Das Hobby zum Beruf gemacht

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Interview mit Christian Rätscher von German Quality Entertainment

Ausgabe Nr. 2752

Beim Goldenen Hirsch-Festival in Kronstadt 2018 (v. l. n. r.): Radu Groza, Elvin Dandel, Christian Rätscher und Ricky Dandel.      Foto: Privat

Christian Rätscher ist ein wohlbekannter Name im rumänischen Showbusiness. Seit Jahren vermittelt er über seine Firma German Quality Entertainment namhafte Künstler an die Showszene. Rätscher stammt aus Urwegen. Als er 13 Jahre alt war, wanderte er zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Deutschland aus. Und  schon mit 13 Jahren hat er sein Organisationstalent bewiesen, als er in Urwegen einen Ball veranstaltete. In Deutschland war er auch organisatorisch tätig. Unter anderem ließ er rumänische Stars auf siebenbürgisch-sächsischen Veranstaltungen in Deutschland auftreten. Später richtete er sein Augenmerk auf Rumänien und brachte internationale Künstler hierher. Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 wurde das Organisieren von Veranstaltungen begrenzt  und so entschloss er sich, auch im Bereich Digitalisierung aktiv zu werden.  Die Zeitschrift DeBizz kürte ihn 2015 zum besten Organisator. Mit Christian Rätscher sprach HZ-Redakteur Werner F i n k:

Wann sind Sie ausgewandert?

Das war am 10. März 1984. Meine zwei anderen Schwestern waren in München verheiratet. Und da sind wir auch geblieben bis zum heutigen Zeitpunkt. Damals warteten am Bahnhof in München 600 Urweger, dass die nächste Familie ankommt.

Wann haben Sie zum ersten Mal etwas gemanagt?

Ich habe eine eigene Band gegründet mit dem Organisten, der für Urwegen, Dobring und Rätsch zuständig war, er war damals auch so um die 13 Jahre alt und wurde in der Band der Keyboarder. Das war die erste Band, die ich gegründet und auch gemanagt habe: Original Transylvania Sextett Night Angels hieß sie.  20 Jahre lang waren sie ausgebucht. Zu dieser Zeit habe ich in Urwegen auch den ersten Ball organisiert, mit Ricky Dandel. Das war, bevor wir ausgewandert sind.

Wie ging es in Deutschland weiter?

In Deutschland habe ich eine Lehre als Büroinformationselektroniker gemacht, ich habe Schreibmaschinen repariert. Und dann habe ich beim Bayerischen Rundfunk gearbeitet, um zu schnuppern und in diese Star-Geschichten hineinzukommen. Das geschah aber bereits auch über die Tätigkeit als Büroinformationselektroniker in den Büros des Bayerischen Fernsehens und Radios in München.

Ich habe dann viele Jahre lang Siebenbürger Bälle organisiert und rumänische Künstler nach Deutschland auf Tournee geholt. Kurzum: Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.

Welche Stars haben Sie aus Rumänien nach Deutschland geholt?

In Deutschland habe zunächst Florin Piersic als Stargast zum Siebenbürgerball einzuladen, dann Ricky Dandel und andere Stars wie Stela Popescu, Jean Constantin und viele andere bekannte Namen, die im Rahmen von Stand-ups oder rumänischen Kulturabenden aufgetreten sind. Das habe ich ca. 10-15 Jahre lang gemacht.

Waren Sie selber auch künstlerisch tätig?

Mit sieben Jahren habe ich Klavier spielen gelernt von meiner Tante. Ihr Sohn, mein Cousin, der in Unna lebt, dirigiert gegenwärtig vier Chöre und ist Musiklehrer, das Künstlerische ist schon ein bisschen in der Familie vorhanden. Ich habe dann in Filmen kleine Nebenrollen übernommen, ich war Polizist oder Kellner, ein bisschen mehr als ein Statist, aber kein richtiger Schauspieler. Ich habe rechtzeitig gemerkt, dass mein Talent nicht so groß ist, weder schauspielerisch, noch musikalisch, auf der Bühne gab es viele andere, die viel besser waren.  Ich habe eher das Talent, gute Stimmen zu entdecken oder gute Shows zu organisieren, anstatt selber aufzutreten.

Welche Stimmen haben Sie entdeckt?

Zum Beispiel sorgte ich beim Festivalul cântecului de dragoste dafür, dass die Band O-Zone den ersten Platz schaffte, obwohl niemand an sie glaubte. Nach zwei Wochen waren sie Weltstars. Ich glaube, dass ich der einzige war, der ihnen die Höchstpunkteanzahl gegeben hatte. Sie wären aber sowieso Weltstars geworden. Damals hatten wir noch verhandelt, dass sie in Augsburg  in der Diskothek auftreten dürfen, zwei Wochen danach war es hinfällig, denn inzwischen wollte die ganze Welt sie buchen.  Je einmal war ich auch Mitglied in der Jury beim Popmusik-Festival ,,Goldener Hirsch“ (Cerbul de Aur) bzw. beim Eurovision-Wettbewerb.

Haben Sie auch hier siebenbürgisch-sächsisch geprägte Shows organisiert?

Ich habe in Schäßburg 2018 das erste siebenbürgisch-sächsische Konzert weltweit organisiert und promotet, mit professionellen Sängern wie Ricky Dandel und Manfred Seiler, die auch in der Mundart singen und auch eigene Lieder haben, die in die heutige Zeit hineinpassen. Die Leute vom RTI-Radio haben es moderiert. Wir hatten das groß aufgezogen im Rahmen des Budgets zur Jahrhundertfeier Rumäniens. Es hatte im Oktober stattgefunden und es waren nicht sehr viele Leute dabei, aber mediatisch war es sehr stark. Ich hatte extra Arsenie von O-Zone geholt, der auf allen Fernsehsendern für dieses Event warb.

Im August 2018 habe ich mit Schlagertaxi die größte Siebenbürger Poolparty und einen Ball in der Sommerresidenz Brukenthals in Freck veranstaltet. 1000 Personen waren dabei.

Wie kam es dazu, dass Sie Rumänien in Augenschein nahmen?

Das kam auch durch die rumänischen Stars wie Alexandru Arșinel, Stela Popescu, Jean Constantin oder Florin Piersic, mit denen ich zehn Jahre lang in Deutschland getourt bin.  Sie haben gesagt, es gebe keine seriösen Organisatoren, sie müssten immer dem Geld nachlaufen und ich solle nach Rumänien kommen. Ich hatte immer im Voraus gezahlt. Wir hatten nur von Freitag bis Sonntag Auftritte und  mit dem Geld in der Tasche waren sie so von Montag bis Donnerstag damit beschäftigt, die deutschen Läden oder Flohmärkte zu besuchen, was zur damaligen Zeit interessant war.  Das war mehr oder weniger ein Trick von mir, der aber als Imagepflege ganz gut war. Deswegen nannte ich meine Firma, die ich 2014 aus dem Ärmel geschüttelt habe, German Quality Entertainment.

Wie lief es vor 2014?

Früher habe ich in Rumänien nur das Booking gemacht und die Organisation nicht. Man konnte über mich die Künstler buchen und nachdem jeder hier, der buchte, sich selbstständig gemacht hat oder selbst den Künstler gebucht hat, entschloss ich mich dazu, meine Ideen selbst zu nutzen. Das einzige Eisballett der Welt aus Sankt Petersburg hatte ich exklusiv geholt und organisiere den Auftritt desselben jedes Jahr in der Oper in Klausenburg und in der Sala Palatului in Bukarest. Es war damals eine Premiere, echtes Eis in den Sälen zu machen. Da waren alle Operndirektoren ganz außer sich, dass da alles kaputtgeht, was aber nicht so ist. Exklusiv hier auf Tour habe ich auch das Schloss Schönbrunn Orchester, Mariza, das Glenn Miller Orchester oder Michael Bolton. Es geht darum, dass ich dann kein Risiko mehr eingehe, dass jemand anders meine Ideen umsetzt.

Seit einiger Zeit konnte das Publikum das Eisballett hier aber nicht erleben?

In den letzten zwei Jahren mussten wir darauf verzichten. Am 8. März 2020 wurde alles geschlossen, ich hatte noch großes Glück, weil ich am 7. März noch Mariza mit 4000 Leuten in der Sala Palatului hatte. Das war die letzte Show. Ich hatte schon zwei Tage davor gezittert, ob wir 100.000 Euro verlieren oder nicht und da habe ich ein Riesenglück gehabt. Vergebens wartet man auf Hilfe vom rumänischen Staat, weil die Kultur wohl niemanden interessiert.

Wie war das mit BZN?

BZN habe ich öfter geholt,  das letzte Mal waren sie 2019 zu Silvester hier in Hermannstadt aufgetreten. Damals haben sie in Trachtenhemden gekleidet das rumänische Lied von Dan Spătaru ,,Drumurile noastre“ gesungen, was ein Riesenerfolg war. Und mit diesen Trachtenhemden sind sie dann weltweit auf Tour gegangen.

Sie haben die Mitglieder von BZN überzeugt, in Trachtenhemden zu singen?

Das war zufällig. Auf dem Hermannstädter Weihnachtsmarkt hatten wir die rumänischen Trachtenhemden gesehen. Und das hat gut zum Lied von Dan Spătaru gepasst und dann habe ich gesagt, mir schmeckt die Idee.

Sie hatten schon immer besondere Ideen gehabt…

Das Duett mit Laura Bretan und Michael Bolton in Klausenburg und Bukarest ist auch ein Werk von mir und auch das Video auf YouTube zum Duett mit Dan Spătaru und BZN.

Ich habe immer versucht, exzentrische Ideen umzusetzen, auch in Deutschland, Shows zu machen, die niemand macht, wie z. B. rumänische Stars wie Florin Piersic auf Siebenbürgische Bälle einzuladen, wobei die Siebenbürger Sachsen nicht unbedingt wussten, was sie erwartet. Ich habe einen ,,special guest“ eingeladen, alle waren begeistert und die Karten waren sofort verkauft.

Mihai Trăistariu habe ich auch gemanagt, als er den vierten Platz bei Eurovision gewonnen hat. Wir waren beim deutschen Musikproduzenten Ralph Siegel, den Song aufzunehmen. Da wollten wir auch eine Draculashow machen, wir dachten, um zwölf Uhr nachts kann er fünf Oktaven singen mit Knoblauch um sich herum und einer Maske, das hat dann aber vom Fernsehen her nicht geklappt, sonst hätte er sogar den ersten Platz geschafft. Für die exzentrischen Ideen von mir war, glaube ich, damals beim Fernsehsender  nicht so viel Platz.

An Fernsehsender haben Sie auch Stars vermittelt?

Ja, viele, auch für Eurovision,  Johnny Logan zum Beispiel. Beim Festival Cerbul de Aur war ich mit Ricky Dandel seit 1996 immer dabei. Als ich 2008 Cerbul der Aur mit internationalen Stars belieferte, habe ich versucht, eine komplett andere Art von Show zu gestalten, damit es nicht zu langweilig wird. Ich wählte Simply Red von der Stimme her und von der Art der Show her Ruslana, die eine super Tanzshow hat, dann Los Vivancos, das war ein Ensemble bestehend aus sieben Tänzern und Sängern die mit Flamenco auftreten. Das war also nicht nur Musik. Wenn die Konkurrenten schon alle singen, muss der Stargast was Besonderes sein. Das sind so meine Ideen.  Dann hatte ich auch Marty Cintron von No Mercy in die Jury geholt. Es war glaube ich auch eine Premiere, dass ein internationaler Star, der singt, komponiert und bekannt ist, die ganze Woche lang in der Jury dabei ist. Zumindest war es 2008 auch so gedacht, dass alles auch korrekt abläuft und auch eine Art Glaubwürdigkeit da ist.

Gab es im Laufe dieser Jahre einen Erfolg, über den Sie sich besonders gefreut haben?

Immer, wenn die Leute rausgehen und lächeln und nichts zusammengebrochen ist und die Karten einigermaßen verkauft wurden, ist alles in Ordnung.

Gab es auch Fälle wo etwas zusammengebrochen ist?

Es bricht immer was zusammen, dann muss man schnell was machen. Zum Beispiel konnte in Gura Humorului eine der Bands nicht mehr kommen, weil jemand krank geworden ist, und ich musste das Konzert komplett umgestalten. Es war von der Stadt bezahlt worden und es musste halt ein Star sein, der preislich ziemlich gleich und auch vom Namen her ziemlich gleich ist. Und das innerhalb von drei Stunden zu finden, war nicht gerade einfach. Natürlich kamen sie dann auf den letzten Drücker, da war kein Soundcheck mehr möglich, da musste man einfach mehr Profi sein als man kann.

Gibt es auch andere Risiken?

Die Künstler müssen bezahlt werden, der Saal muss bezahlt werden, die Taxen müssen bezahlt werden. Wir sind die einzige Branche, die für eine Show 20 Taxen zahlt. Man muss schon gute Shows organisieren, damit man nicht pleite geht. Alles ist indirekt zehnfach besteuert.

Wie hat die Pandemie Ihr Leben beeinflusst?

Im Moment bin ich umgestiegen. Wir machen Digitalisierung in der IT-Branche für große Firmen, auch in Hermannstadt. Durch Digitalisierung können sie viel Geld einsparen und vor allem über die EU-Fonds, damit  im Endeffekt alles gratis abläuft. Es geht also um Lösungen zur Selbstfinanzierung, was in heutigen Krisenzeiten einfach wichtig ist. Auftritte organisieren könnte ich ja schon, aber es ist alles unsicher. Mit 30 Prozent Besetzung in den Sälen kann man die Kosten nicht decken.

Hatten Sie Erfahrung in der Digitalisierung?

Nein, ich habe da meine Spezialisten und genauso wie ich nicht gut singen kann, bin ich meistens auch hier hinter der Bühne, wo ich in Sachen Lobby, im Netzwerkbereich, in der Organisation, im Management wirke.

Sind Sie von heute auf morgen umgestiegen?

Nicht ganz, das hat schon ein Jahr lang gedauert, um die EU-Fonds zu studieren, um die richtigen Leute, vor allem die Nummer 1 in der Digitalisierung zu finden, die auch eine Ausbildung in den USA hat. Die meisten Firmen meinen, sie sind digitalisiert, wenn sie sich einen Laptop anschaffen. Tatsache ist, dass wenige Firmen eine Ahnung davon haben, was es bedeutet, digitalisiert zu sein und genau das versuchen wir unterzubringen.

Gibt es noch einen Bereich in dem Sie aktiv sind?

Ich habe in diesem Jahr die Stiftung ,,Educație, cultură, tradiție și bune maniere“ gegründet, wo Firmen diejenigen 20 Prozent, die sie versteuern können, an diese Stiftung spenden dürfen zur Unterstützung von Kultur, Tradition und Bildung, in meinem Fall speziell für die siebenbürgisch-sächsische Kultur, für die ich sehr viel mache und die ich seit fast 40 Jahren promote.  Im Gegenzug wird dann die Spende in Imagewerbung umgewandelt. So gibt es Werbung ohne Kosten.

Welche Ziele haben Sie jetzt?

Erstmals über Corona hinwegzukommen und die neuen Sachen, die ich habe, voranzutreiben. Ich will z. B. ein Projekt machen mit den transilvanischen goldenen Stimmen. Weiterhin organisieren wir am 2. Juli zusammen mit dem Veranstalter in Klausenburg die Discoteca 80. Dafür suchen wir jetzt gerade die Künstler. Franceso Napoli wird auf jeden Fall dabei sein und Kaoma.

Die 80er Jahre Musik, die nie stirbt, die habe ich in Rumänien eingeführt, weil anfangs sie niemand hören wollte. Zumindest hat man nicht geglaubt, dass es ein Business wird, und dann habe ich bewiesen, dass man Saragossa Band hier 30 Mal auftreten lassen kann, sei es auf Firmenfestivals  oder Stadtfesten, BZN oder No Mercy genauso, also alle, die gute Tanzmusik machen.

In diese Richtung möchte ich halt gehen, Künstler bringen die weitermachen, auch  wenn die Technik ausfällt. Beim Weinfest in Mediasch hatten wir auch dieses Problem. Manfred Seiler hat dann nur mit Stimme und Klavier gesungen. Wenn ich einen Manfred Seiler oder Ricky Dandel auf die Bühne schicke, dann kann ich nach Hause gehen. Egal was sie machen, es passt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Anmerkung der Redaktion: Mehr Infos zu den Veranstaltungen von German Quality Entertainment finden Sie unter www.gqentertainment.ro

Am 26. Dezember feiert Christian Rätscher seinen 52. Geburtstag. Hiermit wünschen wir ihm frohe Weihnachten und alles Gute zum Geburtstag!

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.