Feierliche Aussegnung der Orgel in der Stolzenburger evangelischen Kirche
Ausgabe Nr. 2731

Wie ein zahnloser Mund sieht die Stolzenburger Orgel nach ihrer Plünderung aus.Foto: Holger LUX
Eine stattliche Menschenschar versammelte sich in der Stolzenburger evangelischen Kirche am Sonntag, den 12. Juli, um 13 Uhr, zum Gottesdienst. Schon um 12 Uhr trafen sich hier Mitglieder des Hermannstädter Bachchores, um sich auf den Anlass vorzubereiten. Es war (k)ein gewöhnlicher Gottesdienst: Im ersten Teil, bis zur und in der Predigt wurde bereits angetönt, dass die Gemeinde gegen Ende vorübergehend Abschied nehmen werde von ihrer Orgel.
Der zweite Teil wurde von Landeskirchenkurator Friedrich Philippi eingeleitet. Er erklärte, dass wegen des dreisten Pfeifendiebstahles im Jahre 2019 uns eigentlich keine Wahl bleibe als die Orgel zu sichern und sie vorübergehend an einem andern Ort repariert aufzustellen. Warum sich Leute dazu verleiten lassen, solches zu tun, könne durchaus mit einer falschen Verteilung von materiellem Gut und deprimierender Lebensperspektive zu tun haben – dies nicht als Entschuldigung für die Tat, sondern als Motivation an uns alle, daran zu arbeiten, dass solche Unterschiede kleiner werden.
Weiter verlas Ortspfarrer Klaus-Martin Untch einen Gruß des Vereines der Siebenbürger Sachsen der Schweiz, in dem klargestellt wurde, dass diese Lösung durchaus im Sinne des Vereines sei und es ermögliche, das Instrument so zu erhalten und zu nutzen. Der Hermannstädter Stadtpfarrer Kilian Dörr erwähnte in seiner Ansprache, dass Orgeln als Gemeindeeigentum uns verpflichten, sie zu erhalten und wenn möglich mit der nächsten Generation zu teilen. Die gewählte Lösung, nicht den Besitzstand, sondern den Ort vorübergehend zu wechseln, ermögliche es , später die Orgel wieder zurückzuführen.
Teilen war im ganzen Gottesdienst der zentrale Begriff: Ortspfarrer Klaus Untch pointierte in der Predigt, dass uns durch die Taufe eine Gnadengabe zuteil werde. Dieses Anteilhaben ermögliche und verpflichte uns, im weiteren Leben nach dem Vorbild Gottes zu leben und zu handeln. Diesen Schritt nahm Dechant Pfr. Hans-Georg Junesch wörtlich und offerierte allen Anwesenden nach der würdigen und ergreifenden Aussegnung einen Nudelgratin. In seiner Schürze hinter dem improvisierten Buffet teilte er uns reichlich aus.
Die Handarbeitskreise des Hermannstädter Evangelischen Frauenkreises vom Huetplatz und vom Hippodrom, die ebenfalls am Gottesdienst teilgenommen hatten, saßen vergnügt und zufrieden auf den beiden enorm langen Bänken im Schatten der Bäume des Stolzenburger Kirchhofes und schlossen ihr Semester im beschriebenen Rahmen ab.
Der Bachchor teilte seine Gesänge im Gottesdienst mit der Gemeinde – eine Art Nachfeier des bereits absolvierten Semesterabschlusses. Rundum ergab sich ein gelungener Anlass, an dem wir versuchten, Gemeinschaft zu teilen und zu leben durch die Erinnerung an unsere Taufe, das Feiern des Gottesdienstes, die Aussegnung der Orgel und die Speisung aller Anwesenden. Alle wurden dabei reichlich versorgt mit geistlicher und weltlicher Nahrung. Herzlichen Dank für alle Beiträge, die diesem Anlass eine so vollständige Versorgung von Leib und Seele ermöglichte.
PS: Die Orgel wird, sobald es die Verhältnisse erlauben, als ,,Die Stolzenburger Orgel“ im Südschiff der Hermannstädter evangelischen Stadtpfarrkirche auf einem Podium aufgestellt, sodass sie ihre Töne in Richtung des sogenannten ,,Landlerfensters“ im Nordschiff senden wird. In Stolzenburg wird eine Tafel angebracht, auf der zu lesen sein wird, warum die Orgel auf Zeit nicht mehr an ihrem angestammten Ort steht und wo sie gesehen und gehört werden kann.
Jürg LEUTERT
Musikwart der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien