Erfreuliches und Unerfreuliches von der Storchzählung im 33. Jahr
Ausgabe Nr. 2731
Trotz noch bestehender Corona-Einschränkungen, die uns auch betroffen haben, konnte zu unserer Freude auch in diesem Jahr die Storchzählung im Kreis Hermannstadt in gewohnter Weise durchgeführt werden.
Mit an der damit verbundenen Arbeit waren wie in den vergangenen Jahren die Freunde aus Brandenburg Anselm und Matthias Ewert mit Peter Pöhls und der Drittklässler Andreas Zeck aus Reutlingen, dem seine Schulleitung dankenswerter Weise für dieses Projekt drei Tage frei gegeben hatte.
Mit einem Fernglas und seinem neuen Kosmos-Vogelführer ausgerüstet, konnte er von Umweltfachmann Anselm auf den Fahrten so manche neue Vogelart kennen lernen. Anselm hat in dieser Woche ohne speziell danach zu suchen 50 Vogelarten im Kreis Hermannstadt gesehen oder gehört! Darunter waren Grauammer, Neuntöter und Raubwürger häufiger anzutreffen als zu Hause in Brandenburg.
Indirekt beteiligt waren aber an der Storchzählung auch die Familien der Storchzähler, die dankenswerterweise durch ihren zusätzlichen Einsatz die Zählung erst möglich gemacht haben.
Und so ging es auf sehr intensiven Fahrten, bei z.T. großer Hitze eine Woche lang von Storchennest zu Storchennest (227 mal, so oft wie nie zuvor) durch 111 Ortschaften im ganzen Kreis.
Apropos Hitze. Haben Sie schon einmal gesehen, wie die Storcheneltern abwechselnd ihren Jungen mit angehobenen Flügeln Schatten halten? Oder wie sie ihnen im Schnabel Wasser bringen? Das haben wir dann in der Mittagshitze immer wieder zu sehen bekommen, wenn wir in gehöriger Entfernung von dem Nest warten mussten, bis wir die Köpfchen der Jungstörche möglichst alle ins Visier unserer Ferngläser oder des Spektives bekamen. Da braucht man auch Schatten, aber vor allem Geduld! Und so kann es wohl auch vorgekommen sein, dass uns der eine oder andere Jungstorch im Nest nicht vor die Augen kam, weil er sich in der Mulde des Nestes gerade liegend ausruhte.
Von den 227 besetzten Horsten hatten 184 Horstpaare auch Junge. Wir zählten 492 Jungstörche. Nur in fünf Jahren waren es vorher gleichviele oder mehr gewesen. Das ist natürlich erfreulich!
Da aber die Nahrungsgrundlage im Kreis nicht größer geworden ist, sondern in manchen Gegenden eher abnimmt, blieb die durchschnittliche Jungenzahl bei erfolgreich brütenden Paaren relativ klein. In diesem Jahr 2,67 (nur in vier Jahren von 33 war sie kleiner, sonst immer größer, mit einem Maximum von 3,63 Jungen pro Nest). Wir merkten das auch daran, dass es im Kreis in diesem Jahr nur zwei 5er Bruten (in Stolzenburg und Kleinpold) und auch nur 26 Vierer-Bruten und nicht 47 wie im Vorjahr gab.
Schuld an der geringeren Jungenzahl pro Nest waren wahrscheinlich auch die wiederholten Wintereinbrüche nach dem Eintreffen der Störche aus dem Süden und der ausgesprochen kalte April.
Neu gefunden haben wir je ein Nest in Meschen, Alzen und Kleinblasendorf. Dagegen stellen wir eine negative Entwicklung des Storchenbestandes am Fuß der Zibinsgebirge (Poplaca, Rășinari, Michelsberg, Heltau, Zoodt) fest. Was z. B. auch an der Urbanisierung des Geländes zwischen Hermannstadt und Heltau liegen wird. In Hermannstadt kamen zu den großen Entfernungen vom Nest im Stadtzentrum zu den Futterplätzen am Stadtrand jetzt auch noch die Möwen als Konkurrenten dazu. Sie verdrängten die Störche von dem seit Jahren besetzten großen Fabriksschlot in der Unterstadt auf den daneben gelegenen kleineren Schlot (in Hermannstadt im Stadtzentrum gab es zwei Nester mit fünf Jungen).
Auch in Großau, dem Storchendorf unseres Kreises, gab es zwar 46 besetzte Horste, aber „nur“ 77 Jungstörche darin (im Vorjahr 107). Die Nahrungsgrenze dürfte auch hier erreicht worden sein, denn der Durchschnittswert der Jungenzahl pro erfolgreicher Brut fällt hier schon seit vier Jahren und war jetzt mit 2,33 kleiner als im Durchschnitt für den ganzen Kreis (2,67).
Nach Großau folgen dann Orlat (16 Horste mit 31 Jungen), Leschkirch (9/22), Mergeln (8/ 16), Freck (5/13), Alzen (4/11) usw.
Der Prozentsatz der Masthorste ist mit 76 Prozent ungefähr gleich geblieben. Aber die allermeisten haben noch keine Nisthilfe bzw. keinen Nistuntersatz, was für die Störche, aber auch für die Sicherheit der Stromversorgung, dringend nötig wäre und in anderen Verwaltungskreisen längst durchgeführt wurde!
Als eine am Ende von Nahrungsketten stehende Art gilt der Weißstorch als „Indikator“ für die Lebensbedingungen vieler anderer Arten, seine Bestandsentwicklung gibt also Aufschluss über die biologische Vielfalt einer Gegend. Das ist der Grund für unsere jährliche Storchzählung im Kreis Hermannstadt.
Friedrich PHILIPPI