Einer näheren Betrachtung wert: Zwei Jahrbücher für 2022 im Überblick
Ausgabe Nr. 2756

Links im Bild: Berthold W. Köber(Hg.): Jahrbuch 2022/Menschen und Zeiten/Siebenbürgisch-Sächsischer Hauskalender, 67. Jahrgang, Im Auftrag der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD – Hilfskomitee und in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien; Schiller Verlag, Hermannstadt – Bonn 2021, 248 Seiten, ISSN-Nr. 0583-192X.Rechts im Bild: Deutsches Jahrbuch für Rumänien 2022, Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ), 336 Seiten, ISSN 2559 – 4869, ISSN-L 2559-4869. Foto: Cynthia PINTER
Ein neues Jahr, zwei neue Jahrbücher. „Menschen und Zeiten“ ist der Titel des Jahrbuches bzw. des Siebenbürgisch-Sächsischen Hauskalenders, der im Auftrag der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD – Hilfskomitee und in Zusammenarbeit der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien von Berthold W. Köber herausgegeben wurde und im Schiller Verlag Hermannstadt-Bonn erschienen ist. Und das Deutsche Jahrbuch für Rumänien 2022, von der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien mit Unterstützung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien mit Mitteln des Departements für Interethnische Beziehungen der Regierung Rumäniens in der Honterus-Druckerei gedruckt, ist ebenfalls einer näheren Betrachtung wert.
„Bestimmen die Zeiten, in denen wir leben, das Leben der Menschen – oder bestimmen die Menschen durch ihr Leben und Handeln die Zeiten?“ Diese Frage, die sich Prof. Dr. Berthold W. Köber im Vorwort des Siebenbürgisch-Sächsischen Hauskalenders stellt, zieht sich wie ein roter Faden durch die Beiträge im frischen Jahrbuch. Das Jahrbuch ist in vier große Kapitel gegliedert: „Kalendarium“, „Gegenwärtige Zeit“, „Selbsterlebte Zeit“ und „Zurückliegende Zeit“.
Dem Jahresspruch und den von verschiedenen Pfarrern ausgelegten Monatssprüchen folgen in dem Kapitel ,,Gegenwärtige Zeit“ u. a. der beim Digitalen Heimattag 2021 von Thomas Șindilariu zum Thema „300 Jahre seit der Geburt von Samuel von Brukenthal (1721-1803). Was unsere Gemeinschaft heute ausmacht, lässt sich bis auf Brukenthal zurückverfolgen“ gehaltene Festvortrag, sowie ein spannender Bericht von Stefan Bichler, dem Referenten für Öffentlichkeitsarbeit der EKR, zum Thema „Einst und jetzt: Gottesdienste trotz Pandemie“. Ebenda ist der Beitrag des Herausgebers Berthold W. Köber mit dem Titel ,,Luther und die Pest. Einige Kernaussagen der Reformators“ abgedruckt.
Das dritte Kapitel – „Selbsterlebte Zeit“ – leitet mehrere Erinnerungsberichte ein, die von der Kindheit in Siebenbürgen vor 1945, der Deportation zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, dem Kommunismus und der Auswanderung nach Deutschland handeln. Zu erwähnen sind auch die Geschichten über Lehrer und deutsche Schulen in Hermannstadt.
So erzählt z. B. Samuel Beer in seinem Beitrag ,,Lehrer in der kommunistischen Zeit“ von zwei Lehrern, die bei ihm das Interesse für die Kunst geweckt haben: Musiklehrer Franz Xaver Dressler und Kunstlehrer Hans Hermann. Außerdem gibt er Einblick in seine Zeit als Lehrer im kommunistischen Rumänien und schildert dabei, mit welchen Herausforderungen er zu kämpfen hatte. Heinz Bretz, Lehrer in Rente, erzählt von seinem einjährigen Aufenthalt in Hermannstadt, wo er als Gastlehrer am Pädagogischen Lyzeum „Andrei Șaguna“, arbeitete (,,Ein Schuljahr als Ortslehrer in Hermannstadt. Lehrer: Beruf und Berufung“).
Im letzten Kapitel – ,,Zurückliegende Zeit“ – ist u. a. ein Beitrag des ehemaligen Stadtpfarrers von Mediasch, Dr. Dietmar Plajer, zum Thema „Bischof D. Friedrich Müller und die Laienprediger“ zu lesen; unter dem Titel „Ungesühnte Repressalien“ schreibt Ursula Hergesell eine Hommage auf ihren Großvater Pfarrer Fritz Möckesch und führt die Ungerechtigkeiten und Repressalien auf, die ihr Großvater durch das kommunistische Regime erfahren hat.
Zum Abschluss erfahren die Leserinnen und Leser in dem emotionsgeladenen Beitrag ,,Ein Stückchen gebackene Vergangenheit“ von Claudia Benkö, wie die traditionelle Hanklich in ihrem Heimatdorf in Siebenbürgen gebacken wird und was dieses Gebäck auch für die seit langem in Deutschland lebenden Siebenbürger Sachsen bedeutet. Das Jahrbuch 2022 „Menschen und Zeiten“, dessen Umschlag den Schässburger Stundturm (Foto: Martin Eichler) zeigt, ist reich bebildert und absolut lesenswert und kann in Hermannstadt in der Schiller-Buchhandlung und im Erasmus-Büchercafé für 49 Lei erworben werden.
Seit Beginn des Jahres liegt auch das ,,Deutsche Jahrbuch für Rumänien“ der ADZ im Forumshaus in Hermannstadt kostenlos auf. Es bietet kurzweilige Lektüre zur deutschen Minderheit in Rumänien und Vieles mehr. Gegliedert ist das Buch in sechs größere Kapitel: „Im Dienst der Gemeinschaft“, „Aus Stadt und Land“, „Kultur, Kulturerbe“, „Lesespaß“, „Heimat, Brauchtum und Mundart“, „Reisen und Wandern“ und beginnt mit den Grußworten von Paul-Jürgen Porr, dem Vorsitzenden des DFDR und Dr. Peer Gebauer, dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest. Es folgen zwei Beiträge von Hannelore Baier, einer unter dem Titel „Dr. Paul-Jürgen Porr und das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien“ und ein Interview mit dem DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganț unter dem Titel „Konkrete Verbesserungen erbringen“. Darin empfiehlt Ganț u. a. „den Foren, die die Absicht haben, sich an den Kommunalwahlen 2024 zu beteiligen, bereits jetzt damit anzufangen, die potentiellen Kandidaten auszuwählen und ins Rampenlicht zu stellen, um sie den Wählern bekannt zu machen.“
Weitere interessante und lesenswerte Interviews gibt es im ADZ-Jahrbuch zu lesen u. a. mit Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen, Christian Plajer, evangelischer Pfarrer der Kronstädter Honterusgemeinde A. B., Andrada Mazilu, deutschsprachige Grundschullehrerin in Temeswar, Dr. Jörg Biber, deutscher Hochschullehrer in Temeswar, Jan Cornelius, rumäniendeutscher Autor, und Verena Mermer, Romanautorin.
Über die wahre Macht der Poesie und die „Aktionsgruppe Banat“, die heuer „posthum“ ihren 50. Geburtstag feiert, schreibt Nina May. Im Kapitel „Heimat, Brauchtum und Mundart“ geht es u.a. um die schwäbische Mundart der Sathmarer Schwaben und die Guttenbrunner Kirchweihtracht. Warum es sich lohnt, Mitte September nach Vama Veche zu fahren, erklärt Elise Wilk und was man bei einem Besuch im Nationalpark Semenik-Karasch-Schluchten erleben kann, erzählt Ștefana Ciortea-Neamțiu. Am Ende des Buches stehen wie gewohnt die Anschriften aller Ortsforen. Das Jahrbuch der ADZ, auf dessen Umschlag ein Detail aus der Kirchenburg von Klosdorf zu sehen ist, wird kostenlos vertrieben und kann im Forumshaus abgeholt werden.
Cynthia PINTER