Rettungseinsatz an der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburg in Wermesch
Ausgabe Nr. 2757

1332 erstmals urkundlich erwähnt liegt Wermesch/Vermeș/Vermes, siebenbürgisch-sächsisch Waarmesch, im Kreis Bistritz-Nassod (Bistriţa-Năsăud) ca. 20 km Luftlinie südwestlich von Bistritz. Die ehemals stattliche Kirchenburg thront über dem Ort. Zunächst wurde in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts eine turmlose spätgotische Saalkirche gebaut. Inzwischen sind Orgel, Taufbecken und Altar entfernt. Bemerkenswert ist die gotische Kanzel von 1497 , der Kanzelaufgang weist eine Rokokoverzierung auf. Unser Bild: So sah die Kirchenburg im Sommer 2018 aus. Foto: Stefan BICHLER
Alles hat seine Zeit. Der Wermescher Kirche läuft jetzt die Zeit davon. Einst war sie eine prächtige Kirchenburg, heute ist sie nur eine traurige Ruine. Ein ähnliches Schicksal haben viele Baudenkmäler in Siebenbürgen. Es ist jetzt an der Zeit, diesem Verfall entgegenzuwirken. Dafür setzt sich die Ambulanz für Denkmäler/Ambulanța pentru Monumente durch weitere regionale Denkmalschutzvereine ein. Im Dezember 2021 wurde die Ambulanz für Denkmäler Bistritz-Nassod ins Leben gerufen, die diesen Notdienst künftig auch in Nordsiebenbürgen, genauer im Nösnerland – leisten wird. Die Bistritzer Stiftung Petrus Italus Trust wurde von der Ambulanz für die Durchführung der Rettungseinsätze vor Ort ausgewählt. Der erste Einsatz betrifft die Notsicherung der evangelischen Kirche in dem Dorf Wermesch/Vermeș, das verwaltungsmäßig zur Gemeinde Lechnitz/Lechința gehört.
Die spätgotische Kirchenburg in Wermesch, im Süden des Kreises Bistritz-Nassod, ist eines der wertvollsten Baudenkmälern im Norden Siebenbürgens. Der frei stehende Glockenturm und die Ringmauern aus dem 16. Jahrhundert, das Pfarrhaus und die alte Dorfschule sind auch Teil des Kirchenensembles, das seit Jahrhunderten das Dorfbild prägt. Doch die Zeit hat tiefe Spuren hinterlassen. Mit der Evakuierung der siebenbürgisch-sächsischen Bevölkerung durch die deutsche Wehrmacht im Herbst 1944 verlor die kleine Ortschaft ihre bis dahin mehrheitlich deutsche Bevölkerung. Weniger als ein Viertel der Evakuierten sind in ihre Heimatorte zurückgekehrt. In den 1960er Jahren hat die Kirche die Besitzer gewechselt und wurde Eigentum der rumänisch-orthodoxen Kirchengemeinde. Weder die wenigen Siebenbürger Sachsen – seit 1970 lebt kein Angehöriger dieser Ethnie mehr in Wermesch – noch die verarmte rumänische Bevölkerung des Dorfes haben es geschafft, sich um den Erhalt der Kirche zu kümmern. Somit blieb diese jahrzehntelang leerstehend und ungenutzt.
Anfang der 1990er Jahre legte man Holzstützen an die Wände des Mittelschiffes – die inzwischen verrotteten Stützen stellen eine zusätzliche Gefahr für die Gebäudestruktur dar. Die Kirchenwände weisen tiefe Risse auf, das barocke Gewölbe ist zum Teil eingestürzt, Löcher im Dach haben großen Wasserschaden im Innenraum verursacht. Das Kirchengebäude ist heute einsturzgefährdet und bedarf dringender Sanierung.
Die Ambulanz plant für 2022 die Notsicherung der Kirche, um den Einsturz der Struktur zu verhindern. Dabei ist die Reparatur des Dachstuhls und der Dachhaut des Chors zwingend erforderlich, um weitere Wasserschäden zu vermeiden. Danach wird eine abstützende Gerüstkonstruktion über dem Mittelschiff aufgestellt, damit die Arbeiten im Innenraum auch längerfristig in Sicherheit durchgeführt werden können.
Doch eine Notsicherung allein wird die Zukunft des gefährdeten Kulturguts nicht absichern. Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen. Da die anderen Glaubensgemeinschaften im Dorf ihre eigenen Kirchen haben, droht dieses Kirchengebäude funktionslos zu bleiben. Um einen erneuten Leerstand zu verhindern, erarbeitete die Stiftung Petrus Italus ein Umnutzungskonzept. Dieses betrifft ein Miteinbeziehen von Pfarrhaus und ehemaliger Schule, was gleichzeitig eine Fortsetzung der Arbeiten an der Kirche und eine ganzjährige Nutzung des Ensembles ermöglicht.
Die Umnutzung hat das traditionelle Handwerk im Fokus – Sommerschulen zur Restaurierung und Kurse zur beruflichen Ausbildung im traditionellen Handwerk für Jugendliche aus der Umgebung sind geplant. Die Kurse könnten im gut erhaltenen Schulgebäude stattfinden, welches auch als Unterkunft für die Freiwilligen genutzt werden kann.
Ruinen haben ihren Charme. Doch sie sind nicht für alle Zeit da. Wenn wir noch lange warten, bleibt die Wermescher Ruine ohne Dach, ohne Wände, und auch ohne Charme.
Die Notsicherung der Kirche, die für den Sommer 2022 geplant ist, wird mithilfe von Freiwilligen unter Aufsicht von Experten erfolgen. Dieser komplexe Einsatz an der Wermescher Kirche benötigt jede Menge Unterstützung. Jeder kann dazu einen Beitrag leisten, egal ob als Volontär, durch Spenden oder mit Fachwissen. Interessierte mögen sich per E-Mail an petrusitalus@gmail.com wenden.
Oana TURDEAN
Spendenaufruf
,,Die Zeit drängt. Am Dienstag ist ein Teil des Daches der (ehemaligen) evangelischen Kirche in Wermesch eingestürzt. Mit eingefallenem Dach und dem Wetter ausgesetzt wird sie es bis zur für den Herbst geplanten Intervention nicht durchhalten.
So können Sie mitmachen:
Durch Spenden an Petrus Italus Trust – Alianta pentru patrimoniul bistritean auf das Konto IBAN: RO26BRDE060SV46964260600 BRD Groupe Societe Generale Sucursala Bistrița.
Spenden in Form von Arbeitsleistungen oder Materialien (Holz, Dachziegel, Dachlatten) nehmen wir auch gerne entgegen. Unternehmen können die Spenden steuerlich absetzen.
Für weitere Informationen können Sie uns unter 0758-35.85.37 erreichen. Wenn wir nicht dringend eingreifen, bleibt uns die Kirche nicht bis Jahresende erhalten.“
Quelle: https://www.facebook.com/Petrus-Italus-Trust-Alianta-pentru-patrimoniul-bistritean-101130455395424
Wer war Petrus Italus?
Namensgeber der Stiftung Petrus Italus Trust, der Allianz für das Bistritzer Kulturerbe (Alianța pentru patrimoniul bistrițean) ist der aus dem heutigen Tessin stammende Architekt Petrus Italus da Lugano (1510-1569). Am 17. Januar 1560 unterzeichnete er einen Vertrag mit der Stadt Bistritz über die Konsolidierung der evangelischen Stadtpfarrkirche. In lediglich drei Jahren (von 1560 bis 1563) baute der Meister die aus dem 14. Jahr-hundert stammende Kirche um.
Auch die Fassade des Goldschmiedehauses mit den steingerahmten Fenstern in Bistritz geht wahrscheinlich auf Petrus Italus da Lugano zurück, der später auch in Lviv/Lemberg in der heutigen Ukraine wirkte.