Ausgabe Nr. 2725
,,DDR-Frauen nach der Wende“: Ein neues Buch von Monika Herrmann
Das Buch „DDR-Frauen nach der Wende“ der deutschen Schriftstellerin und Wissenschaftlerin Monika Herrmann verschafft uns einen Einblick in die 1990er Jahren nach der politischen Wende und Wiedervereinigung, und zwar aus der Sicht von Frauen aus Ostdeutschland.
Inspiriert von der Idee, Erfahrungen von DDR-Frauen zu sammeln und der Welt zu zeigen, dass damals eine unvorstellbare Ungerechtigkeit gegenüber Frauen herrschte und dass die Frauen zum größten Teil als Hausfrauen gesehen wurden, hat sich Monika Herrmann entschieden, ein Buch über Frauen in der DDR zu schreiben.
Die Autorin ist deswegen eine Zeitzeugin der Schicksale von Frauen aus Ostdeutschland, da sie Veranstaltungen für zahlreiche Frauen dort organisiert hat, auf denen über ihr Leben und Veränderungen nach der Wende gesprochen wurde. Die Erinnerungen der Schriftstellerin und die der Frauen bilden die Basis des Buches. Das Buch beinhaltet zwei große Kapitel jeweils mit I. und II. gekennzeichnet.
Das Ganze begann in Bonn im Jahr 1989, als Herrmann einen Brief an den Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung schrieb, dass sie gerne Veranstaltungen und Konferenzen für Frauen aus Ostdeutschland durchführen würde. Die Autorin bekam eine Zusage und erhielt finanzielle Förderung. Die erste Veranstaltung fand am 15. März 1990 statt, das Thema lautete: „Die Gesellschaft der DDR im Umbruch: Was erwarten die Frauen aus der DDR von uns?“.
Näher eingehen will ich auf das große Kapitel I. Die von Herrmann durchgeführten Veranstaltungen setzten sich mit Themen auseinander, die besonders provokativ und wichtig für Frauen der damaligen Zeit waren. Besonders beeindruckend fand ich die Interviews, die den Lesern einen Einblick in die DDR-Zeit ermöglichen, und dabei die kolossalen Unterschiede zwischen West und Ost herausarbeiten. „[…] Ich habe Angst davor, dass es uns finanziell mal so schlecht geht, dass man vom Äußerlichen merkt, dass wir Sozialhilfeempfänger sind oder so […].“ Diesen Auszug aus einem Interview mit einer alleinerziehenden Frau, die ihren Job verlor, hat mich sehr erstaunt. Ich hatte auf einmal so viele Fragen: Warum muss man sich schämen? War damals die Sozialhilfe etwas, was Frauen auf keinen Fall beziehen durften? War das peinlich? Genau solche Interviews haben mir als Leserin ein Verständnis der damaligen Zeit gegeben. Gut fand ich, dass die Frauen empört darauf reagiert haben, als ein Vertreter einer Arbeitsförderungsagentur arbeitslosen Frauen vorschlug, den Beruf einer Fußpflegerin wahrzunehmen.
Im dritten Kapitel „Weg mit den Privilegien für Frauen – Verschlechterungen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ geht es um Veränderung in den Lebensbedingungen von Frauen.
Viele Männer behaupteten, dass Frauen bei der Arbeit „Privilegien“ genießen würden, wie z.B. das Kind in den Kindergarten zu bringen, mit dem Kind zum Arzt zu gehen oder einen Hausarbeitstag zu haben. Aus männlicher Sicht (sowohl im Osten als auch im Westen) ist die zusätzliche Familien- und Hausarbeit der Frauen wohl eine Selbstverständlichkeit, was für mich ein totaler Unsinn ist, sobald man versteht, dass die Kindererziehung und Hausarbeit zwischen Mann und Frau aufgeteilt werden müssen. Hier frage ich mich, wie das Frauenbild damals aussah bzw. wie die Männer Frauen gesehen haben – offensichtlich als Arbeiterin, Hausfrau und Mutter. Laut einer wissenschaftlichen Studie der zwei Wissenschaftlerinnen Petra Drauschke und Margit Stolzenburg über die Veränderungen in den Lebensbedingungen alleinerziehender Frauen in Ostberlin nach der Wende waren die Frauen in der DDR sozial abgesichert und deswegen besonders hart von der Wende betroffen. Nur sehr wenige von ihnen bekamen finanzielle Unterstützung von den Vätern oder vom Staat.
Im vierten Kapitel „Wir wollen Selbstbestimmung statt Bevormundung: kein §218 in Ost und West“ geht es um ein Problem rund ums Recht auf freie Entscheidungen im Bereich Schwangerschaft. In der alten Bundesrepublik galt die Indikationsreglung. Die Straffreiheit galt nur in dem Fall, dass der Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen durchgeführt wurde und eine Beratung stattfand. Für die Ostfrauen war das Recht auf selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch alternativlos.
Weiter geht es mit dem Kapitel fünf. Das Kapitel behandelt das Thema der schlecht ausgestatteten Städte und deren „grauen Ecken“. Durch eine Umfrage hatte sich herausgestellt, dass die Mehrheit der zufällig für die Befragung ausgewählten Frauen Angst habe vor menschenleeren, unüberschaubaren und schlecht beleuchteten Gebieten. Jede fünfte Frau ging abends gar nicht mehr vor die Tür. Zum Glück wurde das Problem Schritt für Schritt von den Frauenbeauftragten der Städte Dresden und Magdeburg gelöst, indem sie eine „Bekämpfung“ von Angsträumen in ihren Städten forderten. Doch ein Problem konnten sie nicht lösen, nämlich die Wohnungsnot. Die Frauen ängstigten sich vor Mietsteigerungen und Räumungsklagen.
In den vorletzten Kapiteln geht es um die Förderung einer sprachlichen bzw. grammatischen Reform, mit dem Ziel das „Weibliche“ in der Sprache sichtbar zu machen, denn über geschlechtergerechte Sprache wurde Anfang der 1990er kaum diskutiert.
Abschließend wirft Monika Herrmann die Frage auf, die zum häufig gebrauchten Spruch geworden ist, ob nämlich die Frauen die Verliererinnen der Deutschen Einheit gewesen seien? Wenn wir an die wachsende materielle Unsicherheit und an die Massenarbeitslosigkeit unter Frauen nach der Wende denken, stimmt der Ausdruck leider. Weil der Spruch so oft in den Medien wiederholt wurde, setzte er sich in den Köpfen der Arbeitgeber fest und führte dazu, dass lieber Männer als Frauen eingestellt wurden – was die Lage der Frauen noch schlimmer machte. Was ich aber daran so gut, motivierend und inspirierend fand, ist das Zitat von Tatjana Böhm vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg. Das Zitat lautet: „Das Ergebnis scheint von vornherein festzustehen: Frauen sind nun mal die Verliererinnen. Sie sind Wesen in der zweiten Reihe, über die und für die andere entscheiden. […] Zum Glück wird dieser Slogan von vielen Frauen […] nicht akzeptiert.“ Das interpretiere ich dahingehend, dass zwar einige Frauen in der DDR berufstätig waren, der Maßstab ihrer Gleichberechtigung jedoch von den Männern bestimmt wurde.
Die wachsende soziale Unsicherheit, die Arbeitslosigkeit, Sorgen, die die Frauen nicht verlassen haben, der respektlose Umgang mit ihnen und die Diskriminierung – alle diese Aspekte sind im Buch bildhaft durch Zeitzeugeninterviews beschrieben bzw. belegt.
Was noch zu erwähnen wäre, ist, dass das Buch von Monika Herrmann informativ ist. Nicht nur die Interviews mit Zeitzeuginnen und die eigenen Erinnerungen der Autorin machen die Texte so inhaltlich intensiv, sondern auch die verschiedenen Perspektiven, aus welchen die ganze Situation der DDR-Frauen angesprochen wird.
Das Lesen des Buches hat mir viel Spaß gemacht. Es hat mir einen sehr guten Einblick in die damalige, meistens nicht wirklich schöne oder fröhliche, Situation der Frauen vermittelt. Das erinnert mich an meine Heimat, die Republik Moldova, wo die Gleichberechtigung nur am Internationalen Frauentag bzw. am 8. März und auch dann nur symbolisch stattfindet; an den anderen Tagen sollen sich die Frauen keine Illusionen machen und wieder an die Arbeit gehen, um ihre Rolle als Arbeiterin, Hausfrau und Mutter wahrzunehmen.
Irina HIMICI