Gespräch mit dem Filmemacher, Schriftsteller und Dramatiker Frieder Schuller
Ausgabe Nr. 2694

Frieder Schuller.
Foto: Manuel STÜBECKE
Frieder Schullers Film „Im Süden meiner Seele“ über die Bukarester Jahre von Paul Celan wurde aus Anlass des 100. Geburtstages bzw. des 50. Todestages des am 23. November 1920 in Czernowitz geborenen und am 20.April 1970 in Paris verstorbenen Dichters in diesem Jahr schon zum dritten Mal in Berlin gezeigt, im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam und dem Bundesplatzkino Berlin.
Im Juli 2020 hat die Berlin-Korrespondentin der Hermannstädter Zeitung, die Autorin und Fotografin Christel W o l l m a n n-F i e d l e r, folgendes Interview mit dem Filmemacher, Schriftsteller und Dramatiker Frieder Schuller geführt:
Siebenbürger sind Sie, das hat sich herumgesprochen. Auch Pfarrerssohn sind Sie, haben selbst Theologie und Germanistik studiert. Schriftsteller und Filmemacher sind Sie, Gedichte und Essays schreiben Sie, Dramaturg im deutschsprachigen Theater in Hermannstadt waren Sie, bei der Karpatenrundschau in Kronstadt arbeiteten Sie als Redakteur. Das Ceaușescuregime hinderte Sie an Vielem und so verließen sie 1978 Rumänien und gingen in die Bundesrepublik Deutschland.
Ich konnte nichts mehr veröffentlichen, ein Theaterstück, das gezeigt werden sollte wurde untersagt, ein Gedichtband wurde untersagt. Es war nicht nur die kommunistische Enge, auch die siebenbürgische Spießigkeit hat mir gereicht. Ich wollte weiter kommen und freier sein.
Portraits scheinen Sie anzusprechen. So komme ich direkt zu Paul Celan, den deutschsprachigen jüdischen Lyriker und Dichter aus der Bukowina, aus Czernowitz. Sie besannen sich in den 1980er Jahren einen Film über diese zwei Jahre zu drehen. Wie kam Ihnen die Idee?
Wir begannen einen Film über Moses Rosenkranz zu drehen. Der Film wurde vom Rimbaud Verlag in Aachen bestellt. Moses Rosenkranz wurde 99 Jahre alt, hatte ein spektakuläres Leben und führte ein abenteuerliches Leben in Rumänien, gemessen an dem von Celan. Er hat die Memoiren der Königin Maria geschrieben, er war der Ghostwriter der Königin Maria. Mit Paul Celan, damals noch Paul Antchel, war er im Arbeitslager in Tăbărești neben Buzău. Dort wurden zwei Akten gefunden, die das belegen. Dann kommen die beiden zurück nach dem Zweiten Weltkrieg, gingen nach Bukarest und Rosenkranz wird vom KGB direkt für zehn Jahre in die Sowjetunion in den Gulag verschleppt. Was der arme Rosenkranz mitgemacht hat. Ich habe ihn persönlich nicht mehr gekannt, aber andere erzählten mir, dass er sehr zurückhaltend war, wenn die Rede von Celan war.
Ich komme nochmal auf die Idee des Films zurück…
Es sind natürlich die Bukarester Jahre, 1945-1947. Ich merke hier in Deutschland, dass wenige davon wissen, dass die „Todesfuge“ zuerst in rumänischer Sprache erschienen ist. Ich musste auch etwas anbieten, was ich vom Stoff her beherrsche, wo ich überlegen muss, dass ich hier in Deutschland bin. So dachte ich, wenn ich das an Originalschauplätzen in Bukarest drehen kann, ist das was Besonderes. Als Celan in Bukarest wohnte, gab es im kommunistischen Land noch den König. Wenn ich gewusst hätte, dass dieses kommunistische Regime vier Jahre nach meinen Dreharbeiten zu Ende geht, hätte ich noch gewartet. Es wäre einfacher für mich gewesen.
Das ist aber schön und authentisch, dass Sie den Film noch in der besagten Zeit gedreht haben. Nicht, weil die Zeit großartig war, nein, die Atmosphäre in der Stadt war eine völlig andere und das fand ich in dem Film „Im Süden meiner Seele“ so besonders.
Oh, ja, das stimmt natürlich. Damals traf ich noch einige Zeitzeugen, die es jetzt nicht mehr gibt. Eine alte Dame nach der anderen konnte mir erzählen und jede behauptete, sie sei die erste Freundin von Paul Celan gewesen. Die Frauen liebten ihn. Vielleicht waren die Bukarester Jahre sogar die schönsten in seinem Leben. Er war fröhlich und lebte gern. Das verstehen viele Deutsche nicht. Wieso Celan? Er muss ja tieftraurig gewesen sein, gar depressiv. Wie kann man ihn so fröhlich darstellen? Aber so war er damals. Mir wurde immer wieder erzählt, dass er ein lebenslustiger junger Mann, schön und erfolgreich war.
Aber er wollte dann doch in die westliche Welt.
Na, ja, es bahnte sich eine neue Diktatur an damals in Bukarest
Jetzt verlassen wir Bukarest und springen direkt 120 km nördlicher in die Karpaten, nach Siebenbürgen. Wann ist Ihnen der Gedanke mit dem Dorfschreiber gekommen? Stadtschreiber gab und gibt es hier und dort, doch Dorfschreiber?
Ich bin in Katzendorf/Cața geboren, mein Vater ist dann als Pfarrer in ein anderes Dorf gegangen und ich habe zuletzt in Hermannstadt gelebt. Nach der Wende stand das Katzendorfer Pfarrhaus leer, weil kein Pfarrer mehr dort war. Für mich als deutscher Staatsbürger war es möglich, dort ein Haus zu besitzen. So übernahm ich das Haus. Mit Hilfe meiner Söhne bauten wir es aus und machten eine Art Festspielhaus daraus. Vor 20 Jahren war das.
Im Sommer bin ich meistens dort, meistens von Juni bis Oktober. In diesem Jahr sind wir wegen Corona nicht hin gefahren. Das Dorfschreiberfest mache ich meistens im Spätherbst. Der jetzige Dorfschreiber Thomas Perle ist mal in Katzendorf, dann wieder in Wien. Ein Jahr lang kann der Dorfschreiber kommen und gehen. Er hat seine eigene Wohnung im Ort und wird verköstigt von einer Köchin. Es ist dort ein riesiger Garten, es ist genug Platz und er kann in Ruhe arbeiten. Seit 2011 gibt es Dorfschreiber.
Zuvor hatte ich in Katzendorf bereits Kulturtreffen organisiert. Schon 1992, zum ersten Mal nach der Revolution, nachdem der Kommunismus gefallen war, veranstaltete ich ein Deutsch-Rumänisches Kulturtreffen. Damals brachte ein Bus sechzig Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Deutschland nach Katzendorf. Dieter Lattmann, Mitbegründer und damaliger Vorsitzender des Vereins Deutscher Schriftsteller (VS), selbst Schriftsteller und Bundestagsabgeordneter, begleitete den Bus nach Katzendorf. Eva Leipprand, ebenfalls Politikerin und Schriftstellerin und spätere VS-Vorsitzende, war auch dabei. Es wurde ein Riesenfest. Wissen Sie, damals, 1992, waren alle neugierig, niemand kannte Rumänien. Es war eine Aufbruchstimmung, die kaum zu beschreiben ist. Die Leute wollten sehen, wollten erfahren, wie es hier ist. Alle zwei Jahre habe ich dann das Kulturtreffen wiederholt und 2011 kam dann der Dorfschreiberpreis hinzu. Er ist sozusagen ein ,,Kind“ dieses Kulturtreffens in Katzendorf.
Danke für das Gespräch.