Zu Mariana Hausleitners Buch ,,Eine Atmosphäre der Hoffnung und Zuversicht“
Ausgabe Nr. 2716
Der Titel ,,Eine Atmosphäre von Hoffnung und Zuversicht“ für ein Buch über den Holocaust könnte überraschend wirken. Wie wir schon im ersten Abschnitt erfahren, stammen die Worte aus dem Buch ,,Die Rettung“ von David Herstig und sie beschreiben die Stimmung, die sich 1943 unter den nach Transnistrien Deportierten verbreitet hatte, nachdem sie erfahren hatten, dass ein Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz die Ghettos besucht hat. Das war ein Tropfen Hoffnung darauf, dass sich ihre Lage verbessern würde. Im Einklang mit diesem optimistischen Titel, versucht Mariana Hausleitner in diesem Buch, die Bemühungen um die Unterstützung der Juden aus den Gebieten, die sich unter rumänischer Autorität 1940-1944 befanden, zu dokumentieren.
Als Ausgangspunkt dient der Autorin die Feststellung, dass die Gedenkstätte Yad Vashem, im Vergleich zu Vertretern anderer Staaten, relativ wenige Personen aus Rumänien als ,,Gerechte unter den Völkern“ geehrt hat. Ihrer Meinung nach wiederspiegelt diese Zahl – 66 bisher – keineswegs die im Zuge des Zweiten Weltkrieges erfolgten Begebenheiten sondern eher die spätere Entwicklung in der rumänischen Gesellschaft.
Um die den Juden gewidmeten Rettungs- und Hilfsaktionen zu kennen, ist die Erforschung dieses Themas notwendig, was dann eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung derjenigen Personen, die als Gerechte unter den Völkern gelten, spielt. Das kommunistische Regime hatte aber diese Forschungsarbeit verhindert, indem sowohl die jüdischen Organisationen, die den Juden in Transnistrien geholfen hatten, als auch die nichtjüdischen Politiker und Kleriker, die eine noch so kleine Rolle bei der Unterstützung der von den damaligen rumänischen Machthabern reprimierten Juden gespielt hatten, staatlicherseits verfolgt wurden. Auf diese Weise wurden sowohl die Helfer als auch die Nutznießer dieser Hilfe mundtot gemacht.
Hinzu kam, dass sehr bald nach der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 viele Juden aus Rumänien nach Israel emigrierten, mit Genehmigung des rumänischen Staates. In summa erschweren diese Faktoren zusätzlich die Dokumentation der Hilfsaktionen. Diese ist auch kompliziert, weil sich die Grenzen, innerhalb derer der rumänische Staat seine Autorität ausübte, sich in dem betreffenden Zeitraum oft verschoben haben. Grenzverschiebungen erfolgten entweder aufgrund von internationalen Abkommen wie dem Zweiten Wiener Schiedsspruch vom 30. August 1940, infolge dessen Rumänien Nordsiebenbürgen an Ungarn abtreten musste, oder, nach dem Kriegseintritt Rumäniens aufgrund der Stellungen der rumänischen Truppen.
Angesichts dieser komplizierten und unstabilen Lage sind die drei Landkarten, die auch Zeitangaben enthalten, äußerst hilfreich: auf den Seiten 14-15 ,,Großrumänien 1940-1944″, auf der separat auch die besetzten Gebiete eingetragen sind; auf Seite 57 die ,,Karte von Bessarabien und Transnistrien 1941-1944″, wo auch die jeweiligen in den besetzten Gebieten zuständigen Staaten genannt werden sowie der entsprechende Zeitraum ihrer Zuständigkeit; und auf den Seiten 178-179 die Landkarte Ungarns mit den ab 1938 von anderen Staaten, einschließlich Rumänien, annektierten Gebiete.
In dem Buch befinden sich auch mehrere Hinweise auf den Endbericht der Internationalen Historikerkommission zur Erforschung des Holocaust in Rumänien. Dieser Bericht wurde 2004 veröffentlicht und ist auch im Internet zu finden unter http://www.inshr-ew.ro/ro/files/Raport%20Final/Raport_final.pdf.pdf
Das kurze Abschlusskapitel des Endberichtes ist den Hilfestellungen und den Solidaritätsbekunden für die Opfer gewidmet. Aufgelistet werden die bis 2004 bekannt gewordenen Fälle und es wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Rettungs- und Hilfsaktionen ungenügend erforscht wurden und ihre Anzahl die in dem Endbericht erwähnten übersteigt. Deshalb empfiehlt die Internationale Historikerkommission, man müsse dieses Thema vertiefen. Nur auf diese Weise könnte ein ,,ausgewogenes und möglichst der Realität in den Jahren 1940-1944 entsprechendes Bild“ präsentiert werden.
Mariana Hausleitner ist ein gutes Beispiel dafür, wie diese Empfehlung umgesetzt werden kann, auch heute noch, obwohl so viele Jahrzehnte seit den aufgezeichneten Ereignissen und mehr als 15 Jahre seit der Veröffentlichung des Endberichts vergangen sind. Die Informationen sind reichhaltig und vielfältig und beziehen sich auf mehrere Geschichtsetappen und Gebiete. Gerade deshalb ist es unmöglich diese Arbeit vollständig und knapp vorzustellen. Das Inhaltsverzeichnis des Buches ist ein Indikator dieser Diversität und ein guter Leitfaden durch die Vielzahl von Informationen, Themen und Zeitspannen.
Einige Fälle und Namen sind auch in dem Endbericht zu finden, andere nicht. Doch auch wenn sie erwähnt werden, ist die Dokumentation Hausleitners über die Retter reicher an Details und zeitlich weiter gespannt, da sie auch Informationen zur Nachfolgezeit enthält; desgleichen sind wo es möglich war auch Fotografien abgebildet. Dies gilt im Falle der Personen, die in der Zeit des Pogroms in Jassy Juden geholfen und gerettet haben. Darunter Elisabeta Nicopoi, der Apotheker Dumitru Beceanu, der Ingenieur Grigore Porfir, die mehrere Juden versteckten und ihnen das Leben retteten. Diesen Rettern verlieh die Gedenkstätte Yad Vashem den Titel ,,Gerechte unter den Völkern“, so dass ihre Aktionen und ihre Namen bekannt sind.
Doch Hausleitner bietet uns auch einige Fotografien und Details über deren Leben in der Nachkriegszeit. Über Beceanu erfahren wir, dass er 1950 von der kommunistischen Justiz zur Zwangsarbeit verurteilt worden ist und die Anerkennung seiner Verdienste durch Yad Vashem erst sieben Jahre nach seinem Tod erfolgte. Ein ähnliches Schicksal ist Viorica Agarici widerfahren, die 1941 den in einem der ,,Todeszüge“ zusammengepferchten Juden geholfen hat. Am 30. Juni 1941 wurden mehr als 4.000 Juden, die das Pogrom in Jassy überlebt hatten, in Viehwaggons von zwei Güterzügen eingepfercht und eingesperrt. Diese fuhren mehrere Tage bei der größten Hitze, ohne dass den Juden Wasser oder Verpflegung zuteil wurde. Am 3. Juli erreichte der erste Güterzug den Bahnhof in Roman, wo sich eine Gruppe von Krankenschwestern unter der Leitung von Agarici aufhielt. Als Leiterin der Filiale Roman des Roten Kreuzes forderte sie ausdrücklich, dass die Waggons entsperrt und gereinigt werden und die Insassen Wasser bekommen sollen, was ihr schließlich zugestanden wurde. Nach dem Krieg verurteilte sie das kommunistische Regime zu Zwangsaufenthalt in Roman und ihr Haus wurde enteignet. Sie starb 1979, vier Jahre bevor Yad Vashem ihr posthum den Titel einer ,,Gerechten unter den Völkern“ verlieh.
Ein Mann, der im Endbericht nicht erwähnt wird, den aber Hausleitner erwähnt, ist Fritz Schellhorn, Deutscher Konsul in Czernowitz in den Jahren 1934-1944, der von Dezember 1940 bis November 1941 seinen Wohnsitz in Jassy hatte. 1941 fährt er nach Czernowitz, um den dortigen Juden zur Hilfe zu eilen, die dem Terror eines Einsatzkommandos ausgesetzt waren. Er spricht mit dem Einsatzleiter und macht diesen darauf aufmerksam, dass die Aktionen einiger deutscher SS-Truppen die Souveränität Rumäniens verletzen; und dass General Antonescu solche Einsätze nicht gerne sieht, nachdem die SS die Legionäre bei deren Putsch gegen ihn im Januar unterstützt hatten. Am Tag darauf verließ das Einsatzkommando die Stadt in Richtung Ukraine. Einige Monate später, am 14. Oktober, als die rumänischen Behörden mit der Deportation der Juden aus Czernowitz nach Transnistrien beginnen, interveniert Schellhorn bei dem Militärgouverneur der Bukowina, General Calotescu; er legt diesem die schlechte wirtschaftliche Lage dar, in die Czernowitz in Folge der Deportation der Juden geraten würde und protestiert gegen diese Maßnahme. Der Gouverneur telefoniert mit Antonescu und teilt ihm Schellhorns Forderung mit.
Nadia BADRUS
Deutsche Fassung:
Beatrice UNGAR (Schluss folgt)