die ersten heimischen Jugendstilkarten.                           Foto: Stefan JAMMER

Herausgegeben ist das Buch von Gerhild Rudolf und Hermann Fabini unter dem Schirm des „Friedrich Teutsch“-Begegnungs- und Kulturzentrums der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien und der Stiftung Patrimonium Saxonicum. Mehrere Sponsoren wie „Kultur Project“ in Kleinschenk, mehrere Heimatortsgemeinschaften und das Land Kärnten leisteten Unterstützung. Den Druck finanzierte das Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung über das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und das DFD Hermannstadt.

Für die Qualität der Produktion bewährte sich einmal mehr der Hermannstädter Honterus-Verlag, indem die Fotografien von Stefan Jammer ebenso wie die Reproduktionen von Bauplänen, Zeichnungen, Briefen usw. perfekt umgesetzt wurden. Neben wichtigen privaten Quellen wurde bei der Auswahl der Pläne und Dokumente vor allem auf Bestände des Zentralarchivs im Teutsch-Haus zurückgegriffen.

Den Charakter als Balthes-Kulturbau der ehemaligen Evangelische Volksschule in Kleinschenk /Cincșor haben die gebürtige Kleinschenkerin Carmen Schuster und ihr aus Deutschland stammender Ehemann Michael Lißke gerettet, indem sie das Gebäude nach 2000 kauften und zum Kern eines Gästehausensembles machten, zu dem heute die Schule, das frühere Pfarrhaus und zwei weitere benachbarte Gebäude mit insgesamt 18 Gästezimmern und Restaurant gehören.                                                                                                          Foto: Beatrice UNGAR

Das „Balthes-Buch“ ist in vier Kapitel eingeteilt, welche sowohl die biographische und historische Dimension als auch die des siebenbürgischen Kulturgutes abdecken. Der von Gerhild Rudolf und Hermann Fabini verfasste Einführungsteil, zu dem auch das Vorwort gerechnet werden kann, beschreibt die Lebensstationen von Fritz Balthes und schafft ein allgemeines Bild über Balthes und seine Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts – eine Zeit, in der aus der Perspektive der Architektur ganz Europa und damit auch die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn von Neuerungen des schlichten Jugendstils und der Sezession beeinflusst waren. Hermann Fabini zeigt auf, dass Balthes sich vom Historismus abgrenzte und die Prinzipien einer konsequenten Darstellung der konstruktiven Bestandteile eines Gebäudes als Priorität setzte, so dass das Gebaute eine stilistische und geistige Heimat bilden kann.

Stefan Jammer fotografiert das alte Gebäude der ehemaligen Evangelischen Volksschule in Zied/Veseud. Foto: Gerhild RUDOLF

Der zweite Teil des Buches trägt den Titel ,,Fritz Balthes als Denker und Planer“ und beinhaltet sieben Beiträge, geschrieben von renommierten in Rumänien oder in Deutschland lebenden Kennern der siebenbürgischen Kultur: Hermann Fabini, Gerhild Rudolf, Irmgard Sedler, Hansotto Drotloff. Das künstlerische Credo und die Weltanschauung von Balthes werden aufgrund von Briefen und Tagebüchern beschrieben und analysiert. Einen Leitsatz für das architektonische Schaffen erläuterte Fritz Balthes schon 1903 in einem Brief an seinen Vater. Der damalige Student war überzeugt, dass jedes Bauwerk von drei Faktoren abhängig sei, ,,vom Bedürfnis, von der Construction und von seiner Heimat“. Diese Auffassung äußert er auch in einem plastischen Beispiel: ,,Ich wollte damit nur sagen: Eine Straße wird nicht umso schöner, je mehr protzige Häuser daran stehen, sondern je weniger sich ein Haus vor dem anderen vordrängt, je besser sie zueinander passen.“ In einer sich wandelnden Gesellschaft wie der europäischen aber auch der siebenbürgischen, ist der junge und innovative Fritz Balthes eine bemerkenswerte Persönlichkeit, ein Schöpfer, der sowohl in der urbanen, als auch in der ruralen Architektur neue Ideen entwickelt. Im Sebastian-Hann-Verein setzt er sich für den Schutz und die Förderung der heimischen Kulturbestrebungen ein.

Fritz Balthes wurde vom evangelischen Presbyteriums A. B. in Zied vom 5. Mai 1912 mit der ,,Planung eines Schulbaus“ betraut. Ursprünglich handelte es sich um ,,den Neubau eines Schulgebäudes mit zwei Klassen und einem Lehrerzimmer im I. Stock, mit einer Kanzlei, Raiffeisenvereinslokal und Burghüterwohnung im Erdgeschoss“. Im November revidierte das Presbyterium diesen Plan zugunsten einer Lehrer- statt der Burghüterwohnung. Unser Bild: Die Nordfassade des Schulgebäudes 2014.Foto: Beatrice UNGAR

Im dritten Teil des Buches, ,,Bauten und ihr Schicksal“, werden die architektonischen Werke von Balthes analysiert. 16, teils mehrere Gebäude betreffende Fallstudien, werden von den Autoren aus unterschiedlichen Aspekten untersucht und beschrieben. Es sind: Gyöngyvér Foth, Hansotto Drotloff, Irmgard Sedler, Werner Sedler, Michael Lißke, Gerhild Rudolf, Hermann Fabini, Konrad Klein, Heidrun König und Timo Hagen. Hier finden alle bisher bekannten Bauten von Fritz Balthes aus kulturhistorischer Perspektive ihren Platz, wie beispielsweise das evangelische Gymnasium (heute Stephan-Ludwig-Roth-Schule) und das einstige Sparkassengebäude der Pfandbriefanstalt in Mediasch, das Hotel „Zum goldenen Stern“ in Schäßburg, die ehemaligen evangelischen Volksschulen in Zied, Kleinschenk, Braller und Gürteln, der ehemalige Kindergarten in Agnetheln, die evangelischen Gemeindehäuser in Martinsberg und Schönberg, die (geplanten, aber nicht gebauten) Schulen in Deutsch-Weißkirch, Schön-
au, Hermannstadt, Mediasch und Schäßburg sowie mehrere Wohnhäuser und ein Denkmal. Es ist eine erstaunlich große Vielfalt von kirchlichen und weltlichen Bauten, von Wohn- und Gemeindehäusern die vom künstlerischen Schaffen des jung verstorbenen Fritz Balthes‘ Zeugnis ablegen.

Gerhild Rudolf und Hermann Fabini (Hg.): Architekt Fritz Balthes 1882-1914. Sein Denken und Schaffen als Beitrag zum siebenbürgischen Kulturerbe; Honterus-Verlag Hermannstadt 2021, 275 Seiten, ISBN 978-606-008-097-8. Band XXIII der Reihe Miscellanea des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Sibiu/Hermannstadt.

Der vierte Teil, der unter der Überschrift ,,Epilog und Resümee“ das Buch abrundet, enthält eine von Konrad Klein zusammengestellte Bilddokumentation aus dem Privatleben des Architekten, die Kurzbiografien des Autorenteams, rumänische Resümees aller Beiträge und eine Übersicht der siebenbürgischen Ortsnamen.

Der in Schäßburg geborene Fritz Balthes setzte sich für die Verschönerung des Stadt- und Dorfbildes ein, wobei er aus den wichtigen Zentren Deutschlands und der Doppelmonarchie nicht nur den Zeitgeist, sondern auch die neuen Stile nach Siebenbürgen brachte und die zukunftweisenden Ideen für seine Heimatregion anpasste. Dem Architekten Balthes, einem vielfältig engagierten Menschen des 20. Jahrhunderts, dessen Schaffen Teil des siebenbürgischen Milieus und Kulturerbes geworden ist, wurde mit dieser jüngsten Publikation ein Denkmal gesetzt.

Dr. Daniela STANCIU-PĂSCĂRIȚA

Lucian-Blaga-Universität

Hermannstadt

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher.