Über den Sinn des Lebens

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Neue Premiere am RST: Tschechows ,,Drei Schwestern“

Ausgabe Nr. 2750

Probenfoto von „Drei Schwestern“ (v. l. n. r.): Gabriela Pîrlițeanu als Irina, Andrei Gîlcescu als Tusenbach, Marius Turdeanu als Werschinin und Ofelia Popii als Olga.                        Foto: TNRS

Eine neue Premiere in der Vorweihnachtszeit. So kündigte das „Radu Stanca“-Theater das neueste Theaterstück der rumänischen Abteilung an, dessen Vorpremiere am Samstag, dem 27. November, und Premiere einen Tag später stattgefunden hat. „Drei Schwestern“ von A. P. Tschechow in der Regie von Andreea und Andrei Grosu war schon kurz nach der Ankündigung ausverkauft. Nicht nur wegen der Berühmtheit des Stückes sondern auch wegen der Starbesetzung. Unter anderem spielten darin Ofelia Popii, Adrian Matioc, Marius Turdeanu, Ciprian Scurtea und Mariana Mihu-Plier.

Bei der Besetzung und den Regisseuren – das Ehepaar Andreea und Andrei Grosu hatten am RST die Stücke „Cui i-e frică de Virginia Woolf“ und „Autobahn“ inszeniert – erwartete das Hermannstädter Publikum eine moderne Inszenierung des 121 Jahre alten Dramas.

Sie wurden nicht enttäuscht. Schon das Bühnenbild von Vladimir Turturică deutete darauf hin: eine schief liegende Bühne, die im Hintergrund in eine Art Halfpipe – wie man sie von Skateboard-Wettbewerben kennt – endete. Die Kleidung der Schauspieler war ein weiterer Hinweis dafür, dass das Stück nicht im 19. Jahrhundert spielt sondern eher heutzutage.

Im aus dem Jahr 1900 stammenden Drama in vier Akten dreht sich alles um die Schwestern Olga, Mascha, Irina und ihren Bruder Andrej. Sie sitzen seit elf Jahren in einer Provinzstadt fest. Ihr Vater war als Brigadegeneral von Moskau in die Provinz versetzt worden. Ihr Leben ist trist, abwechslungsarm und eintönig, was die Damen an ihre Grenzen gebracht hat. Ihre Hoffnungen richteten sich die ganze Zeit über auf den Bruder Andrej, dem man eine große Karriere als Wissenschaftler zutraute und der sie zurückführen würde in das geliebte Moskau. Der Bruder Andrej hätte der Familie durch eine akademische Karriere ein erneutes Leben in Moskau ermöglichen können. Aber er heiratet eine Frau aus der hiesigen Spießergesellschaft, verfällt dem Glücksspiel und verspielt das ganze Vermögen der Familie.

Immerhin sind zwei der drei Schwestern angestellt: Olga ist Lehrerin am Mädchengymnasium. Mascha ist mit dem langweiligen Gymnasiallehrer Kulygin verheiratet und Irina arbeitet als Telefonistin. Einziger Trost, den der Ort zu bieten hat, ist das Regiment, zu dem die Generalstöchter noch immer Kontakt haben. Mascha liebt den Batteriechef Oberstleutnant Werschinin, dessen Frau regelmäßig Selbstmord zu begehen versucht. Irina entschließt sich dem Werben des Offiziers Baron Tusenbach nachzugeben und ihn zu heiraten. Doch dazu kommt es nicht, da Tusenbach in einem Duell fällt. Zuletzt wird auch noch das Regiment abgezogen und verlegt. Wie in allen Stücken Tschechows geht es auch in „Drei Schwestern“ um Einsamkeit, Desillusionierung und die unaufhörliche Suche nach dem Glück und dem Sinn des Lebens.

Besonders an der Inszenierung am „Radu Stanca“-Theater ist die Dynamik des Stückes. Die Dialoge werden durch viel Bewegung, Turnübungen und sich überlappende Dialoge und Monologe aufgepeppt. Mascha, gespielt von Ofelia Popii scheint mit Schirm und Melone aus dem Zirkus entflohen zu sein, nicht zuletzt, weil sie mal ein Rad schlägt, mal Kunststückchen mit ihrem Schirm ausprobiert und ständig wie ein kleines Kind Unsinn treibt. Sehr viel ernster kommt die jüngste Schwester rüber, Irina, die von Gabriela Pîrlițeanu gespielt wird. „Nach Moskau!“ ist für sie zu einer Art Mantra der Hoffnung geworden. Sie sehnt sich nach der großen Liebe und nach einem erfüllten Leben durch Arbeit. Raluca Iani interpretiert die Rolle der überforderten unverheirateten mittleren Schwester Olga. Besonders auffallend ist Adrian Matioc als Militärarzt Čebutykin. Seine repetitiven Wortmeldungen bringen die Zuschauer zum Lachen und dadurch Leben auf die Bühne.

Zwei Stunden dauert das Theaterstück. Leider hielten sich die Organisatoren bei der Vorpremiere nicht an die 30 Prozent-Regel. Der Saal war fast voll besetzt, was für Pandemiezeiten ungewohnt und auch gefährlich war. Den Zuschauern gefiel das Stück, sie zollten den Schauspielerinnen und Schauspielern minutenlang Stehapplaus.

Cynthia PINTER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.