Zum Gedenken an Ion Caramitru (1973-2021)
Ausgabe Nr. 2739
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Ion Caramitru (1973-2021) bei seiner Ansprache im Rahmen der Preisträgergala des Rumänischen Theaterverbands (UNITER) im Jahr 2015. Foto: UNITER
Der 1973 in Bukarest geborene Theater- und Filmschauspieler Ion Caramitru ist am 5. September d. J. im Alter von 79 Jahren gestorben. Er war aktiver Teilnehmer an der Rumänischen Revolution und gab gemeinsam mit dem Schriftsteller Mircea Dinescu im Fernsehen direkt bekannt, dass das Ceaușescu-Regime gestürzt worden ist. Mitglied in dem ersten Rat der Front der Nationalen Rettung, trat er der Rumänischen Christlich-Demokratischen Bauernpartei (PNȚCD) bei und war vom 12. Dezember 1996 bis zum 28. Dezember 2000 Kulturminister. Seit Mai 1998 war er Ehrenbürger von Hermannstadt. Seit 1990 war er Präsident des Rumänischen Theaterverbands (UNITER) und seit 2005 Direktor des Nationaltheaters in Bukarest. Zum Gedenken auch an den Einsatz des Verstorbenen in Hermannstadt lesen Sie im Folgenden das Interview mit Ion Caramitru, das in dem Buch ,,Erfolgsgeschichte mit Folgen. Leseproben einer Seelenverwandtschaft 2″ erschienen ist, das die frühere Luxemburger Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges und die HZ-Chefredakteurin Beatrice Ungar 2015 im Honterus-Verlag Hermannstadt veröffentlicht haben:
Sie haben als Kulturminister die Aufmerksamkeit auf das siebenbürgisch-sächsische Kulturerbe gerichtet und als erster sozusagen die Notbremse gezogen…
Eigentlich sollte man sagen, es war ein Alarmsignal, da es fünf vor zwölf war, nicht nur im Falle dieses Kulturerbes sondern für das Kulturerbe in Rumänien überhaupt. Bei meinem Antritt als Kulturminister hatte ich mir zwei Prioritäten gesetzt: die Rettung des historischen Kulturerbes und die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union (Aquis Communautaire). Diese beiden ergänzten sich dann später ganz gut, als Hermannstadt zur Europäischen Kulturhauptstadt erklärt wurde. Schließlich konnte ich im Mai 1998 in Hermannstadt ein Symposium zum Thema „Hermannstadt – europäische Konfluenzen” aus der Taufe heben, an dem sogar der damalige Staatspräsident Emil Constantinescu dabei war. Es ging mir um die Rettung der wertvollen Altstadt Hermannstadts und unserer Einladung folgten Vertreter des deutschen Bundesministeriums des Inneren, der UNESCO, aus Luxemburg und der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung München.
Was hat dieses Symposium gebracht?
Die Regierung erarbeitete ein Gesetz über die Erklärung der Region Siebenbürgen zum Gebiet von nationalem Interesse. Hier hat sich nämlich ein besonders wertvolles europäisches Erbe erhalten, das den deutschen Siedlern zu verdanken ist, die von König Geysa II. gerufen worden waren, um Siebenbürgen zu schützen. Im Zuge der Diskussionen und der Besuche wurde z. B. klar, wie stark dieses Kulturerbe in und um Hermannstadt Ähnlichkeiten aufweist mit jenem in Deutschland und Luxemburg, genauer aus dem Rhein-Mosel-Gebiet. Hinzu kam, dass dieses Erbe in Hermannstadt weder durch Erdbeben, noch Feuer, noch Kriege zerstört worden war aber in einem sehr schlechten Zustand war. Besonders beeindruckt war die Luxemburger Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges, die zwar schon einiges von Hermannstadt wusste, aber zutiefst beeindruckt war von der Tatsache, dass sie sich in den siebenbürgisch-sächsischen Ortschaften mit einigen Bewohnern in Letzebuergisch unterhalten konnte. So entdeckten wir gemeinsame kulturelle Wurzeln, die sehr festgewachsen waren und Frau Erna Hennicot-Schoepges hatte eine sehr wertvolle Idee. Drei Wochen nach Abschluss des Symposiums rief sie aus Luxemburg an und teilte mit, dass die Luxemburger Regierung über eine Summe aus dem Staatshaushalt abgestimmt hat, die für den Beginn von Restaurierungen in Hermannstadt bestimmt sei. Uns, der rumänischen Seite, kam die Aufgabe zu, ein entsprechendes Gebäude im Stadtzentrum ausfindig zu machen, das restauriert und zu einem Europäischen Zentrum umgebaut werden könnte. Die Wahl fiel auf das frühere Schaser-Haus am Kleinen Ring 16, heute ist es als Luxemburghaus bekannt, nachdem es frisch restauriert und 2004 im Beisein des Großherzogs Henri eingeweiht worden war.
Dazu wäre noch zu sagen, dass ich schon immer darauf hingewiesen habe, dass Siebenbürgen und auch das Altreich immer schon an Europa angebunden waren. So z. B. war Sulina im Donaudelta 1860 eine Art europäische Hauptstadt des Schifffahrtswesens. Deshalb behaupte ich auch heute: „Wir sind nicht der EU beigetreten sondern wir sind nach Europa zurückgekehrt.” Frau Hennicot-Schoepges hat dies ganz klar gefühlt und erkannt und deshalb und nur deshalb, kam es zu der Entscheidung, Hermannstadt als Partnerstadt in das Projekt Luxemburg und die Großregion Europäische Kulturhauptstadt 2007 einzuladen.
Was hat dieser Status für Sie persönlich bedeutet?
Ich liebe alles Authentische. So bin ich auch heute regelrecht verliebt in Hermannstadt, dessen schönes gewachsenes architektonisches Erbe es mir angetan hat. Die Stadt hat diesen Titel verdient und hat auch etwas daraus gemacht, darüber bin ich froh und dankbar. Und ich werde auch die Begegnung mit der Luxemburger Kulturministerin immer in bester Erinnerung halten, auch weil wir im Brukenthalmuseum spontan einen Poesie- und Klavierabend gestalten durften.
Was das Authentische betrifft, muss ich erwähnen, dass ich in meiner Amtszeit als Kulturminister es geschafft habe, 22 weitere Welterbestätten in Rumänien durchzusetzen. Als ich antrat, befanden sich lediglich acht auf der UNESCO-Welterbeliste. Zu den 22 neuen gehören sieben Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen und sieben Holzkirchen aus der Maramuresch. Meinen wichtigsten Sieg, die Annulierung der Einrichtung eines Draculaparks in Schäßburg, errang ich mit der unschätzbaren Unterstützung der UNESCO.