US-Nobelpreisträgerin mit europäischen Wurzeln
Ausgabe Nr. 2698
Die Literatur-Nobelpreisträgerin 2020, Louise Glück (auch Glueck), ist eine in Europa weniger bekannte und übersetzte US-amerikanische Lyrikerin und Essayistin. Sie wurde 1943 in New York City geboren und durch die Eltern schon früh zur Beschäftigung mit schöngeistiger Literatur geführt. Die Wurzeln ihrer Familie liegen in Europa, mütterlicherseits sind es russisch-jüdische Vorfahren, väterlicherseits werden sie im damaligen (Österreich)Ungarn angegeben.
Es handelt sich bei den Glück- und Feldmann-Vorfahren laut Tribuna românească (Chicago) um seinerzeit bekannte, strenggläubige und wohlhabende jüdische Händler- und Unternehmer-Familien („Glück & Feldmann“) in dem früheren Marktflecken im Kreischgebiet, der heute vielen Rumänien-Reisenden bekannt ist als das Städtchen Valea lui Mihai/Érmihályfalva (Kreis Bihor), unweit des Grenzübergangs gleichen Namens.
Die Glück-Großeltern waren mit ihren sechs Kindern als „ungarische“ Juden über Hamburg nach Amerika ausgewandert, wo sie 1913 die Staatsbürgerschaft erhielten.
Louise Glück ist nach 27 Jahren die erste US-Nobelpreisträgerin für Literatur. Verliehen wurde ihr der Preis für ihre „unverwechselbare poetische Stimme“. Im Münchner Luchterhand Literaturverlag erschienen zwei ihrer Gedichtbände auf Deutsch: 2007 „Averno“ und 2008 „Wilde Iris“. Die Schriftstellerin Ulrike Draesner hat die Bände übersetzt.
Luzian GEIER
Die nächtlichen Wanderzüge
Dies ist der Augenblick, in dem du
die roten Beeren der Eberesche wiedersiehst,
und am dunklen Himmel
die Vögel beim nächtlichen Wanderzug.
Es bedrückt mich zu denken,
dass die Toten sie nicht sehen –
diese Dinge, die uns selbstverständlich sind,
sie entschwinden.
Was wird die Seele dann tun, um sich zu trösten?
Ich sage mir, vielleicht braucht sie
diese Freuden nicht mehr;
vielleicht ist es einfach genug, nicht zu sein,
so schwer vorzustellen das auch ist.
Louise GLÜCK
(Aus: AVERNO. Gedichte, Luchterhand 2007; Übersetzung aus dem Amerikanischen von Ulrike Draesner)
Louise Glück
Glück
Wer so heißt
Kann nur Poetin werden ist es von Beginn
Nicht weil die amerikanische Verfassung davon spricht
Vom Glück
Von der Chance von der unglaublichen Möglichkeit Glück zu erreichen
Denn Glück ist Vorstellung des Lebens
Des Lebens außerhalb des Lebens
Im Scheinwerferkegel eigener Worte
Des Lebens innerhalb der Todeszonen
Die nur verlassen werden können im Gedicht
Im Gesprochenen und in Sätzen die das Verschwiegene umkreisen
Die niemanden meinen niemanden bestimmen
Die ein Wörterleben haben
Das Atem zufächelt
Louise Glück sagte nobel-gerührt
Sie lebe in ihren Büchern mit diesen sei sie gerne zusammen
Kunst ist Einsamkeit erkannte auch Fernando Pessoa
Und auch Einzig die Prosa lässt sich verbessern. Der Vers nie
Und später
Wenn jemand nach seinem Tode einen schönen Vers hinterlassen hat
Dann hat er Himmel und Erde reicher gemacht
So unverschämt können nur Dichter sein
Die Erfinder der Welt hinter den Welten
Matthias BUTH