Agnethler Sachsen in Amerika

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Zum Vortrag von Helga Lutsch im Terrassensaal im Teutsch-Haus

Ausgabe Nr. 2743

Helga Lutsch während des Vortrags im Teutsch-Haus.                                   Foto: die Verfasserin

Not, Hoffen auf wirtschaftliche Erholung und Besserstellung, Unternehmergeist oder Abenteuerlust. Dies sind die Gründe gewesen, weshalb viele Siebenbürger Sachsen Anfang des 20. Jahrhunderts nach Amerika ausgewandert sind. Einen hochinteressanten Vortrag zum Thema „Die Auswanderung der Siebenbürger Sachsen nach Amerika am Beispiel von Agnetheln“ hielt Helga Lutsch am Mittwoch, dem 6. Oktober im Terrassensaal des Friedrich Teutsch-Kultur- und Begegnungszentrums in Hermannstadt.

Seit 2017 kommt Helga Lutsch, Mathematiklehrerin in Rente und langjährige Leiterin der Heimatortsgemeinschaft Agnetheln, jedes Jahr nach Siebenbürgen und forscht jedes Mal zwei Wochen lang im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche A.B. des Kultur- und Begegnungszentrums Friedrich Teutsch. Ihr Ziel ist es, das Agnethler Pfarrarchiv zu digitalisieren. Dabei fand sie viele interessante Informationen über die Auswanderung der Agnethler ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten heraus und präsentierte ihre Recherche als bebilderten Vortrag im Teutsch-Haus.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, verfasste die evangelische Landeskirche einen Fragebogen betreffend die in Amerika weilenden evangelischen Agnethler, um Rekruten für den Kriegsdienst zu finden. Ausgefüllt wurde dieser Fragebogen im November 1915-1916 von den jeweiligen Nachbarvätern, die die Situation in der jeweiligen Nachbarschaft am besten kannten. „Aus den Fragebögen waren viele Informationen über die in Amerika lebenden Personen herauszulesen, z. B. der Taufname des in Amerika Weilenden, Geburtsjahr, Anzahl der Kinder und deren Aufenthaltsort, Beschäftigung oder ob die Rückkehr in die Heimat (Siebenbürgen) zu erwarten ist“, berichtete die 73-jährige Agnethlerin. Spannend herauszufinden war, wohin die meisten Agnethler Sachsen ausgewandert sind. Die beliebtesten Staaten waren Ohio (96), Michigan (26) und Pennsylvania (25). Die meisten Auswanderer waren Männer (125). Insgesamt 196 Personen sind bis 1914 aus Agnetheln ausgewandert. Dabei wurden einige Kinder bei den Großeltern zurückgelassen, andere kamen nach Amerika mit. Die sächsischen Siedler fanden Beschäftigung als Arbeiter und Fabrikarbeiter (92), nur 19 in fremdem Dienst und 19 waren selbstständig. Viele arbeiteten in der Stahlindustrie in Youngstown (Ohio) auch 16 Stunden am Tag. Die Frauen waren oft Dienstmädchen, Erzieherinnen oder Hausfrauen.

Was die Einwohnerzahlen anging, machte Helga Lutsch eine kleine Statistik der Aussiedlung. Schlussfolgernd ging hervor, dass in den 10 Jahren von 1900 bis 1910 85 Sachsen aus Agnetheln nach Amerika auswanderten.

Ihren spannenden Vortrag bebilderte Helga Lutsch u.a. mit Fotos aus dem Familienarchiv, denn der eigene Onkel befand sich auch unter den Amerika-Auswanderern. Viele Ausgewanderte schickten die hart verdienten Dollar nach Agnetheln zu den zurückgebliebenen Familienangehörigen. Einige kamen zu Wohlstand und bauten von dem Geld Häuser, so wie jenes in der Niedergasse in Agnetheln oder unterstützten die Familie finanziell. Andere wiederum fanden sich in den Vereinigten Staaten nicht zurecht und kehrten nach Siebenbürgen zurück.

Es wäre nun spannend zu recherchieren, wie viele Sachsen aus den anderen Ortschaften Siebenbürgens nach Amerika ausgewandert sind und ob sie dort eine Zukunft aufbauen konnten. Vielleicht hat das Thema das Interesse der Gäste aus dem Publikum geweckt und zur Recherchearbeit inspiriert. Helga Lutsch hat den Anfang gemacht. Als nächstes Projekt möchte Helga Lutsch die Series Rectorum von Agnetheln, die Reihe der akademischen Schulleiter, zusammenstellen.

Cynthia PINTER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.