Jüngste Premiere am RST ist ein spannender Beziehungsthriller
Ausgabe Nr. 2715
Lisa holt ihren Ehemann Gilles aus dem Krankenhaus zurück nach Hause. Er hat durch einen Unfall sein Gedächtnis verloren. Doch war es wirklich ein Unfall? Und was für eine Ehe führen die beiden? Nach einem Text des französisch-belgischen Erfolgsautors Eric-Emmanuel Schmitt („Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“) haben Mariana Cămărășan und Amalia Iorgoiu „Mici crime conjugale“ (zu deutsch: „Kleine Eheverbrechen“, Originaltitel: ,,Petits crimes conjugaux“) an der rumänischen Abteilung des Hermannstädter Radu Stanca-Nationaltheaters inszeniert. Die Vorpremiere hat am vergangenen Freitag stattgefunden.
Die Vorstellung fand ohne Publikum statt, wurde jedoch live auf der Plattform „Scena digitală“ gesendet. Diana Fufezan und Adrian Matioc spielen ein langjähriges Ehepaar. Es tut fast weh, den beiden zuzusehen, wie sie sich belügen, streiten, wieder annähern. Szenen einer unglücklichen Ehe.
Ist er wirklich ein Teetrinker? Hat er Lisa betrogen? Ist Lisa überhaupt seine Frau? Und wie kam es zu der Amnesie? Diana Fufezan zeigt in der Rolle der Lisa packend, was es bedeutet, bis zur Selbstaufgabe zu lieben. Sie hat ihren Ehemann Gilles, der scheinbar unter Gedächtnisverlust leidet, aus dem Krankenhaus abgeholt. Gilles will wissen, wie es zu dem Unfall vor zwei Wochen kam. Lisa hat ihre ganz eigene Geschichte dazu: Er sei gestürzt, erzählt sie. Nein, sie habe ihm eine Statue über den Kopf gezogen, nachdem er versucht hätte, Lisa zu erwürgen – so lautet eine weitere Version. Was denn nun, fragt man sich als Zuschauer. Was ist wirklich passiert in dieser tragischen Nacht? Adrian Matioc glänzt in seiner Rolle als Gilles, der fragt und fragt und alles hinterfragt – bis er seinerseits mit seinen Fragen zu viel Wissen preisgibt und sich verrät: Er hat gar keinen Gedächtnisverlust erlitten. Er will der Tragik seiner Ehe auf die Spur kommen. Hat Lisa versucht ihn umzubringen? Ja, das hat sie. Aber aus Liebe. „Ich liebe dich, und das tötet mich“, sagt sie. Das Gefühl, mehr zu lieben, als geliebt zu werden, versucht sie im Alkohol zu ertränken.
Eineinhalb Stunden lang halten die beiden Darsteller die Spannung in diesem packenden Beziehungskrimi. Es ist ein rasantes Spiel auf der Suche nach der Wahrheit, das sowohl komisch als auch dramatisch ist. Das Theaterstück lädt ein, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie weit man in der Liebe für die Liebe nach 15 Jahren Beziehung gehen darf, beziehungsweise gehen sollte.
„Kleine Eheverbrechen“ schrieb Eric-Emmanuel Schmitt (Jahrgang 1960) im Jahr 2003, die Erstaufführung erfolgte im gleichen Jahr mit Charlotte Rampling und Bernard Giraudeau im Théatre Edouard VII in Paris. Das Stück war über Monate ausverkauft.
Eric-Emmanuel Schmitt ist bereits mit zahlreichen Preisen für seine Meisterwerke bedacht worden, u. a. ehrte ihn im Jahr 2000 die Académie Francaise mit dem Grand Prix du Théatre für sein Gesamtwerk und 2004 erhielt er für seine Erzählung „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ den Großen Publikumspreis in Leipzig und den Deutschen Bücherpreis.
„Mici crime conjugale“ wird im Monat Mai als Film für den Preis von 30 Lei online auf der Plattform https://scena-digita la.ro zu sehen sein.
Cynthia PINTER