Enttäuschung zu Weihnachten

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Weihnachtsbotschaft von Bischof Reinhart Guib

Ausgabe Nr. 2703

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein Jahr geprägt von Enttäuschungen, von zerbrochenen Hoffnungen, von Dunkelheit neigt sich dem Ende zu. Wie wird das Weihnachtsfest? Und was kommt danach, fragen wir uns? Die Geschichte vom Hirten und dem Licht will uns zur Hand nehmen:

Als die Hirten nach Bethlehem zogen, blieb einer von ihnen zurück. „Irgend jemand muss doch nach den Tieren sehen“, sagte er, als die anderen ihn fragten, ob er nicht doch mitkommen wolle. Die Wahrheit aber war, dass er sich vor der Enttäuschung fürchtete. Er hatte schon oft erlebt, wie rasch Hoffnungen zerbrechen.

So beruhigte er die Tiere und sah den Gefährten nach, wie sie in der sternenklaren Nacht zum Dorf gingen. Er meinte auch, einen Lichtschein zu sehen, der sie erwartete. Doch bald entdeckte er ganz in seiner Nähe ebenfalls ein Licht. Woher es kam, konnte er sich nicht erklären. Sollte es ein Irrlicht sein? Aber es tanzte nicht vor seinen Augen. Es stand ganz ruhig und klar. Da erwachten die alten Sehnsüchte in ihm, das Verlangen nach Klarheit, die Hoffnung, mit der Vergangenheit fertig zu werden, die Sehnsucht nach Liebe und Glück. Darum versuchte er, das Licht zu ergreifen. Doch als er sich nähern wollte, wich es vor ihm zurück. Er eilte ihm nach. Er versuchte es in seine Hand zu bekommen. Am Ende geriet er jedoch ins Gestrüpp und die Dornen zerrissen seine Haut. Als später die Hirten strahlend zurückkamen und seine blutenden Hände sahen, fragten sie ihn, was denn geschehen war. Bitter erzählte er ihnen, wie ein Licht vor ihm aufgeleuchtet sei. „Ich wollte es ergreifen“, sagte er, „aber es entzog sich mir immer wieder.“ Doch da antwortete einer, der noch älter war als er und dessen Gesicht von innen leuchtete: „Solange du das Licht fassen willst, wirst du es nicht erlangen. Betrachte es, staune darüber, und wenn du siehst, dass es von Gott kommt, bete es an. Dann wird es auch dich durchdringen.“

Die Weihnachtsbotschaft von Bischof Reinhart Guib, die am Donnerstag, den 24. Dezember, in der deutschen AKZENTE-Sendung auf TVR 1 (15.10-17 Uhr) ausgestrahlt wird, wurde schon am 7. Dezember im Innen- hof des Bischofshauses in Hermannstadt aufgenommen. Unser Bild: Bischof Reinhart Guib und seine Gattin Henriette Guib zünden die Kerzen an dem Adventskranz an. Foto: Beatrice UNGAR

Viele Vorhaben und Pläne, Hoffnungen und Lichtblicke haben sich uns 2020 zerschlagen, oder sie sind ganz anders geworden als gedacht. Wir stehen da zu Weihnachten mit zwei Händen voller Fragen und Sorgen. Wie beim ersten Weihnachtsfest!

Ungewissheit, Enttäuschungen, Armut und Dunkelheit umgaben die Geburt des Heilandes. Trotzdem hat Gott all diese negativen Voraussetzungen in seinen Liebesplan mit uns Menschen integriert. Christus ist geboren, das Licht ist erschienen. Hirten und Weisen beteten es an. Auch wenn wir es nach solch einem Jahr kaum fassen können will uns Weihnachten einladen gemeinsam mit unseren Lieben das Wunder der Liebe Gottes zu betrachten. Über Gottes Spuren von Schutz und Bewahrung in unserem Leben zu staunen. Das Licht in Jesus Christus anzubeten. Dem Frieden, der Hoffnung und Freude Raum geben in uns, über Weihnachten und ins Neue Jahr hinein. Vertrauen! Gott wird alles zum Guten wenden. Anders. Ungewöhnlich. Unfassbar. Aber durchdringender. Von Herzen zu Herzen.

Ein herzliches Weihnachtsfest und ein lichtvolles Jahr 2021 wünscht

Euer

Reinhart GUIB,

Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.