Zu der Jahreszeit „Herbst“ im Siebenbürgisch-Sächsischen
Ausgabe Nr. 2699
„Herbst“ ist die Jahreszeit zwischen Sommer und Winter vom 23. September bis 21. Dezember auf der nördlichen Halbkugel. Das Wort „Herbst“ ist im Siebenbürgisch-Sächsischen in zahlreichen Lautformen bezeugt; z. B. ist südsiebenbürgisch die Lautform „härwǝszt“ häufig anzutreffen sowie „hiärwǝszt“; nordsiebenbürgisch „hiarwǝszt“, neben „härbǝszt“, „heabǝszt“, auch „härǝszt“ mit -w- oder -b- Ausfall. Diese Jahreszeit ist zunächst als Terminbestimung verbunden mit Redensarten und Bauernregeln belegt.
Es ist die Zeit, in der man schon mit eintretender Kälte rechnen kann, darauf deutet der Beleg: „dǝr herwǝszt kit, ǝt wit bōlt gǝfrǟsǝn“ (,der Herbst kommt, es wird bald gefrieren‘; Bonnesdorf, südsiebenbürgisch); die fleißige Hausfrau beginnt die Kammer mit Wintervorräten zu füllen: „ǝm sumǝlt sik jo /Wintervorräte/ äm hiarwǝszt bait hausz“ (etwa in dem Sinn: ,man sorgt dafür, dass man im Haus Wintervorräte hat‘; Bistritz, nordsiebenbürgisch); in diesem Sinn auch die Frage: „hōsztǝ än desǝm härwǝszt kēipǝn ägǝkōcht?“ (,hast du in diesem Herbst Kippen/Hagebutten eingekocht‘; gemeint ist: ,hast du in diesem Herbst schon Hagebuttenmus eingekocht?‘; Rosenau, südsiebenbürgisch); auch Hochzeiten finden in dieser Jahreszeit statt: ,,dǝ brȫlftǝ“ /Brautläufe, im Sinne von Hochzeiten/ ,,wardǝn eäm harwǝszt gǝmącht“ (,die Hochzeiten werden im Herbst gemacht‘; Petersdorf/Marktschelken, südsiebenbürgisch); dazu auch eine anschauliche Redensart, die besagen will, dass die vielen Hochzeitfeierlichkeiten auch Anlass zu viel Gerede geben können: „dǝr hierwǝszt kit, dǝ guisz flachǝ, dǝ frauǝ lachǝ“ (wörtlich: ,der Herbst kommt, die Gänse fliegen, die Frauen lügen; gemeint ist ,die Frauen tratschen‘; Birk, nordsiebenbürgisch); eine Bauernregel deutet darauf, dass viele Spinnweben einen langen Herbst ansagen: „dǝ špiǝwätn tsǝi sich, ǝt wid a ląngk hǝibǝszt sai“ (,die Spinnweben ziehen sich, es wird ein langer Herbst sein‘; Jaad, nordsiebenbürgisch); eine andere Bauernregel will verdeutlichen, dass die Voraussetzung für das gute Überwintern des Weizens folgende ist: „wun dǝt kōrn sich am hiabǝszt gaut bǝgrǝift, dǝnō šuat ǝm och dǝr wantǝr naszt“ (,wenn das Korn sich im Herbst gut anfühlt /gut Wurzel fasst/, dann schadet ihm auch der Winter nicht, es überwintert gut‘; Weilau, nordsiebenbürgisch). Andere Belege beinhalten die Bedeutung ,Weinlese‘, mit Angabe des Termins derselben: Es heißt: „mät dǝm siwǝntǝn oktōbǝr fǝit dǝr harwǝszt un, ǝn däuǝrt bäs ācht tuǝch“ (,mit dem siebenten Oktober beginnt die Weinlese und dauert bis zu acht Tagen‘; Nimesch, südsiebenbürgisch); dazu die Wendung, als Antwort auf die Frage, wohin gefahren wird: „mǝr selǝn än härbǝszt fōrǝn“ (,wir sollen in die Weinlese fahren‘; Bulkesch, südsiebenbürgisch), begleitet von guten Wünschen der Vorbeigehenden: „mǝr wäntšǝ gläk tsǝm rēchlichǝn harwǝszt“ (,wir wünschen Glück zur reichen Weinlese‘; Meschen, südsiebenbürgisch), oder „dǝr himǝšfetǝr gąf an gaun hiarbǝszt“ (,der Himmelsvater gebe eine gute Weinlese‘; Weilau, nordsiebenbürgisch); dann auch scherzhaft in Redensarten: So kann zum Beispiel, wenn es donnert, gesagt werden: „dǝr hergot fiǝrd än härwǝszt“ (,der Herrgott fährt in die Weinlese‘; Kleinschelken; südsiebenbürgisch); zudem kann über eine schlechte Predigt bemerkt werden: „hekt hu mǝr šwachǝn harwǝszt gǝhōt“ (,heute haben wir eine schwache Weinlese gehabt‘; Reußen, südsiebenbürgisch). Letztlich auf die Ernte der Feldfrüchte bezogen: „ǝ gat harwǝszt“ (,eine gute Ernte‘; allgemein, südsiebenbürgisch), auch im übertragenen Sinn: „ǝ huǝd ǝn gādn härwǝszt“ (wörtlich: ,er hat einen guten Herbst‘; in der Bedeutung: ,er hat gute Einnahmen‘; Mediasch, südsiebenbürgisch).
Bemerkung: Längsstrich über den Vokalen bedeutet Länge, mundartlicher Vokal ǝ wird wie ein Murmel-e gelesen (ausgesprochen wie der rumänische Vokal ă); mundartlicher lautloser Konsonant š wird wie sch gelesen, die mundartliche Konsonantenverbindung sz wird wie s gelesen.
Sigrid HALDENWANG