Vor 110 Jahren wurde der Deutsch-Sächsische Frauenbund für Siebenbürgen gegründet
Ausgabe Nr. 2751
Bisher gab es sehr wenige Arbeiten über die sozialen und politischen Aktivitäten von deutschen Frauen in Siebenbürgen. Die in extrem kleiner Schrift gedruckte Dissertation von Ingrid Schiel – ,,Frei – Politisch – Sozial: Der Deutsch-Sächsische Frauenbund für Siebenbürgen 1921-1939″ – mit 5011 Fußnoten enthält sehr viele Informationen. Die Arbeit wurde 2017 an der Universität Jena als Dissertation angenommen. Die Autorin greift weit aus, bevor sie auf Seite 166 zur Gründung der Freien Sächsischen Frauenvereinigung gelangt. Zur Vorgeschichte gehört der Kampf um das allgemeine Wahlrecht im ungarischen Teil der Habsburger Monarchie. Er begann unmittelbar nachdem 1907 im westlichen Teil der Monarchie der Reichsrat von allen Männern gewählt wurde. Gegen die Ablösung des Zensuswahlrechtes wehrten sich diverse privilegierte Gruppen, darunter waren auch die Vertreter der Siebenbürger Sachsen.
1911 entstand der Sächsisch-Soziale Frauenbund durch den Zusammenschluss von fünf Frauenvereinen, die in Siebenbürgen auf dem sozialen Gebiet tätig waren. Als die Männer während des Ersten Weltkrieges an der Front waren, engagierten sich mehr Frauen in der Wohlfahrtspflege oder übernahmen Stellen als Lehrerinnen. 1917 forderten die bürgerlich-radikale Opposition sowie die Sozialdemokraten mit mehr Nachdruck die Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Der ungarische Verein der Feministinnen setzte sich für die Gleichberechtigung der Frauen ein. Nach der Ausrufung der Republik in Ungarn im November 1918 sollten auch Frauen das Wahlrecht erhalten. Im Dezember 1918 wurde Siebenbürgen mit Rumänien vereinigt. Auch in der Anschluss-Erklärung von Karlsburg (Alba Iulia) sicherten die rumänischen Vertreter aus Siebenbürgen den Frauen das Wahlrecht zu, aber dies wurde vom gesamtrumänischen Parlament nicht akzeptiert.
Der Deutsch-Sächsische Nationalrat sprach sich im Dezember 1918 grundsätzlich für die Zulassung von Frauen in seine Organe aus. Sekretär des Zentralausschusses war der Jurist Hans Otto Roth, der zusammen mit Rudolf Brandsch und Emil Neugeboren für ein begrenztes Frauenwahlrecht eintrat. Im April 1919 entstand die Freie Sächsische Frauenvereinigung, die weibliche Interessen bündeln wollte. Besonders aktiv war unter den Gründerinnen die 1848 geborene Lehrerin Adele Zay. Sie verlangte die Einbeziehung der Frauen in alle politischen Entscheidungen der Sachsen und nahm mit beratender Stimme am 4. Sachsentag 1919 teil. 1921 wurde sie stellvertretende Vorsitzende des 1921 gegründeten Freien Deutsch-Sächsischen Frauenbundes. Zu ihrem 80. Geburtstag entstand die Adele-Zay-Stiftung zur Unterstützung sächsischer Kindergärten. Als sie 1928 starb, wurde sie in der Schwarzen Kirche in Kronstadt öffentlich aufgebahrt. Diese Ehrenbezeugung erhielt keine andere Frau mehr im 20. Jahrhundert.
Vorsitzende des Freien Sächsischen Frauenbundes war in den ersten drei Jahren die 1871 geborene Ida Servatius, die Vorsteherin des deutschen Waisenheimes in Kronstadt. Sie war auch Ersatzmitglied in der Bezirkskirchenversammlung, die ursprünglich eine Männerdomäne war. Sie nahm mehrmals an den Jahrestagungen des Vereins der Deutschen im Ausland teil.
Prinzessin Alexandrina Cantacuzino, die Leiterin des Nationalrats rumänischer Frauen, initiierte 1925 die Frauentagung der ethnischen Minderheiten in Bukarest. Sie wollte vor allem die Tätigkeit der deutschen und ungarischen Frauen mit dem Nationalrat koordinieren. Dank dieser Verbindung konnte in den Hebammenschulen in Klausenburg und Hermannstadt wieder die deutsche und magyarische Unterrichtssprache eingeführt werden. Einige rumänische Frauen wirkten seit den 1920er Jahren aktiv in den Gemeinde- und Stadträten mit. Sie setzten durch, dass 1932 die zivilrechtliche Handlungsunfähigkeit der verheirateten Frau aufgehoben wurde. Alexandrina Cantacuzino, Adele Zay und Ida Servatius pflegten auch Kontakte zum Frauenweltbund zur Förderung internationaler Einheit. Dort ging man davon aus, dass die Frauen sich aufgrund ihrer Wesensart für Frieden und Wohlfahrt einsetzen müssten. Gemeinsam mit den Rumäninnen gingen die sächsischen Aktivistinnen gegen den Mädchenhandel vor. Den rumänischen, sächsischen und ungarischen Frauenverbänden gelang es, in Rumänien das staatliche Gemeindewahlrecht zu erkämpfen. Nun forderten die Vertreterinnen des Deutsch-Sächsischen Frauenbundes auch Gleichberechtigung in den politischen und kirchlichen Institutionen der Sachsen. 1931 nahmen die Frauen erstmalig an Wahlen auf allen Ebenen für den Deutsch-Sächsischen Volksrat teil. Die 1880 geborene Lehrerin Lotte Binder leitete zwischen 1925 und 1930 den Freien Sächsischen Frauenbund. Sie und Amalie Musotter setzten sich vor allem für weibliche Gewerbeschulen mit deutscher Unterrichtssprache ein. Seit der Weltwirtschaftskrise waren in Rumänien die Bildungsinstitutionen der Minderheiten gefährdet, weil der Staat durch die verringerten Einnahmen nicht mehr die Zuschüsse für ihre Schulen überweisen konnte. Als Ausgleich sollten die Abgaben an die Evangelische Kirche erhöht werden zur Finanzierung der konfessionellen Schulen. Doch dies stieß auf Widerstand, den Nationalsozialisten anfachten.
Unter der Führung von Fritz Fabritius wirkte die Nationalsozialistische Selbsthilfebewegung, die seit den Jahren der Weltwirtschaftskrise ab 1929 zunehmend an Einfluss gewann. Die Nationalsozialisten in Rumänien wandten sich vor allem gegen den Einfluss der Kirchenvertreter. Sie sprachen beim Sachsentag 1933 auch dem Deutsch-Sächsischen Frauenbund das Recht ab, alle Frauen zu vertreten. Sie erklärten die Mutterschaft zur wichtigsten Aufgabe der Frauen und wandten sich gegen die Forderung nach Gleichberechtigung im Berufsleben. Beim Sachsentag wurde ein Volksprogramm verabschiedet, das allen Frauen ab 21 Jahren das passive Wahlrecht zubilligte. Bei den Wahlen zum Deutsch-Sächsischen Volksrat im Herbst 1933 erhielt die Nationalsozialistische Selbsthilfebewegung eine Mehrheit von etwa 55 Prozent. Bei dem Wahlkampf traten erstmalig die Nationalsozialistinnen vom Mädchen- und Frauenvolksdienst auf. Nachdem die Nationalsozialisten auch in den Volksräten Bessarabiens und der Bukowina eine Stimmenmehrheit errungen hatten, überließen die konservativen Führer 1935 Fabritius die Leitung im Verband der Deutschen in Rumänien. Dessen neues Volksprogramm von 1935 gestand nur den Parlamentswählerinnen das Wahlrecht zu, das war an die Bildungsstufe gebunden und daher stark begrenzt. Seit 1935 mussten sich alle nichtkirchlichen Organisationen Fabritius unterordnen. Den von ihm ausgehandelten Kompromiss mit den Kirchenvertretern bekämpften die radikalen Nationalsozialisten von der Deutschen Volkspartei in Rumänien. Amalie Musotter wandte sich gegen die Konkurrenzkämpfe, welche die soziale Arbeit stark behinderten. Sie stimmte 1937 der Integration des Deutsch-Sächsischen Frauenbundes in die Deutsche Frauenschaft zu. Die letzte Vorsitzende des Frauenbundes Josefine Breckner wurde Gauleiterin von Siebenbürgen. Alle Frauenverbände unterstanden nun der Landesfrauenführerin Lydia Müller, die Reproduktion zur wichtigsten Aufgabe der Frauen erklärte. Diese Sicht war bereits in Siebenbürgen verbreitet: Im Umkreis von Fabritius wirkte der Pfarrer Alfred Csallner, der sich seit den 1920er Jahren für „Rassenpflege“ einsetzte. Mit ihm kooperierten die Trägerinnen des Frauenbundes in der Kinder- und Jugendfürsorge. Das Buch enthält im Anhang Biografien der wichtigsten Trägerinnen des Deutsch-Sächsischen Frauenbundes sowie viele Tabellen mit den Themen ihrer Tagungen.
Mariana HAUSLEITNER