,,Archivarbeit kann recht emotional sein”

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Interview mit Dr. Gerhild Rudolf, Leiterin des Teutsch-Hauses in Hermannstadt

Ausgabe Nr. 2760

Gerhild Rudolf in ihrem Büro.                                                            Foto: Ruxandra STĂNESCU

 

Dr. Gerhild Rudolf feierte am 1. März 10 Jahre, seitdem sie das Teutsch-Haus in Hermannstadt leitet. Über ihre bisherige Arbeit und Zukunftspläne sprach sie mit der HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u.

Bitte stellen Sie sich kurz vor?

Ich bin Gerhild Rudolf, ich bin in Kronstadt geboren und aufgewachsen, habe dann in Hermannstadt Germanistik und Anglistik studiert, nachher war ich Hausfrau, Religionslehrerin und Gottesdienstlektorin. Nach-dem die Kinder etwas größer waren, habe ich als Redakteurin der Kirchlichen Blätter, das ist die Monatsschrift der evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, etwa 15 Jahre gearbeitet. Nach dem Studium habe einen Master absolviert und dann 2018-2019 das Doktorat abgelegt. Das Gebiet,  das mich am meisten interessiert hat, war angewandte Linguistik.

In der Dissertation habe ich untersucht, inwieweit in der evangelischen Kirche nicht mehr einsprachig nur  deutsch gepredigt wird, sondern allmählich auch die rumänische Sprache in den Gottesdiensten verwendet wird. Seit zehn Jahren bin ich nun Leiterin des Teutsch-Hauses, das ist das Begegnungs- und Kulturzentrum der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) und ist ein schöner Komplex, der auch komplexe Arbeit bietet.

Sie feiern genau am 1. März 10 Jahre seit Sie die Leitung übernommen haben.

Ja, ich bin froh, dass ich diese Arbeit machen kann, sie ist sehr vielseitig. Wir haben im Haus sowohl das Zentralarchiv der EKR, da musste ich mich in die Archivarbeit einarbeiten. Dann befindet sich auch das Landeskirchliche Museum hier. Das kenne ich schon seitdem es aufgebaut wurde, weil die Redaktion der Kirchlichen Blätter auch hier im Haus untergebracht war, so dass ich hautnah die Entstehung des Teutsch-Haus miterlebt habe. Das war mir sehr hilfreich. Dann ist da noch der Tagungs- und Begegnungsbereich, da ist es immer schön, mit Gruppen oder mit Einzelpersonen über Siebenbürgen, über die evangelische Kirche zu erzählen, mit Leuten in Kontakt zu kommen, Projekte durchzuführen. Und die Johanniskirche gehört auch noch zu diesem Komplex, da werden Konzerte organisiert. Solange die Stadtpfarrkirche in Renovierung war, fanden die sonntäglichen Gottesdienste in der Johanniskirche statt. Ich kann sagen, es ist immer irgendetwas los, wir haben viel Arbeit und ich freue mich auch, dass die Mitarbeiter im Haus hier motiviert sind und wir eine gute Truppe sind.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Am Anfang waren es etwas mehr, leider ist in diesen zehn Jahren deren Anzahl geschrumpft. Die Arbeit geht aber gut voran, wir sind optimistisch. Wir sind jetzt zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Haus, davon arbeiten einige in Teilzeit.

Gibt es ein Projekt, auf das sie besonders stolz sind?

Das ist jetzt eine schwierige Frage, denn wir hatten ungefähr 36 Ausstellungen, wir waren in mehreren internationalen und lokalen Projekten eingebunden. Was mir besonders am Herzen liegt ist der Architekt Fritz Balthes, über den ich von Anfang an im Archiv recherchiert habe. Als wir 2014 100 Jahre seit seinem Tod begingen, haben wir hier eine schöne Ausstellung organisiert, mit Begleitprogramm. Das war eine schöne Sache, an der ich mich gerne erinnere und als eine späte Frucht dieser Tätigkeit ist dann Ende des letzten Jahres ein Buch über Fritz Balthes zustande gekommen, zu dem Mitarbeiter aus unserem Haus, aber auch geladene Autorinnen und Autoren beigetragen haben, so dass es ein recht umfassendes Werk geworden ist. Irgendwie sehe ich das als schönen Abschluss dieser zehn Jahre. Das heißt aber nicht, dass jetzt ein Punkt kommt, das ist nur ein Komma.

Welche war die größte Herausforderung?

Herausforderungen gibt es viele, es ist das Planen und Evaluieren, da gibt es immer wieder Engpässe, ab und zu gibt es auch kleine Konflikte mit Mitarbeitern, aber nicht so, dass diese uns bei der Arbeit behindern. Dann war auch Corona, das war schwierig, wir hatten keine Besucher und der Sektor Begegnung hatte darunter zu leiden. Dafür hatten wir mehr Zeit für Forschung und Archivarbeit, das gleicht sich irgendwie aus. Zuletzt, als sehr große Herausforderung seit August 2020, betrachte ich das Ausstellen der Bestätigungen für Nachkommen von ehemals Russlanddeportierten. Wir haben nonstop Bestätigungen für diese Russland-Arbeitsjahre  ausgestellt, welche die Nachkommen dann bei der zuständigen  staatlichen Agentur einreichen können, um Entschädigung zu beantragen. Weil viele Leute keine Unterlagen besitzen, ist dann die Nachfrage nach solchen Bestätigungen sehr groß und für uns war das eine enorme zusätzliche Arbeit, nicht nur als Arbeitsvolumen, sondern auch psychisch anstrengend. Das kam dadurch, dass die Antragsteller nicht einfach eine Bestätigung haben wollen,  sondern sie erzählen im Brief oder auch telefonisch ihr Schicksal. Da kann ich schwer abschalten und sagen, dass ich nur ein paar Sachen im Archiv bearbeite. Auch Archivarbeit kann unter Umständen recht emotional sein.

Was ist in nächster Zeit geplant?

Ab Mai präsentieren wir eine Ausstellung des Berliner Fotografen Jürgen van Buer, der schon mal bei uns ausgestellt hat. Es sind Schwarz-Weiß-Fotografien von Hermannstadt und Kronstadt. Das freut mich sehr, denn ich bin ja Kronstädterin und lebe seit langer Zeit in Hermannstadt. Es wird interessant sein, einen fremden Blick auf eine vertraute Stadt zu werfen. Wir arbeiten außerdem mit der Museumsleiterin Heidrun König in einem internationalen Projekt zusammen, bei dem es um evangelische Migrations-geschichten geht und bereiten für nächstes Jahr eine Ausstellung vor unter dem Titel „Migrationsgrund Religionsfreiheit”. Siebenbürgen ist eine Region, wo es früh Religionsfreiheit gab und deshalb religiös verfolgte Menschen nach Siebenbürgen zugezogen sind. Es ist eine sehr schöne Zusammenarbeit mit zehn anderen Museen und seit gestern wissen wir, dass wir Erasmus+-Gelder bekommen, denn Finanzierung ist auch immer ein Problem.

Wie klappt es mit der Finanzierung?

Mein Wunschdenken wäre, dass wir für jedes Jahr einen Etat haben, aus dem wir schöne Projekte machen können, aber es ist genau  umgekehrt. Man muss zuerst die Projekte planen und sich ausdenken und dann Sponsoren suchen, die geneigt sind, diese zu fördern, dann braucht es natürlich auch einen Eigenbeitrag. Da steckt viel Arbeit dahinter und natürlich ist es enttäuschend, wenn ein vorbereitetes Projekt nicht bewilligt wird. Meistens kommen wir aber gut voran und bekommen Zuschüsse, auch vom Konsulat der Bundesrepublik Deutschland hier in Hermannstadt, vom Landesamt Kärnten und von anderen Organisationen, die uns unterstützen. Die beste Hilfe erhalten wir natürlich vom Landeskonsistorium, das ist unser Arbeit- und Auftraggeber und unser bester Partner.

Haben Sie einen persönlichen Wunsch?

Dienstlich kann ich sagen, das wir ein großes Projekt vor uns haben, die  Einrichtung eines neuen Archivdepots, weil das hiesige Depot eigentlich schon voll ist. Wir wollen auch unsere Webseite erneuern, diese ist nun zehn Jahre alt. Persönlich wünsche ich mir, dass alle ihre Arbeit mit Freude machen und dass wir gesund bleiben.

Glückwunsch und herzlichen Dank.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.