Der Roman ,,Die Glocken von Kronstadt“ von Ruth Eder
Ausgabe Nr. 2740

Ruth Eder: Die Glocken von Kronstadt. Ein Siebenbürgen-Roman, Edition Noack & Block in der Frank & Timme GmbH – Verlag für wissenschaftliche Literatur, Berlin 2020, 394 Seiten, ISBN 978-3-86813-092-8. Umschlagabbildung: Doppelporträt von Hans Eder, Maler, mit Frau Ida, Kronstadt.Das vollständige Verlagsprogramm ist unter www.frank-timme.de zu finden. Hier kann man auch den Newsletter bestellen.
In dem Buch ,,Die Glocken von Kronstadt“ erzählt die Autorin Ruth Eder, mit siebenbürgischen Wurzeln und einem breiten Erfahrungsbereich der eigenen Familie, gekonnt und mitfühlend die Schicksale dreier Generationen aus zwei Großfamilien beginnend mit dem Jahr 1913, am Vorabend des Ausbruchs des 1. Weltkrieges. Siebenbürgen gehörte noch zur Österreichischen-ungarischen Monarchie.
Das Geschehen beginnt vor den Toren Kronstadts im burzenländischen Weidenbach. Die Verlobung von Ida, der jüngsten Tochter des Pfarrers Fabritius, mit dem Kronstädter Maler Johannes Greysing stand kurz bevor. Oft werden Gespräche in siebenbürgisch-sächsischer Mundart eingebaut, die den Leser, der dieser Mundart mächtig ist, besonders faszinieren. Auch ungarische und rumänische Sätze sind im Roman enthalten.
Die Handlung des Romans verlagert sich anschließend nach Broos. Man schrieb das Jahr 1914, der Erste Weltkrieg war angebrochen, da das österreichische Thronfolgerpaar in Sarajevo ermordet worden war. Jetzt tritt die reiche Familie Sartori in den Vordergrund. Friedrich Sartori war der unangefochtene Herrscher der Familie. Er besaß mehrere Güter und Ländereien sowie eine Spiritus- und Likörfabrik. Malvine, seine jüngste Tochter, verliebte sich in den jungen Leutnant Ossi Held, den sie auch heiratete, der aber an die Front einbezogen wurde. Er war der Sohn des Pfarrers Michael Held aus Tschippendorf im Nösnerland. Leider war dessen Frau Marie viel zu früh verstorben und versetzte Pfarrer Held und dessen Söhne in tiefe Trauer.
Nach dem Kriegsende und dem Niedergang der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde Ossi Held, jetzt im rumänischen Heer, zum Major befördert.
1928 tritt nun Hermannstadt in den Mittelpunkt. Malvines und Ossis zehnjähriger Sohn Karli besucht hier die Schule, bereitet aber seinen Eltern wegen der schlechten schulischen Leistungen viel Kummer.
Durch die Agrarreform des Jahres 1921 hatte die Familie Sartori fast den gesamten Grundbesitz verloren. Ossi Held gründete mit seinem ererbten Vermögen aus Tschippendorf eine Spiegelfabrik in Hermannstadt. Aber Zwietracht unter den Eltern Ossi und Malvine Held beeinflussten auch das Verhältnis der Kinder Karl und Helda. Die beiden Eheleute lebten sich immer mehr auseinander.
In Kronstadt ging das Leben der Familie Greysing seinen Lauf. Ida und Johannes Greysing freuten sich auf das alljährliche sommerliche Honterus-Fest. Ihr Sohn Hannes war Mitglied im Honterus-Coetus. Einige Jahre später wurde Hannes zum rumänischen Militärdienst einberufen. Bald darauf war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. Schreckliche Zeiten folgten für beide Großfamilien.
Der Autorin Ruth Eder war es von akuter Wichtigkeit, die bedeutendsten Geschehnisse der beinahe fünfzigjährigen Handlung des Romans einzubauen: Erster Weltkrieg, Agrarreform 1921, Wirtschaftskrise 1929-1933, die Machtergreifung des NS-Regimes, der Umsturz in Rumänien nach dem 23. August 1944, die Deportation von über 70.000 Deutschen aus Rumänen in die Sowjetunion zur Aufbauarbeit, die Enteignung der siebenbürgisch-sächsischen Bevölkerung, der Schriftstellerprozess 1958 in Kronstadt, sowie die massive Emigration der Siebenbürger Sachsen nach Deutschland.
Der Roman endet mit der Auswanderung der inzwischen verwitweten Ida Greysing zu ihrem Sohn Johannes in die Bundesrepublik Deutschland. Ein Abschied für immer aus ihrer geliebten siebenbürgischen Heimat.
,,Die Glocken von Kronstadt”, ein mitreißender und leicht lesbarer Roman, der zum anschließenden Nachdenken über das Geschehene äußerst empfehlenswert ist.
Helmut LEONBACHER
Zur Autorin: Die 1947 in Stuttgart geborene Schriftstellerin, Journalistin und Moderatorin Ruth Eder ist die Enkeltochter des Kronstädter Malers Hans Eder (1883-1955).
Sie hat Germanistik, Theatergeschichte und Psychologie in München studiert und war als Schauspielerin und Regieassistentin bei Theater, Film und Fernsehen tätig. Nach Abschluss ihres Studiums schlug sie die journalistische Laufbahn in München ein. Auf ihrer Homepage ruth-eder.info schreibt Ruth Eder von sich, sie lebe derzeit ,,mit Teilzeit-Partner, Hund und Katzen in München-Ottobrunn“.