Großauer Orgel wurde abgebaut und zur Restaurierung nach Honigberg gebracht
Ausgabe Nr. 2747

Die Orgelpfeifen sind bereits ausgebaut, das Gehäuse der Grossauer Orgel ist noch vor Ort. Foto: Brita FALCH-LEUTERT
Im Rahmen der Festlichkeiten des Sachsentreffens 2021 in Großau erklang die Orgel in der evangelischen Kirche zum letzten Mal öffentlich in der bekannten Form. Sie ließ dabei ihren alten Glanz zwischen allen Mängeln und Fehlern durchschimmern. Gleichzeitig wurde deutlich, dass der Zahn der Zeit gründlich an ihr genagte hatte. Es ist jetzt an der Zeit, durch einen umfassenden Eingriff das Potential dieses fantastischen Instrumentes wieder ans Tageslicht zu befördern.
In der vergangenen Woche wurde Hand angelegt und dieses ehrwürdige, majestätische Instrument wurde durch Mitarbeiter der Firma COT aus Honigberg sorgfältig abgebaut. Alle Bestandteile wurden nach Honigberg transportiert. Dort werden sie im Laufe des kommenden Winters restauriert und provisorisch zusammengefügt. Im Frühjahr dann – sobald die Temperaturen im Kirchenraum es erlauben – wird die Königin in alter und erneuerter Pracht an ihrem angestammten Platz auf der Westempore der evangelischen Kirche in Großau wieder erstehen.
Die Großauer Kirchengemeinde ließ 1775 von Johannes Hahn sen. (geb. 1712 in Leutschau/Slowakei, gest. 1783 in Hermannstadt) ihre Orgel erbauen, die vorerst „nur“ aus der Hauptorgel bestand. Wenige Jahre später, 1782, entschloss sich die Kirchengemeinde, das Werk durch den gleichen Erbauer vergrößern zu lassen. Dies wurde durch den Einbau eines separaten, sogenannten Rückpositivs in die Emporenbrüstung realisiert. Ein Rückpositiv ist quasi eine zweite, kleine Orgel im Rücken der Organisten. Die Pfeifen dieser Miniorgel sind mechanisch mit der Hauptorgel verbunden. Sie werden auf einer separaten Klaviatur zum Klingen gebracht. In Großau ist das Rückpositiv mit einer wunderbaren Skulptur des harfenspielenden Königs David versehen. Das Instrument ist nach der Orgel in der Mediascher Margarethenkirche das zweitgrößte der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien des Orgelbauers Johannes Hahn (sen.) – und unseres Wissens das einzige, das Hahn mit einem Rückpositiv ausgestattet hat.

Das Rückpositiv mit der wunderbaren Skulptur des harfenspielenden Königs David vor dem Abbau. Foto: Beatrice UNGAR
Die Restaurierung wird folgende Hauptelemente umfassen: eine gründliche, komplette Reinigung; die Behandlung gegen den Holzwurm; die Reparatur aller durch diesen Schädling verursachten, umfassenden Defekte; die Rekonstruktion von verloren gegangenen samt Entfernung von nicht originalen Bestandteilen, wie Pfeifen, Mechanik, Gehäuseteile; die Rekonstruktion der originalen Gehäusefassung.
Dank sehr großzügiger Spenden wird das von Hahn ursprünglich vorgesehene, selbstständige Pedal (ein Pfeifenwerk, das Organisten und Organistinnen mit ihren Füßen steuern) als Neubau hinzugefügt. Das Pedalwerk verwandelt das Instrument definitiv in ein großes Orgelwerk. Im Nachlass des Hermannstädter Stadtkantors Franz Xaver Dressler, der sich im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim befindet, konnte die Offerte von J. Hahn für die Erbauung der Großauer Orgel aufgespürt werden. Sie zeigt deutlich die Visionen des Orgelbauers für den prächtigen, großen Kirchenraum. Die Großauer Kirchengemeinde konnte sich jedoch weder in der ersten (1775: Hauptorgel) noch in der zweiten Phase (1783: Erweiterung) durchringen, Hahns Rat zu folgen und in ein selbstständiges Pedal zu investieren. Erst die jetzige Restaurierung/ Rekonstruktion der Orgel, die in ca. einem halben Jahr zur Ehre Gottes und zur Freude von uns Menschen erklingen wird, ermöglicht es, die von Orgelbauer Hahn ausschließlich zu Papier gebrachte Vision hautnah zu erleben: eine Orgel nicht nur mit Glanz, sondern auch mit Gravität!
Musikwart Jürg LEUTERT