,,Das Zauberwort heißt Konsequenz“

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Essaywettbewerb des DKH

Ausgabe Nr. 2727

Die Grundschullehrerin Juliane Henning auf der Burg in ihrem Heimatort Michelsberg.                                                                   Foto: Mark FÜLÖP

An dem von dem Deutschen Kulturzentrum Hermannstadt (DKH) in diesem Jahr erstmals ausgeschriebenen Essay-Wettbewerb zum Thema Förderung der deutschen Sprache und Kultur beteiligten sich 28 ErzieherInnen und Deutschlehrende aus ganz Rumänien. Der 1. Preis ging an Juliane Henning, zur Zeit Lehrerin an der Gustav Gündisch-Schule in Heltau (4. Klasse), der 2. Preis an Sonia Maria Chwoika, Deutschlehrerin am Diaconovici Tietz-Lyzeum in Reschitza, der 3. Preis an die freiberuflich tätige Deutschlehrerin Irina Milea (Hermannstadt).

In dieser Ausgabe lesen Sie den Beitrag der Erstplatzierten.

„Frau Lehrerin, wie sagt man auf Deutsch ,Zirkus‘?“, fragte mich vor einigen Jahren eine meiner Schülerinnen. Sie sah mich erwartungsvoll an und ich konnte mir das Schmunzeln nicht verkneifen. Da begriff sie: „Ah! Zirkus!“ und wir mussten beide lachen.

Dieser „Zirkus“ hat sich fest in meinem Gedächtnis eingebrannt, da ich in dem Moment erkannte, dass ich es geschafft hatte: Die deutsche Sprache war einem Kind mit rumänischer Muttersprache ins Unterbewusstsein gelangt. Dieses kleine Erfolgserlebnis, das sich am Ende meiner ersten Grundschul-Abschlussklasse abspielte, begleitet mich bis heute, zwei Abschlussklassen später.

Zurzeit bin ich Lehrerin einer vierten Klasse an einer Schule mit deutscher Abteilung. Das bedeutet, dass Deutsch als Muttersprache unterrichtet wird, auch wenn der größte Teil der Schülerinnen und Schüler aus rumänischen Familien stammt. Zum Glück!

Dieses große Glück, dass rumänische Kinder die Schulbänke an deutschen Schulen besetzen, sichert den weiteren Bestand dieser Schulen, ist jedoch im selben Maße auch eine Herausforderung für Lehrende. Oft sind die Deutschkenntnisse der Schüler zu Beginn (in der Vorbereitungsklasse beziehungsweise in der ersten Klasse) mäßig bis nicht vorhanden. Zuhause haben diese Kinder kaum noch Bezugspersonen, mit denen sie Deutsch sprechen könnten. Dazu kommt, dass sie neben dem Fach Deutsch auch noch Mathematik, Sachkunde und alles andere in deutscher Sprache lernen.

Sicher haben viele Eltern zu Beginn Zweifel, ob sie das Richtige für ihr Kind entschieden haben. Ich denke aber, dass diese Bedenken spätestens bei der ersten Schulfeier vergessen sind, wenn der eigene Nachwuchs stolz sein Gedichtlein aufsagt und freudig alle Lieder mitsingt.

Die Frage, wie ich meine Schülerinnen und Schüler dazu motiviere, mehr Deutsch zu reden, lässt sich nicht so einfach beantworten. Im Idealfall haben die Kinder genug Eigenmotivation, bekommen ausreichend Unterstützung von zu Hause und ich habe dann nur noch ein Drittel dazu beizutragen. Damit die Schülerinnen und Schüler Deutsch reden, brauchen sie einen sicheren Wortschatz und eine Umgebung, in der sie diesen benutzen können. Hier sehe ich meinen Beitrag. Ich biete Sprache an. Ich mache ihnen in allen Klassenstufen deutsche Lieder, Gedichte und Texte schmackhaft und schaffe Situationen, in denen sie auch sprechen sollen. Außerdem ist mir wichtig, dass die Schülerinnen  und Schüler früh erkennen, dass wir miteinander nicht nur im Unterricht deutsch sprechen, sondern auch in den Pausen oder während den Ausflügen. Da heißt das Zauberwort: Konsequenz. Wer etwas von mir will, muss es auf Deutsch sagen oder fragen, wie es gesagt wird und es dann wiederholen. Kinder lernen schnell, wenn sie damit auch ihre eigenen Ziele erreichen können.

Meine aktuelle Klasse begleite ich nun im fünften Jahr. Heute zeigt sich, wie wichtig die Vorbereitungsklasse war. In dem ersten Schuljahr hat sich ein Basis-Wortschatz gebildet, auf den weiter aufgebaut werde konnte. Wie? Durch Musik, gutes und attraktives Material zur Veranschaulichung und vor allem ganz viel Spielen. Wenn Schule Spaß macht, dann gehen die Kinder gerne hin, auch wenn sie nicht gleich jedes Wort verstehen. Und ganz nebenbei lernen sie die deutsche Sprache.

Das Spielen ist uns auch in der vierten Klasse noch sehr wichtig. Ich habe mich bewusst in diese Aussage eingeschlossen, da Schule auch mir Spaß machen soll: frohe Schülerinnen und Schüler, frohe Lehrerin und umgekehrt.

Darum bemühe ich mich, jeden Tag in meinen Unterricht mindestens ein Moment für Spiel und Spaß einzubauen: eine Runde Bingo oder ein anderes Spiel, ein Bewegungslied, erzählen, albern, lachen. Natürlich muss auch Einiges gearbeitet und geleistet werden. Das wissen meine Schülerinnen und Schüler und sie bemühen sich, ihr Bestes zu geben, denn ohne Fleiß – kein Preis.

Besonders effektiv ist direktes Feedback. Die Schülerinnen und Schüler brauchen Lob, Bestätigung und Erfolgserlebnisse.

In meiner Klasse hat sich folgendes Belohnungssystem bewährt: Zu Beginn der Woche bekommt jedes Kind drei aus Karton gebastelte Igelmünzen. Im Laufe der Woche können sie weitere Münzen hinzu verdienen, oder sie müssen Münzen abgeben, wenn sie zum Beispiel im Unterricht ungefragt rumänisch sprechen. Wenn sie eine gewisse Anzahl Münzen gesammelt haben, können sie diese gegen einen Hausaufgabengutschein einlösen. Am Ende des Semesters können sie ihre gesammelten Münzen und Gutscheine gegen Kleinigkeiten (Stifte, Spielzeug u.Ä.) bei mir eintauschen.

Bücher spielen in der Klasse eine wichtige Rolle. In der Frühstückspause lese ich oft eine Geschichte vor. Es wird aufmerksam zugehört. Zum Selberlesen motiviert ein Lesepass. Für Lesezeit zu Hause sammeln die Schülerinnen und Schüler Stempel und Unterschriften von den Eltern. Sobald jemand einen vollen Lesepass hat, erhält er oder sie eine Urkunde und wird Lesekönig oder Lesekönigin. Letztes Jahr haben wir auch an dem Leseprojekt für die dritten Klassen teilgenommen, wobei alle eifrig gelesen und mitgemacht haben.

Außerschulische Aktivitäten bieten gute Gelegenheiten, den Kindern die deutsche Kultur und ihre Traditionen nahezulegen. Ich denke da an die Teilnahme am Martinsfest, am Maifest in Hermannstadt oder an das Maisingen in Michelsberg.

Mein Rezept, Schülerinnen und Schüler zum Deutschsprechen zu motivieren lautet also: Man nehme eine großzügige Portion Geschichten, garniere sie mit Musik, mische dazu Spiel und Spaß und serviere sie mit Liebe und Hingabe.

Bei all dem Zirkus, der in meiner Klasse darum manchmal herrscht, spricht man nichtsdestotrotz natürlich deutsch.

Juliane HENNING

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung.