,,Fluch oder Segen?“

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Online-Debatte zur Nutzungserweiterung für Kirchenburgen in Siebenbürgen

Ausgabe Nr. 2714

Neben dem Aufstieg zur Kirchenburg in Holzmengen fanden diese Schafe im Winter noch viel Gras zum Fressen.                  Foto: Beatrice UNGAR

„Nutzungserweiterung für Kirchenburgen – Fluch oder Segen?“ lautete das Thema der Online-Debatte, die am vergangenen Donnerstag veranstaltet wurde. Als Gäste eingeladen waren Katharina Stefani von der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Abtsdorf bei Mediasch, Thomas Schneider von der HOG Holzmengen, die Architektin Annemarie Rothe und Ruth István von der Stiftung Kirchenburgen. Wie offen ist man für alternative Nutzungskonzepte, wo zieht man klare Grenzen, kann man erfolgreiche Beispiele von Nutzungserweiterungen in anderen Ländern auf Siebenbürgen übertragen, wie lassen sich solche Konzepte und Ideen verwirklichen?  lauteten einige der Fragen auf die eine Antwort gesucht wurde. Moderiert wurden die Gespräche von dem Öffentlichkeitsreferenten der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Stefan Bichler.

Das Thema Nutzungserweiterung für Kirchenburgen beschäftigt die Stiftung Kirchenburgen bereits seit mehreren Jahren.  Stefan Bichler präsentierte eine Grafik, in der die Kirchen und Kirchenburgen in folgende Kategorien eingeteilt werden:  Kirchen, in denen mehr oder weniger regelmäßig Gottesdienste stattfinden und die sich daher in baulich gutem Zustand befinden, Kirchen mit sehr seltenen Gottesdiensten und in baulich bedrohtem Zustand; Kirchen, die aus anderen (touristischen oder kulturellen) Gründen sich baulich in gutem Zustand befinden, Kirchen, die in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand sind und Kirchen, für die die EKR keine Eigentümerrechte (oder nur mehr eingeschränkte) ausübt und wo der Zustand mehrheitlich gut bis sehr gut ist, was vor allem in Nordsiebenbürgen der Fall ist.

Thomas Schneider von der HOG Holzmengen berichtete von der guten Zusammenarbeit zwischen dem Verein Jugendzentrum Holzmengen, der regelmäßig Aktivitäten in der Kirchenburg in Holzmengen veranstaltet und der HOG. „Als Vertreter dieser Gemeinschaft ist es uns auch bewusst: wie es einmal war zur Zeit als wird da gelebt haben, wird es nicht mehr werden“, sagte Schneider. Man begrüße jede Aktivität, die der Verein vor Ort organisiert und es zeige sich auch, was für einen Erfolg die Veranstaltungen haben. Wichtig fand es Schneider in Bezug auf Holzmengen und der Kirchenburg, dass die Geschichte der Siebenbürger Sachsen weiterhin gepflegt wird.

Eine weitere sehr aktive Gemeinschaft ist diejenige der Abtsdorfer, wo die HOG in Erwägung zieht, mit dem Eigentumsvertreter, dem Kirchenbezirk Mediasch, in ein Vertragsverhältnis zu treten. „Wir haben einen Kreis von 100 Mitglieder und einige davon sind daran interessiert, die Kirche weiterhin zu behalten, zu pflegen und sich darum zu kümmern“, sagte Katharina Stefani von der HOG Abtsdorf. Man sei in Verhandlungen mit dem Kirchenbezirk Mediasch, wobei ein Angebot erhalten wurde, die Kirche auf die Dauer von zehn Jahren zu pachten.

Die Architektin Annemarie Rothe bemerkte, dass das Thema der Kirchen, die nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck gemäß genutzt werden, in Westeuropa schon viel länger akut sei. „Ich glaube, dass der größte Unterschied in meinen Augen ist, dass es in vielen Ländern westeuropas ein großes zivilgesellschaftliches Engagement gibt von Leuten, die gar nicht unbedingt der Institution Kirche angehören und  sich trotzdem um diese Kirchengebäude kümmern und so die verschiedensten Formen der Nutzung gefunden wurden“, sagte Rothe. „Das ist zum Teil gelungen, zum Teil gab es auch heftige Diskussionen, weil es nicht so gut gelungen ist“. Als ein weniger gut gelungenes Beispiel nannte sie eine Dorfkirche, in der in den neunziger Jahren eine Sparkassenfiliale eingebaut wurde. Das schlage bis heute Wellen und werde als negatives Beispiel behandelt.

Die größte Herausforderung in Siebenbürgen ist der ländliche Bereich, wo die Kirchenburgen mit öffentliche Verkehrsmitteln oft nicht leicht zu erreichen sind.  Ein Nutzungserweiterungsprojekt möchte das Team der Stiftung nun selber ins Rollen bringen. Bislang wurden nämlich nur die bereits vorhandenen Projekte baulich begleitet. „Wir haben eigentlich schon vor drei, vier Jahren damit angefangen, uns mit der Church of England und ihren Ideen und Möglichkeiten für aufgelassene Kirchengebäude zu beschäftigen und haben da eine ganz spannende Idee entdeckt, die wir auch hier in den nächsten zwei Jahren in Siebenbürgen übernehmen möchten“, sagte Ruth István. Genauer gesagt geht es um eine Initiative in England über die das Übernachten in Kirchen angeboten wird. Nun wird überlegt, das auch auf Siebenbürgen zu übertragen. In Siebenbürgen gibt es im Umkreis der Kirchen eine Vielzahl von Nebengebäuden wie Türme, Burghüterhäuschen oder Pfarrhäuser, die man für solche Zwecke  gut einsetzen kann. „Wir möchten dieses britische Schema hierher übertragen und werden jetzt an drei Kirchenburgen in den nächsten zwei Jahren arbeiten, so dass wir die Nebengebäude als Übernachtungsmöglichkeiten für Reisegäste und Interessierte zur Verfügung stellen“, sagte István.

In England gibt es Kirchen, wo es die Möglichkeit gibt, direkt im Altarbereich zu übernachten, wo man seine Bedenken haben kann. Die Siebenbürger Sachsen scheinen aber Zurückhaltung zu zeigen, wenn es um derartige Ideen geht. „Eine eins-zu-eins Übertragung würde nicht funktionieren“, meinte Schneider. „Es ist wichtig, dass die Würde des Ortes bewahrt bleibt und nicht verloren geht“.

„In Deutschland kommen die Initiativen in der Regel von den Leuten, die im Dorf wohnen. Das ist glaube ich eines der Hauptunterschiede“, bemerkte Rothe. „Da die Leute, die die Kirchen in Siebenbürgen genutzt haben, nicht mehr da leben oder nur in einzelnen Dörfern, ist es für eine erfolgreiche Nutzung langfristig gesehen unerlässlich, dass es eine Kooperation mit den Leuten gibt, die im Ort leben.“ Die Möglichkeiten der HOGs seien endlich. Außerdem gebe es die Frage, inwieweit sich dieses Engagement auf die nächste Generation übertragen lässt. Ein  Patentrezept für Nutzungserweiterung gebe es nicht. „Es wird immer eine Vielfalt an Möglichkeiten geben und man kann nicht jedes Modell auf jede Kirche in Siebenbürgen übertragen, wo die Situation in den einzelnen Dörfern sehr unterschiedlich ist“. Dass die Kirche als ein heiliger Ort betrachtet werde sei verständlich und deshalb sei es auch wichtig, in irgendeiner Form festzuhalten, was in diesen Kirchen stattfinden darf.

Der Vorschlag, dass sich ausschließlich die HOGs um die Kirchenburgen kümmern sollen, wurde als nicht geeignet eingestuft. „Das ist nicht wirklich eine Variante, weil dann die Kirchenburgen elf Monate im Jahr zu sind und vier Wochen im August offen. Ich finde das Potenzial der Kirchenburgen ist groß, und es ist schade, dass sie so lange im Jahr verschlossen bleiben“, sagte Ruth István. „Man muss sich nicht fürchten, die Pforte der Kirchenburg zu öffnen“, schlussfolgerte Bichler.

Werner FINK

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.