Zeuge und Gestalter

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Das Kriegstagebuch von Ion I. Lapedatu (1876-1951)

Ausgabe Nr. 2742

Bei der Buchvorstellung am 14. September im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums (v. l. n. r.): der Moderator Alexandru Constantin Chituță, der Herausgeber Andreas Wild, der Historiker Ioan Opriș und der Leiter des Hermannstädter Staatsarchivs Alexiu Tatu.   Foto: Beatrice UNGAR

Das zweisprachig herausgegebene Buch von Ion I. Lapedatu – „De la Sibiu la Alba Iulia 1916-1918 / Von Hermannstadt nach Karlsburg 1916-1918” -, das rumänische Original ist auf der linken, die deutsche Übersetzung in der rechten Spalte zu lesen, ist ein Kriegstagebuch. Der Autor des Buches, geboren am 14. September 1876 in dem zur Gemeinde Săcele gehörenden Dorf Cernatu bei Kronstadt und verstorben am 24. März 1951 in Bukarest, war Politiker und Ökonom. Er war u. a. rumänischer Finanzminister in der Zeitspanne 1926-1927 und Gouverneur der Rumänischen Nationalbank in den Jahren 1944-1945.

 

Ion Lapedatu ist ein Zeuge und gleichzeitig ein Gestalter der geschichtlichen Ereignisse seiner Yeit. Die Zwillingsbrüder Alexandru und Ion Lapedatu waren von ihren Zeitgenossen hochgeachtet, im Bewusstsein, Zeugen der Geschichtsereignisse zu sein und somit zu deren Lauf beizutragen. In allem, was er tat und plante, war Ion Lapedatu ein Visionär. Es gelang ihm, die erste rumänische Versicherungsbank mit eigenständigem Kapital zu gründen.

Sein Kriegstagebuch ist akribisch verfasst. So ging es 1916 beim Eintritt Rumäniens in den Krieg an der Seite der Entente um die Eroberung der Pässe in den Südkarpaten. Das Kriegstagebuch von Ion Lapedatu beginnt am Sonntag, den 27. August 1916 mit seinen täglichen Aufzeichnungen über das Kriegsgeschehen. In dieser Nacht drangen die rumänischen Truppen in Siebenbürgen ein, Kronstadt wurde besetzt, die Front rückte bis vor Hermannstadt.

Ion I. Lapedatu: De la Sibiu la Alba Iulia 1916-1918 / Von Hermannstadt nach Karlsburg 1916-1918. Deutsche Fassung: Renate Sandu. Oscar Print Verlag Bukarest, 2021, 249 Seiten, ISBN 978-973-668-544-6

Mit der Schlacht von Hermannstadt (26.-29. September 1916) fing der Gegenangriff der Mittelmächte an. Bukarest wurde am 6. Dezember 1916 besetzt. Der König und die rumänische Regierung flüchteten nach Jassy. Am Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Resolution der Großen Nationalversammlung von Karlsburg/Alba Iuia vom 1. Dezember 1918 in den Friedensverträgen verankert und somit die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien bestätigt.

Das vorliegende Kriegstagebuch ist zwischen dem 27. August 1916 und dem 18. September 1916 verfasst und enthält alle wichtigen historischen Ereignisse der Zeit sowie auch persönliche Fakten aus Lapedatus Familienleben. Auch wichtige geschichtliche Dokumente und ein reichhaltiges Bildmaterial sind im Buch enthalten. Desgleichen enthält das Buch Porträts von markanten Persönlichkeiten jener Zeit. Auch seine regelmäßigen Zusammenkünfte mit dem damaligen Bürgermeister Hermannstadts, Albert Dörr, sind im Tagebuch eingebaut. Als Leiter der rumänischen Albina-Bank war Lapedatu darum bemüht, das Wohl der Bank zu schützen und deren Kapital zu retten.

An diese Aufzeichnungen erinnerten sich Lapedatus Großenkelin Ioana Wild und ihr Gatte Andreas Wild, als sie vor drei Jahren das Tagebuch Dörrs lasen. Dieses war unter dem Titel ,,Hermannstadt zwischen den Fronten“ als Neuausgabe des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen der im Jahr 1926 unter dem gleichen Titel gedruckten Publikation im Klausenburger Curs-Verlag erschienen. Die von Liliana Popa erstellte rumänische Fassung erschien zeitgleich unter dem Titel ,,Sibiul între două fronturi“ im gleichen Verlag. Dörr berichtet in dem Buch auf Seite 70 von dem Treffen mit Lapedatus Gattin, die ihn gebeten hatte, ihrem verhafteten Gatten zu helfen. Dieser Eintrag führte dann zu der Herausgabe des vorliegenden Bandes.

Bei den im November 1919 erfolgten ersten Wahlen im Vereinigten Rumänien wurde Ion I. Lapedatu als Abgeordneter des Wahlkreises Leschkirch/Nocrich ins Rumänische Parlament gewählt. Später konzentrierte er als Finanzminister alle seine Kräfte auf die Währungsstabilität. Das Amt des Gouverneurs der Nationalbank Rumäniens in den Jahren 1944-1945 verlor er bei Antritt des Kabinetts Dr. Petru Groza. Die eingesetzte kommunistische Regierung entfernte Lapedatu aus allen Ämtern.

Das im Oscar Print Verlag von der Lapedatu-Stiftung herausgegebene  Buch enthält auch das Faksimile der Memoiren und ist als Lektüre empfehlenswert für alle an der Geschichte Rumäniens Interessierten.

Helmut LEONBACHER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher.