Niedrigste Wahlpräsenz seit 1989

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PSD hat landesweit die meisten Stimmen erhalten, in Bukarest führt USR-Plus

Ausgabe Nr. 2702

Der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț – hier beim Wahlgang am Sonntag in Temeswar – hat ein neues Mandat in der Abgeordnetenkammer des Rumänischen Parlaments erzielt. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) hat seine Kandidaten in allen Landkreisen aufgestellt und erzielte über 7500 Stimmen. 2016 waren es 12.254.          Foto: Adrian ARDELEAN

Die Sozialdemokratische Partei (PSD) hat die Parlamentswahlen am 6. Dezember d. J.  mit knapp 29 Prozent der Stimmen gewonnen, sowohl für den Senat als auch für die Abgeordnetenkammer. Die große Überraschung kam von AUR, der Allianz für die Vereinigung der Rumänen (Alianţa pentru Unirea Românilor), einer rechtsextremen Partei, die mit rund 9 Prozent der Stimmen ins Parlament zieht. Der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ hat ein neues Mandat für die Abgeordnetenkammer gewonnen.

Die Wahlen am 6. Dezember hatten die niedrigste Teilnahme bei einem Wahlgang in Rumänien nach 1989: 33,24 Prozent der Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben. Bei den Parlamentswahlen 2016 waren es noch 39,49 Prozent der Wahlberechtigten.

Laut der am Mittwochabend veröffentlichten Endergebnisse werden 5 Parteien Abgeordnete und Senatoren ins Parlament schicken. Deren genaue Anzahl wird nur nach der Umverteilung der Stimmen bekannt gegeben. Für die Abgeordnetenkammer hat die PSD 28,90 Prozent der Stimmen erhalten. Die  Nationalliberale Partei (PNL) hat 25,19 Prozent erhalten, gefolgt von der Allianz USR-Plus (15,37 Prozent). AUR hat 9,80 Prozent der Stimmen erhalten und die UDMR 5,74 Prozent. Die PMP (Partidul Mişcarea Populară) des Ex-Staatspräsidenten Traian Băsescu hat mit 4,82 Prozent der Stimmen die legale Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft. Enttäuscht wurde auch Ex-Premierminister Victor Ponta, dessen Partei Pro România nur 4,12 Prozent der Stimmen erhalten hat, trotz der kurzfristigen Fusion nach den Lokalwahlen im September mit ALDE, der Partei des Ex-Premierministers Călin Popescu Tăriceanu. Wenn Ponta bereits in der Nacht nach den Wahlen auf Facebook angekündigt hat, dass es Zeit sei, sich neuen Projekten und der Familie zu widmen, rechnete Băsescu doch noch mit einem überraschenden Einzug ins Parlament, nachdem alle Stimmen gezählt werden.

Beim Senat sehen die Zahlen ähnlich aus: PSD – 29,32 Prozent, PNL – 25,58 Prozent, USR-PLUS – 15,86 Prozent, AUR – 9,17 Prozent, UDMR – 5,89 Prozent. Den Einzug in den Senat knapp verpasst haben die PMP mit 4,90 Prozent und Pro România mit 4,16 Prozent.

Am Abend nach den Wahlen hat Premierminister Ludovic Orban sein Amt niedergelegt. Gesprochen wird zur Zeit auch von der Möglichkeit, dass Orban nach dem Abschluss der Verhandlungen auch von der Leitung der Partei zurücktreten würde. Auch PMP-Chef Eugen Tomac hat sich aus der Leitung der Partei zurückgezogen.

Staatspräsident Klaus Johannis hat den General in Reserve Nicolae-Ionel Ciucă, Armee-Minister im Orban-Kabinett, als Premierminister ad interim designiert. Ciucă muss die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung führen. Trotz der erhaltenen Mehrheit, wird die PSD wahrscheinlich in die Opposition gehen, denn PNL, USR-Plus und UDMR verhandeln zur Zeit über eine Regierungskoalition. AUR hat bereits angekündigt, keine Koalitionen machen zu wollen.

Die Verhandlungen werden nicht einfach sein, denn die Allianz USR-Plus will auf mehrere eigene Projekte nicht verzichten, wie zum Beispiel auf die Projekte „Ohne Vorbestrafte in öffentlichen Ämtern” und die Streichung der Sonderrenten der Parlamentarier. Auch die Vorschläge für das Amt des Premierministers gehen auseinander:  Laut Gerüchten würden die Liberalen den Karriereoffizier Ciucă auch weiterhin bevorzugen, wobei die Allianz  USR-Plus Dacian Cioloş ernennen würde, der schon von 2015 bis 2017 eine Technokraten-Regierung geleitet hat. Cioloş könnte allerdings auch einen Posten als Vizepremierminister annehmen. Sein Allianz-Kollege Dan Barna kämpft hinter verschlossenen Türen, ebenfalls laut der Bukarester Presse, für das gleiche Amt wie Orban: die Präsidentschaft der Abgeordnetenkammer. Dabei sind auch die Allianz-Wähler über die Ergebnisse unzufrieden und haben teils verlangt, dass Barna auf seine Copräsidentschaft der Allianz verzichtet. Auch wenn es inzwischen einigermaßen klar ist, wie viele Ministerien jede Partei haben soll (PNL 8, USR-Plus 5 und UDMR 3), sollen auch diese verhandelt werden, denn manche Ministerien sind begehrter.

Auf jeden Fall hoffen alle Teilnehmer, dass bis Ende des Jahres die neue Regierung bereits steht, denn es ist dringend notwendig, dass man bestimmt, wie der Staatshaushalt für das folgende Jahr aussehen wird.

Auch wenn AUR keine Allianz eingehen will, hat diese Partei bereits angekündigt, dass sie plane, die Amtsenthebung des Staatspräsidenten zu beantragen, da dessen Wunsch, seine eigene Regierung zu bilden, illegal sei. Die PNL hat nur 25 Prozent der Stimmen erhalten, da müsste die PSD die Regierung bilden. George Simion, einer der Copräsidenten, hat erklärt, sie wollen 1-2 Wochen warten, aber wenn die PSD keine Maßnahmen ergreifen würde, werde die AUR eingreifen. Simion ist in den letzten Jahren u. a. als Ultra (aggressiver Fussball-Fan) aufgefallen. Verteter der Parteien, Analysten und auch das Publikum waren von den Ergebnissen überrascht, da die einjährige Partei bei den Lokalwahlen im September etwa ein Prozent der Stimmen erhalten hat, um jetzt neun Prozent zu erreichen. Viele der Stimmen kamen aus der Diaspora, insbesondere aus der Republik Moldova, allerdings hat die rechtsextreme Partei auch im Land viele Wähler überzeugt: Suceava 14,71 Prozent, Constanţa 14,24 Prozent, Arad 13,67 Prozent (Senat). In Hermannstadt haben sich 8,9 Prozent der Wähler für AUR entschieden. Dabei hat die Partei nach den Wahlen sogar mehr Fans gewonnen, 15.000 Personen haben sich in den ersten 24 Stunden nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse in die Partei eingeschrieben, ist auf der Internetseite der Partei zu lesen. AUR gilt als extremistische, radikale, ultranationalistische, anti-europäische Partei mit legionären Visionen, in vielen Beziehungen ähnlich anderer rechtspopulistischen Parteien in der EU, wie z. B. die Alternative für Deutschland (AfD). AUR hat – wie die AfD – eine frauenfeindliche Politik, will „die Familienwerte” verteidigen und kämpft gegen die sexuelle Erziehung in den Schulen, gegen gleichgeschlechtliche Ehen und für das Verbot von Abtreibungen. Sie haben in den letzten Wochen landesweit die Bewegungen gegen das Tragen der Maske unterstützt. Gewachsen ist die Partei insbesondere durch eine starke Online-Präsenz, mit Fokus in den sozialen Netzwerken. Bereits in den ersten Stunden nach dem Wahlschluss hat Simion erklärt, dass die UDMR als Partei nicht existieren dürfte. Die UDMR-Vertreter erlärten ihrerseits, dass im rumänischen Parlament die Extremisten nichts zu suchen hätten, man werde aber versuchen, damit zu leben.

Zu der Abgeordnetenkammer gehören auch die Vertreter  der nationalen Minderheiten. Ovidiu Ganţ, Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) hat unter den Vertretern der Minderheiten die drittmeisten Stimmen erhalten. Auch wenn die Anzahl der Stimmen nicht feststeht, sicher ist, dass Ganţ genügend Wähler für sich gewinnen konnte.

In Bukarest hat die Allianz URS-Plus die meisten Stimmen erhalten (31,77 Prozent), gefolgt von der PSD (27,13 Prozent) und an dritter Stelle von der PNL (21,41 Prozent). Die Ergebnisse kamen überraschend für die PNL, zumal im September die Wähler sich gegen die PDS-Kandidatin Gabriela Firea entschieden hatten.

Bei der Abgeordnetenkammer hat landesweit die PSD in den meisten Landkreisen gewonnen (23), gefolgt von der PNL (12), UDMR (4) und USR-Plus (2). Im Senat sieht es ähnlich aus: PSD 22 Landkreise, PNL 13 Landkreise, UDMR 5 Landkreise und USR-Plus 2 Landkreise.

In Hermannstadt hat die PNL 41,64 Prozent der Stimmen erhalten, gefolgt von USR-Plus (22,46 Prozent) und PSD (13,70 Prozent).

Ruxandra STĂNESCU

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Politik.