Sonderausstellung im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim
Ausgabe Nr. 2747
Im Siebenbürgischen Museum auf Schloss Horneck in Gundelsheim ist noch bis zum 28. November die Sonderausstellung „Politik und Gelehrsamkeit. Die siebenbürgische Adelsfamilie Conrad von Heydendorff“ zu sehen, die am 4. September im Anschluss an den Jahresempfang der siebenbürgischen Kultureinrichtungen im Schloss Horneck eröffnet worden ist. Im Zentrum der Ausstellung stehen zwölf Gemälde aus dem Besitz der vornehmen Mediascher Familie Conrad Edle von Heydendorff, die in der Zeitspanne vom Beginn des 18. bis zum zweiten Drittel des 19. Jahrhundert entstanden sind.
Für Familien von hohem gesellschaftlichem Rang war es in vergangenen Zeiten üblich, sich malen zu lassen. Im Porträtkatalog der Siebenbürger Sachsen verzeichnet Julius Bielz im Jahre 1936 ca. 30 Kunstwerke, die der Familie Heydendorff zugeordnet werden können. 20 davon sind heute bekannt. Im Dezember 2018 erhielt das Siebenbürgische Museum Gundelsheim einen beträchtlichen Teil dieser Familienporträts als Dauerleihgabe. Nach dem weitgehenden Abschluss der Umbauarbeiten in Schloss Horneck konnten diese nun zusammen mit weiteren Leihgaben aus Privatbesitz zum ersten Mal überhaupt der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Die Ausstellung ist eine Kooperation des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim mit dem Kulturamt der Stadt Mediasch und der Heimatgemeinschaft Mediasch. Sie wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Es ist bereits die zweite gemeinsame Veranstaltung der drei Kooperationspartner nach einem Symposium vom 25. September 2019 in Mediasch (diese Zeitung berichtete in der Folge 20 vom 15. Dezember 2019, S. 11). War jenes der 250. Wiederkehr des Geburtstags von Michael Conrad von Heydendorff dem Jüngeren im Jahre 1769 gewidmet, so gedachte man diesmal in Gundelsheim der 200. Wiederkehr des Todes seines Vaters, Michael des Älteren. Die siebenbürgische Geschichte der Familie geht auf Dionysius Conrad zurück, der während der Kriege zwischen Ferdinand II. und Johann Zápolya in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Söldner aus dem Raum Nürnberg nach Siebenbürgen kam und im Nösnerland sesshaft wurde. Er und seine Nachkommen übernahmen bald Verantwortung im öffentlichen Leben und kamen zu Ansehen und Wohlstand. Einem Nachkommen des Dionysius, Andreas Conrad, Stadthauptmann von Bistritz, verlieh Stephan Báthory für heldenhaftes Verhalten im Kampf im Jahre 1610 den Titel Edler von Heydendorff. Samuel, ein Enkel des Andreas Conrad gelangte Mitte des 17. Jahrhunderts nach Mediasch und begründete dort eine Familie, aus welcher der Stadt in den darauffolgenden 200 Jahren nicht weniger als sechs Bürgermeister und zahlreiche andere Beamte erwachsen sollten. Anhand der in der Sonderausstellung gezeigten Kunstwerke lässt sich die Familiengeschichte von der Erhebung des Gubernialrats Samuel Conrad in den Reichsadelsstand durch Kaiser Leopold I. im Jahre 1696 bis ins 20. Jahrhundert hinein nachvollziehen. Diese ist beispielhaft für die sozialgeschichtliche Entwicklung der sächsischen Oberschicht Siebenbürgens, die geprägt ist „vom Spannungsfeld zwischen der konservativen Behauptung alter, freistädtischer Standesrechte und der Orientierung an neuen Moden, Sitten und Ideen des Wiener Hofs“, wie Dr. Markus Lörz, leitender Kurator des Siebenbürgischen Museums, in der Ankündigung der Ausstellung ausführte. Bereits der erste Mediascher Heydendorff, Samuel, erreicht eine Bedeutung über seinen Heimatort hinaus als Großvater des späteren Gubernators von Siebenbürgen, Baron Samuel von Brukenthal. Ein Mann von großer Standhaftigkeit, überlebt Samuel als einziges Mitglied des Guberniums Anfang des 18. Jahrhunderts die Pest und wird so für längere Zeit zum de facto Gubernator Siebenbürgens, und hat so dieses Amt als einziger Sachse vor seinem Enkel Brukenthal inne. Samuels Enkel, Michael d. Ä. (1739-1821), an dessen 200. Todestag die Ausstellung ebenfalls erinnert, ist vermutlich der bedeutendste Vertreter seiner Familie. Neben seinen städtischen Ämtern bis hin zum Consul (Bürgermeister) nahm er als Vizegespan und Appelationshofrat vielfältige Aufgaben in der Verwaltung Siebenbürgens wahr. Er war ein bedeutender Gelehrter, der den Ideen der Aufklärung aufgeschlossen gegenüberstand, wovon seine weit über 400 Bände umfassende Bibliothek beredtes Zeugnis ablegt. Sowohl Michael d. Ä als auch sein Sohn Michael d. J. (1769-1857) haben umfangreiche Tagebücher hinterlassen, die wertvolle Zeugnisse der Orts-, Landes- und Sittengeschichte sind.
Wie ein in der Ausstellung gezeigter Stammbaum zeigt, sind von Dionysius Conrad bis zu dem erst 20 Monate alten Noah Conrad von Heydendorff 15 Generationen dieser Familie belegt. An der Vernissage der Ausstellung nahmen zahlreiche Heydendorffs der 13. und 14. Generation teil. Der Leitende Kurator des Museums, Dr. Markus Lörz, erläuterte in einem kurzen, jedoch sehr einprägsamen Vortrag die Konzeption der Ausstellung. Er führte u. a. aus: „Wenn man so will, blicken wir heute mit den Ahnengemälden auf 325 Jahre Familiengeschichte zurück, von der Erhebung Samuel Conrads in den Reichsadelsstand 1696 bis ins 20. Jahrhundert, das mit Werken Annemarie Suckow von Heydendorffs den Abschluss bildet. Die Ausstellung ist für uns als Siebenbürgisches Museum jedoch mehr als eine Rückschau auf die Geschichte einer Familie. Anhand der Gemälde wird uns ein beispielgebender Einblick gewährt in die sozialgeschichtliche Entwicklung der siebenbürgisch-sächsischen Eliten in der Habsburgermonarchie. Kleider, meine Damen und Herren, machen Leute, sagt man. Dies gilt insbesondere für repräsentative Porträts, wie die in dieser Ausstellung versammelten. An ihnen lassen sich bei genauerer Betrachtung nicht nur Moden erkennen. Sie sind gleichsam Statements, verdeutlichen dabei aber auch Entwicklungen und Widersprüche. Diese beruhen auf den unterschiedlichen Rollen, die die Dargestellten in Ihrer Person vereinten, was darauf zurückzuführen ist, dass sich in dieser Zeit neben der eigenen lokalen sächsischen Gemeinschaft noch ein weiterer übergeordneter, vom Wiener Hof geprägter Resonanzraum für die eigene Selbstdarstellung etablierte.“
Die beiden Säle, in denen die Sonderausstellung zu sehen ist, bieten mit ihrem Raumschmuck, der auf die Entstehungszeit der ausgestellten Bilder zurückgeht, einen äußerst passenden Rahmen für die Schau. Anhand der aufschlussreichen Texte erhält der Besucher Einblicke in das Leben und die Befindlichkeit einer Familie der sächsischen Oberschicht bis hin in unsere Zeit. Noch einmal Markus Lörz: „Als Ausblick auf die Familiengeschichte im 20. Jahrhundert verlässt die Ausstellung das Medium des Porträts und wendet sich den Werken Annemarie Suckow von Heydendorffs zu, die zur ersten Generation der Familie im 20. Jahrhundert gehört und alle Stürme und Unbill des Jahrhunderts am eigenen Leib erfahren sollte, insbesondere die dramatische Flucht aus Ostpreußen. Dies alles schlug sich wiederum in ihren Plastiken nieder, von denen einige sich seit 2007 im Siebenbürgischen Museum befinden und ihrerseits einen ganz eigenen Kommentar zu ihrer Zeit geben.“
Hansotto DROTLOFF