Podiumsgespräch zum 70. Gründungsjubiläum der Siebenbürgischen Zeitung
Ausgabe Nr. 2703
In diesem Jahr begeht die Siebenbürgische Zeitung ihr 70-jähriges Bestehen. Ihre erste Ausgabe erschien im Juni 1950, nachdem ein Jahr zuvor der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e. V. ins Leben gerufen worden war.
Eine Online-Diskussion über Aspekte der Vergangenheit aus 70 Jahren Siebenbürgische Zeitung, aber auch über die gegenwärtige Situation und zukünftige Perspektiven für ein verbandliches Presseorgan, das sich heute selbst als „Zeitung der Gemeinschaften der Siebenbürger Sachsen“ definiert, fand am 25. November statt und kann auch jetzt auf Youtube unter dem Link https://www.youtube.com/watch?v=P-s6knfYOo0 angesehen werden.
An der spannenden Diskussion nahmen teil als Moderator Dr. Tobias Weger, Historiker und seit 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der LMU München, sowie die Gäste Hannes Schuster, ehemaliger Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung, Beatrice Ungar, Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung und Dr. Manuel Menke, Kommunikationswissenschaftler und Assistant Professor an der Universität in Kopenhagen. Alle Diskussionspartner waren live zugeschaltet.
Das Gespräch begann mit einer kurzen Einleitung des Moderators, in der er Fritz Heinz Reimesch, den ersten Bundesvorsitzenden des Verbands der Siebenbürger Sachsen – der damals noch ,,Landmannschaft“ hieß – zitierte, der im Geleitwort zur ersten Nummer der Siebenbürgischen Zeitung sagte: „Im Chor der Vertriebenen und Flüchtlinge ist endlich auch unsere Stimme laut geworden. Sie wird nicht zu überhören sein, wenn wir uns noch fester und zahlreicher zusammenschließen. Unseren Verband bei diesem Zusammenschluss zu unterstützen, wird eine der wesentlichsten Aufgaben der ‚Siebenbürger Zeitung‘ sein, die wir von nun an monatlich jedem Siebenbürger kostenlos zusenden. Ich begrüße ihr Erscheinen und hoffe, dass sie gerade die vielen über ganz Westdeutschland verstreut lebenden Landsleute von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses und des Beitritts in ihre landsmannschaftliche Organisation überzeugen wird.“
Binnen 70 Jahren hat die Zeitung nicht nur ihr Layout modernisiert und den Rhythmus ihres Erscheinens verändert. Auch die Gruppe ihrer Rezipienten hat sich in dieser Zeit immer wieder gewandelt: Neben der von Reimesch 1950 noch ausschließlich in den Blick genommenen „Vertriebenen und Flüchtlingen“ kamen aus Siebenbürgen in unterschiedlichen Phasen auch Aussiedler und Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland. Ihr Erfahrungshorizont war ein anderer als derjenige der Menschen, die unmittelbar nach Kriegsende Siebenbürgen verlassen hatten. Die journalistischen Inhalte mussten den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer Zielgruppe angepasst werden.
Der aus Niedersachsen zugeschaltete Hannes Schuster, der zwischen 1965 und 1987 bei der Karpatenrundschau in Kronstadt tätig war, erzählte als erster über seine Erfahrungen mit der Zensur in der Redaktionsarbeit der 1970-er Jahre, sowie über Kompromisse, die er mit seinen Kollegen eingehen musste.
Beatrice Ungar, die seit 2014 auch Präsidentin des Mediennetzwerks Internationale Medienhilfe ist und live aus Hermannstadt zugeschaltet wurde, erinnerte sich an den ersten Kontakt zur Siebenbürgischen Zeitung(SbZ) 1990, als Artikel aus der SbZ mit deren Logo in der Hermannstädter Zeitung erstmals übernommen wurden, sowie an Dankwart Reissenberger, den ehemaligen Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, der im Zusammenhang mit dem Genscher-Besuch im Januar 1990 der Hermannstädter Zeitung ein Interview gewährt hatte und Folgendes sagte: „Bedauerlicherweise ist wohl eine korrekte Information über die Zielsetzung der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in der deutschsprachigen Presse Rumäniens früher nicht möglich gewesen“. Seither aber gäbe es laut Beatrice Ungar eine gute Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von der Siebenbürgischen Zeitung, vor allem seit es ab 1993 einen ständigen Korrespondenten der SbZ in Rumänien gibt, der vor Ort aus Siebenbürgen direkt berichtet.
Auf die Frage, ob die Print-Ausgabe einer solchen Zeitung, die regelmäßig in einer gewissen Auflage gedruckt und an die Verbandsmitglieder verschickt wird, heute überhaupt noch zeitgemäß ist, antwortete Dr. Manuel Menke, der u. a. zu den Themen „digitale Öffentlichkeiten“, „Mediennostalgie“ und „digitales Erinnern“ forscht: „Wir sehen das in allen medialen Bereichen, dass der Weg zum Online-Bereich stärker wird, aber der entscheidende Punkt ist auch, dass eine Zeitung eine gewisse Materialität mit sich bringt. Dieses Gemeinschaftsgefühl, das über so ein gedrucktes Medium hergestellt wird, ist etwas Besonderes, vor allem, wenn eine Zeitung regelmäßig ins Haus kommt.“
Im Abschluss der Diskussionsrunde kam die Frage auf, wie zukunftsfähig Nostalgie im Jahre 2020 sei, bezogen auf die Siebenbürgische Zeitung.
Mehnke erklärte dazu: „Nostalgie ist nicht nur die Erinnerung an eine bestimmte Zeit, sondern da gehört die emotionale Ebene dazu, die ganz viel von dem Gemeinschaftssinn ausmacht. Ohne Gemeinschaftsgefühl wird es schwer für Gemeinschaften, zusammen zu halten, wenn sie getrennt werden. Nostalgie ist ein produktiver Umgang mit Vergangenheit und Gemeinschaft, man muss nur die richtige Balance finden.“
Hannes Schuster meinte dazu: „Die Siebenbürgische Zeitung ist zusammen mit dem Internetauftritt das wichtigste Mittel gruppenspezifischer Kommunikation und Selbstdarstellung, das sollte die Redaktion auch in Zukunft nie vergessen. Und das muss man leisten. Die Redaktion sollte ihren Teil aus dem Verbandsleben, der sich mit dem Leben und den Aktivitäten der Mitglieder beschäftigt, keinesfalls vernachlässigen, auch in Zukunft nicht. Er ist für die Gemeinschaft, der zu dienen ist, lebenswichtig.“
Wir, die Redakteur/innen der Hermannstädter Zeitung wünschen unseren Kolleginnen und Kollegen von der Siebenbürgischen Zeitung zum 70. Geburtstag viel Schaffenskraft und spannende Themen für mindestens weitere 70 Jahre.
Cynthia PINTER