Die Ethnografische Sammlung der Familie Drăgan in Hammersdorf
Ausgabe Nr. 2736
Eine ethnografische Sammlung kann im Stadtteil Hammersdorf in der Str. Calea Gușteriței unter Nr. 54 B, im Haus mit den Trachtenpuppen im Fenster bewundert werden. Hier wohnen nämlich Maria und Mircea Drăgan, die vor etwa anderthalb Jahren aus Agnetheln nach Hermannstadt gezogen sind und auch ihre Sammlung mitgebracht haben. Beim Betreten des Raumes, in dem die Sammlung ausgestellt ist, bemerkt man gleich, dass die Sammlung zwei Teile hat: einen rumänischen und einen siebenbürgisch-sächsischen.
„Es ist unsere Pflicht, es nicht zuzulassen, dass Sachen aus der Vergangenheit verloren gehen“, meinte Mircea Drăgan. „Wir haben gedacht, dass wir, die wir in der von Siebenbürger Sachsen bewohnten Gegend gelebt haben und wissen, wovon die Rede ist, in unserer Ausstellung auch einen siebenbürgisch-sächsischen Teil haben müssen. Es tut uns leid, dass wir nicht früher damit angefangen haben. Es sind sehr viele Sachen verlorengegangen. Wir hatten nicht gedacht, dass es zum Exodus kommen wird.“
Mircea Drăgan und seine Gattin Maria unterrichteten in verschiedenen Dörfern im Harbachtal, er als Rumänischlehrer, sie als Mathematiklehrerin. Später waren dann beide im Waisenhaus in Agnetheln tätig. Mit dem Sammeln angefangen haben sie etwa um das Jahr 2000. Einige alte Sachen, die Maria Drăgan geerbt hatte, wurden hervorgeholt und deren Anblick brachte die beiden dazu, auch weitere Dinge zu sammeln, erst aus dem Kreise der Familie und der Freunde und dann auch andere Gegenstände. Vor allem für Maria war die Beschäftigung mit der Kollektion eine angenehme Abwechslung, da 1997 bei ihr Gesundheitsprobleme eintraten. Gegenwärtig ist die Sammlung auf 1.264 Stücke angewachsen. Zur Sammlung gehören auch 270 Trachtenpuppen, die sowohl rumänische als auch siebenbürgisch-sächsische Trachten tragen.
Nicht weit vom Eingang liegen einige alte Schallplatten, z. B. von Ricky Dandel. „Wenn er einmal nach Hermannstadt kommt, möchte ich ein Autogramm von ihm haben“, sagt Mircea Drăgan. Namen wie Peter Alexander, Roy Black oder Udo Jürgens erwähnt er auch gerne.
Auf den schwarz-weiß Fotos vor den alten Büchern eines Regals ist Drăgan als junger Mann in siebenbürgisch-sächsischer Tracht neben anderen Trachtenträgern zu sehen. Die siebenbürgisch-sächsische Tanzgruppe aus seinem Heimatdorf Neustadt/Noiștat war einmal nach Agnetheln zu einer Festlichkeit eingeladen und einer der Sachsen war krank geworden. Vorgeschlagen wurde, dass ihn Mircea ersetze, vor allem, da er so gut tanzen könne. Und so kam es dazu, dass er auf der Festlichkeit mittanzte.
Die alten Bücher aus dem Regal hat er von Dachböden und anderen staubigen Orten gerettet.
Zwei Urzelanzüge sind auch da und desgleichen ein Kirchenpelz und andere siebenbürgisch-sächsische Trachten, über denen eine Stickerei mit der Inschrift „Siebenbürgen süße Heimat“ angebracht ist. Den Kirchenpelz hatte er bei Jakobsdorf auf den Boden hingeworfen gefunden und seine Frau hatte ihn dann gereinigt und wieder hergerichtet. Die Stickerei hat sie eigenhändig in einem Winter angefertigt während er ein Buch verfasste. Gegenwärtig arbeitet nämlich Drăgan an einem Buch über die Geschichte des Harbachtales.
Weitere Stickereien, Trachtenpuppen, Teller und andere Gefäße gehören auch zum siebenbürgisch-sächsischen Teil. Einen Teller mit dem Spruch „Gott schütze dieses Haus“ musste er einmal einem Freund aus Deutschland schenken, dem der Teller so gut gefallen hatte, sagt Drăgan.
In der Mitte des Raums steht ein Webstuhl und eine alte Nähmaschine. Auf einem Tisch liegen eigene Bücher: drei Bände zu den Bräuchen der Rumänen im Harbachtal und zwei mit rumänischen Volksliedern. Drăgan sammelt nämlich seit 1967, als er noch Student in Klausenburg war, Volkslieder. „Ein Sachse aus unserem Dorf besaß ein Tonbandgerät aus Deutschland. Damit habe ich angefangen. Danach habe ich Kasetten benützt und später habe ich alles auch auf CDs übertragen“, erzählt Drăgan. Er hat übrigens auch die Monografie von Sachsenhausen/Săsăuși geschrieben, dem Dorf, aus dem seine Frau stammt. Er fand heraus, dass es einst ein siebenbürgisch-sächsisches Dorf war, wo nach Kriegen und Seuchen nur noch eine Handvoll Leute übrig geblieben waren. So wurde das Dorf mit Rumänen aus dem Fogarascher Land neu bevölkert.
In seiner Kindheit sollen die Rumänen Ausdrücke verwendet haben, die von den Siebenbürger Sachsen übernommen worden sind. „Als ich ein Kind war, benutzten die Rumänen das Wort ,dulap‘ (Schrank) nicht, alle sagten ,coastăn‘ (Kasten)“, erzählt er. ,,Ainspenăr” nannten sie die Einspänner. Eine ganze Liste von solchen Ausdrücken hatte Drăgan zusammengeschrieben und sie „Săsisme“ (Saxonismen) genannt.
Auch die interethnischen Beziehungen in Neustadt stuft er positiv ein. „Bei uns im Dorf machte es nichts aus, ob man Rumäne, Zigeuner oder Sachse war. Unsere Vertrauensperson beispielsweise war eine Zigeunerin“. Wenn die Familie weg war, blieben die Schlüssel bei ihr.
Als ein zukünftiges Ziel hat sich Drăgan vorgenommen, eine Monografie von Neustadt auf Rumänisch zu schreiben, ausgehend von der bereits existierenden deutschen Fassung. In dieser möchte er auch auf die Rumänen und Roma eingehen. „Zusammen mit meiner Mutter hatten wir alle Sachsen in Neustadt von der Hausnummer 1 bis zum Dorfende aufgeschrieben, sie kannte sie alle, auch ihre Spitznamen. Mit meinem Vater haben wir die Rumänen aufgeschrieben. Und vor zwei Jahren haben uns zwei Roma bei der Auflistung der Roma geholfen“, sagt Drăgan.
Sein Vater stammte aus einer wohlhabenden rumänischen Familie, der Großvater war vor 1945 sogar Bürgermeister gewesen. Irgendwann fand er aber heraus, dass sein Vater eine Zeit lang als Knecht bei einer sächsischen Familie gedient hatte. Als er seinen Vater danach gefragt hatte, warum er als Knecht dienen musste, antwortete sein Vater: „ca sa învaț rânduiala (um die Ordnung zu lernen)“. Die deutsche Ordnung scheint Drăgan bis heute zu faszinieren. Auch gegenüber seinen ehemaligen siebenbürgisch-sächsischen Schüler findet der ehemalige Rumänischlehrer diesbezüglich nur Lobesworte. Drăgan unterrichtete zwischen 1969-1970 in Henndorf und von 1970 bis 1978 in Neustadt.
Zum rumänischen Teil der Sammlung gehören auch viele interessante Dinge, so zum Beispiel eine Hochzeitsfahne oder eine Mitgiftlade und natürlich auch viele Trachtenpuppen. „Die meisten Laden wurden auch von siebenbürgisch-sächsischen Meistern gefertigt“, meint Drăgan und zeigt dabei auf eine Mitgiftlade von 1925. Und natürlich kann er viele interessante Dinge erzählen. Die rumänischen Mädchen bis zu 12 Jahren sollen beispielsweise die „bortiță” getragen haben, ein Ausdruck, der von „Borten“ abgeleitet sein soll.
Auf einem Foto ist sein Großvater zu sehen, der im Ersten Weltkrieg gefangen genommen wurde, acht Jahre lang in Sibirien in Gefangenschaft verbracht hatte, und dann zusammen mit einem Siebenbürger Sachsen aus Roseln zu Fuß nach Hause gekommen war.
Im Raum nebenan präsentiert Drăgan seine Bibliothek, wo auch Namen aus der deutschen Literatur zu lesen sind. „Meine Lieblingsdichter sind Hölderlin, Goethe und Rilke“, erklärt Drăgan. Und von der deutschen Literatur geht es dann zur deutschen Technik über, hinaus auf den Hof, wo er seinen Mercedes Baujahr 1983 zeigt.
Familie Drăgan, die ihre Sammlung ,,Muzeul Casa cu Păpuși“ (Puppenhaus-Museum) nennt, empfängt jederzeit gerne Interessierte, die sich die ethnografische Sammlung anschauen oder mit dem Ehepaar ins Gespräch kommen möchten. Genauere Infos unter Tel. 0743-05.90.89.
Werner FINK