25 Jahre deutschsprachige Studienangebote an der Babeș-Bolyai-Universität
Ausgabe Nr. 2701

Theaterpädagogik spielt eine große Rolle beim Erlernen der deutschen Sprache. Unser Foto: Abschlussvorstellung der Studierenden der Grundschulpädagogik in deutscher Sprache von der UBB 2017 im Festsaal der Astrabibliothek in Hermannstadt. Foto: Ruxandra STĂNESCU
Dass in Klausenburg in deutscher Sprache studiert werden kann – dabei denke ich auch an den deutschsprachigen Studiengang an der Technischen Universität, der bereits im Vorjahr sein 25. Jubiläum gefeiert hatte – ist der historisch gewachsenen Plurikulturalität der Stadt wie auch Siebenbürgens, der ihr verpflichteten Vielfalt akademischer Tradition zu verdanken. Die damit pragmatisch verbundene Weitsicht, in der Überzeugung, dass Vielfalt Chance bedeutet, wird durch das 25-jährige Bestehen bestätigt. Es zeugt davon, dass die gedeihlichsten Regionen dieser Welt gerade die sind, in denen mehrere Kulturen zusammentreffen und im synergetischen Austausch zusammenleben: Eine kontrapunktische Situation, in der jede Stimme zum Ausdruck kommt, um sich so mit einer eigenen Identität behaupten zu können und sich harmonisch in einer funktionierenden Ganzheit zu integrieren. Das lehrt die Musik, das stellt die multikulturelle Babeș-Bolyai-Universität unter Beweis.
Man denkt an die Zukunft und schickt seine Kinder in den deutschsprachigen Kindergarten, anschließend in die deutsche Schule, man besucht Sprachkurse, der deutschsprachige Privatunterricht boomt. Deutsch wird heute vor allem in Verbindung mit der Erwartung gelernt, auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen zu haben, unter Umständen im deutschen Sprachraum einen Arbeitsplatz zu finden. Die deutschsprachigen Studiengänge, ihre Zusammenarbeit mit den Firmen und Einrichtungen vor Ort machen es jedoch möglich, dass eine Zukunft nicht in der Fremde, sondern auch in Klausenburg bzw. in Siebenbürgen gefunden werden kann!
Die Garantie eines Fortbestehens deutschsprachiger Studienrichtungen ist nicht allein die Qualität angebotener Studienfächer, sondern, sogar vor allem, das Vorhandensein gut Deutsch sprechender jungen Leute. Egal wie man die Angelegenheit betrachtet, es gibt keine gut Deutsch sprechender Nachwuchs wie auch keine Fortführung deutschsprachiger Tradition und Kultur ohne den Erhalt deutschsprachiger Schulen, des deutschsprachigen Unterrichtes allgemein und der Qualität ihrer Leistungen, ohne nachhaltig breitgestreute, komplementäre Angebote informeller und non-formaler Bildung in deutscher Sprache. Daher gilt es nicht allein, dafür nachhaltig Sorge zu tragen, dass die Qualität angebotener Studienfächer in deutscher Sprache bestehen bleibt, sondern dass sich die Hochschulen auch für die Qualität deutschsprachiger Schulen, des deutschsprachigen Unterrichts landesweit konsequent einsetzen und das damit zusammenhängende Geschehen verfolgen. Denn zwischen der deutschsprachigen Studienrichtungen und den deutschsprachigen Schulen, dem deutschsprachigen Unterricht gibt es einen synergetischen Zusammenhang: Sie bedingen und brauchen sich gegenseitig.
Das Unterrichtswesen ist Hoheitsbereich des Staates, für die Bedingungen, unter denen die Schulen funktionieren, für die Attraktivität des Lehrerberufes kann sich eine Universität einsetzen, unter Umständen mittelbar wirken, mehr jedoch nicht. Daher sprechen wir an dieser Stelle vor allem die Conditio sine qua non, die Aus- und Fortbildung von Deutschlehrerinnen und -lehrern, an, die unmittelbar in der Verantwortung der Hochschulen liegt. Denn Lehrerinnen und Lehrer sind Vermittler und Multiplikatoren par excellence! Die Lehrerausbildung ist kein akademisches Aschenputtel! Es kann auch nicht Aufgabe einiger Förderinstitutionen aus dem deutschsprachigen Raum sein, die dafür verantwortlichen Stellen von ihren Verpflichtungen zu befreien bzw. Untätigkeit zu kompensieren.
Und weil wir heute das 25jährige Jubiläum der deutschsprachigen Studienrichtung preisen, erwähnen wir in gleichem Zuge die Ausbildung von deutschsprachigen Fachlehrerinnen und -lehrer, die die deutschsprachigen Schulen bitter notwendig haben. Sie muss zur Priorität ggf. zur überlebensnotwendigen „Baustelle“ deutschsprachiger Studienrichtungen wie auch der deutschsprachigen Schulen werden! Es muss allen bewusst werden, dass man letztendlich in einem Boot sitzt!
Im Vortrag des Philosophen Peter Bieri zum Thema ,,Wie wäre es, gebildet zu sein“ heißt es: „Bildung ist etwas, das Menschen mit sich und für sich machen: Man bildet sich. Ausbilden können uns andere, bilden kann sich jeder nur selbst. Das ist kein bloßes Wortspiel. Sich zu bilden, ist tatsächlich etwas ganz anderes, als ausgebildet zu werden. Eine Ausbildung durchlaufen wir mit dem Ziel, etwas zu können. Wenn wir uns dagegen bilden, arbeiten wir daran, etwas zu werden – wir streben danach, auf eine bestimmte Art und Weise in der Welt zu sein.“ Das prägt dann die Persönlichkeit und den Charakter. Es ist auch nicht unbedingt die Bildung, durch die sich die Menschen unterscheiden, sondern der eigene Wunsch, sich zu bilden. Diesen Wunsch zu wecken, ist Aufgabe und Kunst von Lehrerinnen und Lehrern, Pädagogen und Pädagoginnen.
Die lückenhaften Sprach- und Fachkenntnisse, die so oft bei den Schulabsolventinnen und -absolventen moniert werden, können im Laufe der Zeit von den ausbildenden Institutionen kompensiert werden. Die fehlende, vor allem emotionale Bildung, das, was die wesentlichen existentiellen, organischen Tiefen menschlichen Daseins betrifft, das, was man als humanistisches Segment gesellschaftlichen Daseins bezeichnet, das kann leider kaum noch behoben werden: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr … Diesen Mangel rechtzeitig anzugehen, gilt als gesellschaftlichen Beitrag und Mehrwert dessen, was wir als Kultur bezeichnen. Denn die drohende Anästhetik der industriegesellschaftlichen Entwicklung, die Entsinnlichung der Datenverarbeitungswelt (Theodor W. Adorno), ihre mangelnde, emotionale, zwischenmenschliche Bindung, machen es sogar zur Notwendigkeit, dem Trend durch eine im ursprünglichen Sinne des Sinnenhaften verstandene ästhetische Bildung entgegenzusteuern. Dadurch wird man über die Sprach- und Kulturpflege auch einem zivilgesellschaftlichen Auftrag gerecht.
Es stellt sich die Frage, was das mit einer deutschsprachigen Studienrichtung zu tun hat? An der Oberfläche nicht viel, in der Tiefe, dort wo sich das Wesentliche menschlichen Daseins und der Bezug zu den Daseinsgrundlagen abspielen, ist das Ganze langfristig von gesellschaftlicher Bedeutung. Denn auch wenn der Markt nochmal so viele gut ausgebildete Fachkräfte, Wirtschaftsleute, Managerinnen und Manager, Informatikerinnen und Informatikern usw. heiß begehrt und die Studienrichtung sich dadurch als Ausbildungsstätte in ihrem Dasein weit und breit bestätigt, braucht diese vorerst Studienanwärter, die die deutsche Sprache beherrschen.
Die deutschsprachige Studienrichtung braucht jedoch nicht allein Studierende, die gut Deutsch sprechen, sondern auch junge Leute, die über die dingliche Unmittelbarkeit und die Selbstverständlichkeit des Anspruchs stehen. Sie braucht junge Leute, die dem Wesen des Menschlichen und dem empathischen, bindenden und rücksichtsvollen Umgang miteinander, verbunden sind. Denn, so der Philosoph Richard David Precht, „in der Geschichte der Menschheit diente die Technik dem Menschen zum Überleben, die Kultur zum Zusammenleben.“ Dem sollten wir uns über die deutsche Sprache und der von ihr getragenen Kultur zusätzlich verpflichtet fühlen. Diesen Aspekt erlaube ich mir mit den Worten Albert Einsteins zu untermauern, verständlich zu machen bzw. ins Bewusstsein zu holen: „Ich fürchte den Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit überholt. Die Welt wird dann eine Generation von Idioten sein.“
Daher gilt als Oberschrift des deutschsprachigen Schul- und Hochschulwesens der Grundsatz Kultur und Bildung als „Kollateralerfolg“ des Spracherwerbs und der Sprachpflege und in gleichem, abrundendem Zuge, Kultur- und Bildungsangebote als Anreiz zum Spracherwerb und Anlass zur Sprachpflege.
Respekt, Anerkennung und selbstverständlich herzlichen Glückwunsch!
Eugen CHRIST