,,Bibi“ – neueste Premiere am Gong-Theater
Ausgabe Nr. 2745

Deutsche Premiere zu aktuellem Thema: ,,Bibi“ heißt die neueste Inszenierung am Gong-Theater. Die Lehrerin gespielt von Claudia Stühler (am Katheder), kennt sich mit dem Faxgerät besser aus als mit Skype. Sie versucht alles, um die Schule, die alle Dorfbewohner einmal besucht haben, vor der Schließung zu retten. Bibi, gespielt von Eliza Păuna (am Boden sitzend) ist ihr letzter Schüler, der bald an ein Lyzeum in die am nächsten gelegene Stadt gehen soll. Ob die beiden die Schule retten können? Foto: Cynthia PINTER
Eine alte Dorfschule, ein Schüler, eine Lehrerin. Die alten abgeblätterten blauen Wände des Klassenzimmers lechzen nach frischer Farbe. Bücher liegen im Raum herum, eine Steckdose ragt aus der Wand heraus. „Wirf endlich auf das Bild, dann kriegst du dein Prüfungsthema“. Mit ausgebreiteten Armen steht die bebrillte Lehrerin vor ihrem Schüler, Bibi, ihren einzigen Schüler. Er wirft den Ball und trifft das Bild von Ion Creangă. Das Prüfungsthema steht fest.
Ein in Rumänien sehr aktuelles Thema wurde auf der Bühne des Kinder- und Jugendtheaters „Gong“ am Wochenende vorgestellt: Die Schulschließungen aus Schülermangel. Das Theaterstück „Bibi“ von Mihaela Michailov und Radu Apostol wurde in der deutschen Fassung von Beatrice Ungar am Freitag, dem 22. Oktober, zum ersten Mal aufgeführt. Regie führte Radu Apostol, das Bühnenbild hat Gabi Albu entworfen.
Den beiden Schauspielerinnen Claudia Stühler als Lehrerin und Eliza Păuna als Bibi passten die Rollen wie angegossen. Sogar die kleinen Aussprachefehler von Bibi kamen sehr überzeugend rüber. Die Lehrerin ist kurz vor der Rente und kennt sich mit dem Faxgerät besser aus als mit „Skipe“ (Skype). Sie versucht alles, um die Schule, die alle Dorfbewohner einmal besucht haben, vor der Schließung zu retten. Sie versucht sogar, die Kinder einer nach Deutschland ausgewanderten Familie, zu überzeugen, zurückzukehren, um wieder genug Schüler für nächstes Jahr zu haben: „Gott hat sie endlich zur Vernunft gebracht und ihre Eltern wollen ins Dorf zurückkehren. Sie haben sieben Kinder“.

Die Lehrerin (Claudia Stühler) und Schüler Bibi (Eliza Pauna) finden gemeinsam eine Lösung für die Rettung der Dorfschule. Foto: Cynthia PINTER
Bibi ist nämlich in der 8. Klasse, und es sind nur noch ein paar Tage bis zum Nationaltest. Wenn der einzige Schüler aus der einzigen Schule in einem Umkreis von zig Kilometern den Nationaltest besteht und an ein Lyzeum in die am nächsten gelegene Stadt geht, wird die Dorfschule geschlossen.
Und aus dem Hof der Dorfschule hört man die drohenden und immer wieder störenden Bohrmaschinengeräusche von „Vasile mit einem i“, was darauf schließen lässt, dass das Schulgebäude bald einer anderen Bestimmung übergeben wird.
Schließlich findet die Lehrerin heraus, dass Bibi seine Noten gefälscht hat, so dass er die 8. Klasse wiederholen müsste, nur damit die Schule nicht geschlossen wird. Bis zum Schluss kommen die beiden Hauptgestalten auf die Idee, eine Schule für Erwachsene zu gründen.
Der Dialog zwischen Bibi und seiner Lehrerin ist absolut liebenswert und amüsant. Man wünscht sich als Zuschauer, wieder einmal die Schulbank zu drücken, nur um von dieser lustigen Lehrerin unterrichtet zu werden. Auch wenn man dabei Gefahr läuft, an „Pepeleas Nagel“ gehängt zu werden, an dem alle unartigen Schüler aus dem Dorf einmal gehangen haben sollen, wie die Lehrerin behauptet.
„Bibi ist ein Theaterstück über die zweite Chance, ein Manifesto für die Erhaltung der Schulen. Die Geschichte von Bibi ist zur gleichen Zeit die Geschichte einer gespaltenen Kindheit: zwischen den Eltern, die im Ausland arbeiten und den Großeltern, die versuchen die Abwesenheit der Eltern zu ersetzen. Migration ist entfremdend und schmerzhaft für Kinder, Eltern und Großeltern. Bibi ist die Geschichte tausender von Kindern, für die Chancengleichheit eine Utopie ist“, erklärte Mihaela Michailov. Zum Glück gibt es dann noch Lehrerinnen, wie jene im Stück, die alles für ihre Schüler tun würden.
Das Theaterstück „Bibi“ wurde gleich zwei Mal am Freitag und Samstag aufgeführt und soll erst wieder im Januar 2022 gezeigt werden. „Bibi“ ist das zweite Theaterstück, das vom Produktionsteam Radu Apostol, Mihaela Michailov und Gabi Albu inszeniert wurde. 2018 feierten die drei schon großen Erfolg mit der Inszenierung von „Wanda“. „Bibi“ wurde im Rahmen des Projekts „365 Tage in Deutschland/365 zile in Germania“ produziert. Das Projekt möchte anhand der Analyse der kulturellen Route Rumänien-Deutschland auf die Auswirkungen des Phänomens der Migration unter Jugendlichen aufmerksam machen.
Das Projekt wurde vom Bundesverband Soziokultur e. V. aus Deutschland gefördert und vom Rumänischen Verein zur Förderung der Darstellenden Künste Bukarest durch Mittel der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds Rumänien (Administrația Fondului Cultural Național AFCN) und des Goethe-Instituts Bukarest unterstützt.
Cynthia PINTER