Anschreiben gegen das Vergessen

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Priester aus der Bukowina wurde 1952 wegen Hochverrats verurteilt

Ausgabe Nr. 2754

Pfarrer Matthias Požar (1912-1978).Foto: Privatarchiv Geier

Vor 110 Jahren  – am 11. Januar 1912 – wurde in Luisenthal, rumänisch Fundu Moldovei, Matthias Požar geboren, Sohn des Mechanikers Julius und der Theresia, geborene Kreuzer. Die Kindheit verbrachte er mit der Familie in Jakobeny/Iacobeni. Früh entschied Matthias Požar sich für den Priesterberuf und musste dafür nach Bukarest, wo er am Seminar das Abitur ablegte und anschließend Theologie studierte. Seine Priesterweihe erfolgte 1939.

Die Hingabe, mit der er sich seiner Berufung widmete, führte u. a. dazu, dass der 1951 geheim geweihte Bukarester Bischof Josef Schubert ihn zu einem Nachfolger für den Notfall auserkoren hatte. Vor der Weihe wurden sie jedoch 1951 vom kommunistischen Geheimdienst interniert. Beiden wurden, wie vielen anderen führenden katholischen Geistlichen in Rumänien, Strafprozesse inszeniert. Die Urteile waren drastisch, von der Dauer und Schärfe her eigentlich Todesurteile. Požar war nicht der einzige Buchenländer katholische Priester, der lange Jahre kommunistische Kerkerhaft erleiden musste. Pfarrer Leopold Hohenecker aus Dorna Watra/Vatra Dornei beispielsweise musste fünf Jahre schwere Gefängnishaft erleiden, Pfarrer Karl Kozlowski aus Radautz war zu 15 Jahren schwerer Haft verurteilt worden („temniță grea“), Pfarrer Isidor Toniuc (Radautz/Rădăuți) zu acht Jahren „Umerziehung“ (Zuchthaus-Haft), der Radautzer Priester Eugen Baltheiser wurde 1952 verhaftet und lange nicht verurteilt oder angeklagt, aber fünf Jahre lang in mehreren Haftvollzugsanstalten gehalten. Sein Bruder Johann, Kathedral-Kaplan in Bukarest und geheimer Bistumsvikar, wurde 1951 verhaftet und kam 1964 durch eine Amnestie frei, usw. Alle litten der Wahrhaftigkeit willen. Ihre politische Haft mit dem neuen Stigma des Volksfeindes, zeigt aufgrund der wenigen ausgewerteten Dokumente nur fragmentarisch die komplizierte und konfliktreiche Situation der katholischen Kirchen im Verhältnis zum sich selbst benannten „volksdemokratischen“, eigentlich stalinistischen Regime in Rumänien.

Sammelgrab- und Gedenkstein für die  Priester der Pfarrgemeinde Tobelbad.

Matthias Požar wurde infolge des Staatsratsdekrets des Jahres 1963 vorzeitig aus der Haft entlassen, Bischof Schubert – sein Urteil lautete auf lebenslängliche Kerkerhaft – erst durch die August-Amnestie des Jahres 1964. Fünf Jahre später konnte der schwerkranke Bischof auf Betreiben des Vatikans ausreisen, er starb noch im selben Jahr (1969) in München.

Pfarrer Matthias Požar wurde bald nach der Entlassung vom katholischen Ostpriesterwerk in Deutschland freigekauft und kam nach Österreich, wo er bis zum Tod als geschätzter Seelsorger wirkte, die längste Zeit in Tobelbad bei Graz (1965–1978). Über die schweren, heute unvorstellbaren Verhör-, Folter-, Haft- und Arbeitsbedingungen der politischen Häftlinge in den stalinistischen Kerkern jener Jahre sind mir von Pfarrer Požar keine Memoiren bekannt. Im Nachruf, erschienen am 15. Oktober 1978 in der 10. Ausgabe der Buchenländer Monatsschrift Der Südostdeutsche jenes Jahres, wird nur kurz darauf hingewiesen: „Zwölf Jahre seines Lebens musste er in rumänischer kommunistischer Haft zubringen. Aus dieser Zeit liegen großartige Zeugnisse seines Bekenntnismutes und seiner Hilfsbereitschaft vor.“ Dieser nicht gezeichnete Nachruf (Initialen O W, sehr wahrscheinlich Pfarrer Otto Weber, ebenfalls Buchenländer) wurde unverändert und ohne Autor in den Sammelband Nachrufe „Nekrolog der katholischen Priester aus Rumänien“ von Dr. Florian Müller aufgenommen (Donzdorf 1995, geboren in der Dobrudscha).

Ausschnitt aus der Strafkartei des damaligen „politischen“ Häftlings „Pozar – Pojar Mateiaș“ im Bestand des Bukarester Zentralarchivs CNSAS, im Bild der obere Teil der Akte mit den Personalangaben, der sichtbar abgeänderten Einstufung und Zuordnung zum politischen Straftäter sowie mit den Namen der acht Lager für Schwerverbrecher, in die der Priester strafverlegt worden war, einschließlich der Bleimine von Baia Sprie (oben ganz links).Foto: Privatarchiv Geier

Ob die Unterlagen im Archiv des Priesterhilfswerkes dazu nähere Auskünfte liefern können oder das Pfarrarchiv in Tobelbad, ist uns nicht bekannt. Die wenigen zugänglichen Unterlagen erlauben uns noch nicht, das Schicksal des Geistlichen nachzuzeichnen und den Terror konkreter darzustellen, der gegen die katholischen Kirchen und ihre bekennenden Vertreter in allen damaligen Ostblockstaaten ausgeübt wurde. Nur durch das Studium der Anklageschrift und der Geheimdienst-Verhöre können wir die erwähnte Kompromisslosigkeit des Priesters, die Standhaftigkeit, tiefe Spiritualität und Hilfsbereitschaft unter lebensbedrohlichen Umständen der Vergessenheit entreißen.

Durch die Freigabe von Akten über die politischen Häftlinge in Rumänien aus den Beständen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes – Securitate – stehen uns heute einige Dokumente mit konkreten Daten über das Martyrium des Priesters zur Verfügung, ohne dass wir damit das Unrecht vollständig aufklären können.

Oberer Teil der Rückseite der Strafkartei mit Datum des Prozesses, Gerichtsinstanz (Militärgerichtshof), dem Urteil (18 Jahre Kerker mit Zwangsarbeit), dem „Verbrechen“ (Hochverrat, ursprünglich nur „Verbrechen“ gegen die Gesellschaftsordnung) sowie genaue Dauer der Zeit hinter Gittern.                                                                                 Foto: Privatarchiv Geier

Die Kartei des politischen Häftlings – aus der wir hier erstmals Ausschnitte veröffentlichen -, die ihn als einziges persönliches Dokument über die Jahre in Haft begleitete, enthält auf der Vorderseite Personaldaten, aber auch Angaben zu Studium, Vermögenssituation, Beruf und (partei)politische Zugehörigkeiten (keine). In der oberen linken Ecke sind acht Gefängnisorte in chronologischer Reihenfolge von oben nach unten aufgeführt: alle berüchtigten Haftanstalten Rumäniens und die Bleimine Baia Sprie sind dabei. Politische Haft war in der Regel mit Zwangsarbeit und erschwerten Haftbedingungen verbunden.

In der unteren Hälfte der Kartei sind Angaben zu Vorstrafen festgehalten (keine in diesem Fall), Verwarnungen, Vorbeuge- oder Untersuchungshaft, Internierung etc. Die Vorwürfe und Anschuldigungen verstecken sich hinter Paragraphen – es sind etliche Einweisungsverfügungen angeführt -, die heute schwer zu entziffern sind. Sichtbar ist auf der Vorderseite weiter, dass Požar ursprünglich „Verbrechen“ (crimă) gegen die Gesellschaftsordnung vorgeworfen wurde, in dem Kästchen ganz oben wurde nachträglich das „Politischer“ darüber geschrieben. Das wird dann auf der Rückseite des Dokuments deutlich. Ein Militärgericht sprach folgendes Urteil wegen Hochverrats aus:18 Jahre erschwerte Gefängnisstrafe. Dass der Geistliche, der Schwerstarbeit nicht gewohnt war, die harte Arbeit und die unmenschlichen Haftbedingungen überlebt hat, gründete sicherlich in seinem Glauben und seinem Gottvertrauen.

Prälat Msgr. Požar – gestorben am 13. September 1978 – hat in seiner Gemeinde in Österreich über den seelsorgerlichen Bereich hinaus Bleibendes geleistet. Sein Name wurde daher aufgenommen auf den Dank- und Gedenkstein auf dem Friedhof seiner letzten Wirkungsstätte. Das Foto entnahmen wir der Dokumentation „500 Jahre Tobelbad“ von Erich Linhardt aus dem Jahr 1991, auf das uns ein Neffe des Geistlichen, emeritierter Universitätsprofessor in Graz, verwiesen hatte.

Der Bukowiner Erich Beck hat Beiträge zu Požar aufgenommen in seinen zweiten Band „Bibliographie zur Landeskunde der Bukowina“  (8948, 8949, 8950, 8951 Pozar, Matthias: 1912-1978, 8952 Pfarrer Msgr. Matthias Požar, 5012 [1995]. S. 87-88). Nicht aufgenommen sind die oben erwähnten aus der Bukowina stammenden Priester-Häftlinge in den umfangreichen Band ,,Donauschwäbische katholische Märtyrer“ (mit Rumänien). In rumänischen Veröffentlichungen zum Martyrium katholischer Priester konnte ich Požar bisher nicht finden.

 

Luzian GEIER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.