35. Akademiewoche war Brukenthal gewidmet
Ausgabe Nr. 2743
Anlässlich des 300. Geburtstages von Samuel von Brukenthal organisierte der Deutsche Jugendverein Siebenbürgen in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, dem Siebenbürgenforum sowie dem Institut für Auslandsbeziehungen die 35. Siebenbürgische Akademiewoche, in der Studierende und Neugierige das materielle und immaterielle Erbe des europäischen Aufklärers und Freimaurers diskutierten.
An fünf Tagen widmeten sich die 22 Teilnehmenden dem Spannungsfeld zwischen Moderne und Tradition im Erbe des Gouverneurs. Dieser wissenschaftliche Austausch fand passenderweise in der pittoresken Brukenthalschen Sommerresidenz statt, einem verspielten und neu renovierten Gartenkomplex im Städtchen Freck/Avrig in der Nähe von Hermannstadt.
Brukenthal war für die Verwaltung Siebenbürgens mehrere Jahrzehnte lang eine entscheidende Figur, zuletzt als Gubernator, und gestaltete gefördert von Kaiserin Maria Theresia das plurikulturelle und -konfessionelle Zusammenleben.
Die Akademiewoche, die aus Mitteln des Departements für interethnische Beziehungen der Rumänischen Regierung über das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien sowie aus Geldern des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sowie dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas finanziert wurde, spiegelte sowohl den kulturwissenschaftlichen Blick von Forschenden wieder, wie sie auch die Lebensperspektiven von Angehörigen der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft wie in einem Brennglas einfing. Kunst und Wissenschaft wurden zum Medium der Kommunikation und der Erinnerung – ebenso wie Brukenthals Kunstsammlung den öffentlichen Raum der Galerie zur Ausstellung von Bildern nutzte. Begleitend zu den geographischen Exkursionen der Bildungswoche setzten die Teilnehmenden sich interdisziplinär mit Ortsgeschichte, museumspädagogischen, alltagsbezogenen wie auch ethnografischen Perspektiven auf die Lebensrealitäten in Siebenbürgen heute und zu Zeiten Brukenthals auseinander.
Wir besuchten im Rahmen der Akademiewoche die Dörfer Micăsasa/Fägendorf und Sâmbăta de Jos, die sich sanft zwischen den Hügeln des Weidelands verbergen, gesprenkelt von Heuballen, Kuhherden und saftigen Auenwiesen. Ebenso idyllisch legt sich der Nebel um die morgendliche Silhouette des Brukenthalschen Palastes. Ein Dorf weiter schaut ein Bauer mit Fellweste und Schnurrbart in die Wolken, aber das darf nicht von der prekären sozialen Lage in Zeiten staatlicher Desintegration und knapper kommunaler Gelder ablenken. Der Bürgermeister von Micăsasa führt durch das dortige Brukenthal-Herrenhaus, aus dessen Spalten schon die ersten Blätter kriechen. Er erzählt, dass das Domizil in den letzten 30 Jahren mehr und mehr zerfällt und die Mittel für eine Renovierung fehlen.
Auf unserem Ausflug nach Hermannstadt treten die Zeichen der Zeit subtiler zutage: Im Brukenthalmuseum im ehemaligen Palais werden seit 1817 Gemälde aus verschiedenen Regionen Europas gezeigt, die Einblicke geben in diverse Alltagswelten und in die Kultur und das Kunstverständnis ihres Sammlers. Im Deutschen Forum erfahren wir, dass die Galerie Brukenthals und die Register der evangelischen Stadtpfarrgemeinde Hermannstadt bis heute als eine der wichtigsten Quellen aus dem 18. Jahrhundert gelten. Für die lokale Kunst- und Sozialgeschichte der Epoche sind sie von einzigartigem Wert, weil die Türen zu ihren Kammern kraft Brukenthals Testament allen offenstehen. Nach seinem Tod 1803 sollten die Sammlungen in eine Stiftung eingebracht werden. Heute besteht ein Nutzungsvertrag zwischen Museum und der Pfarrgemeinde, ein rechtliches Konstrukt, das dem Zweck dient, Brukenthals Vermächtnis zu bewahren, was seit den 90er Jahren auch von den rumänischen Behörden anerkannt und respektiert wird. Dennoch wird unsere Debatte von den Protesten der Partei AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen) überschattet, die in den vergangenen Tagen gegen die Statue des Gubernators auf dem Großen Ring protestierte – und gegen ein diverses und europäisches Siebenbürgen.
Nach dieser intensiven Woche verabschiedeten sich die rumänischen und deutschen Studierenden erfüllt, bereichert an Informationen und Erfahrungen und mit vielen neuen Fragen in den Gesichtern, die sich ohne Zweifel wie ein Roter Faden durch die Debatten der nächsten Monate ziehen werden.
Pauline HAAK,
Deutschland,
z.Z. Studentin in Klausenburg