,,’Atopisch‘ und untypisch“

Teile diesen Artikel

Neuer Lyrik- und Prosa-Band von Matthias Buth

Ausgabe Nr. 2685

Matthias Buth: Der Schnee stellt seine Leiter an die Ringmauer. Poetische Annäherungen an Rumänien und andere Welten, Pop-Verlag Ludwigsburg 2020, Bd. 17 der Reihe Fragmentarium, 179 Seiten, ISBN 978-3-86356-294-6

Der Poet und Jurist Matthias Buth wurde 1951 in Wuppertal-Elberfeld geboren und veröffentlicht seit 1973 Lyrik und Prosa. Als Ministerialrat im Bundesinnenministerium engagierte er sich viele Jahre lang für die Bewahrung des kulturellen Erbes der Deutschen in Osteuropa und war auch in Rumänien tätig. Im März diesen Jahres wurde er vom Staatspräsidenten Klaus Johannis für seine Leistungen mit dem rumänischen Kulturverdienstorden ausgezeichnet. Rumäniens Botschafter in Berlin, Emil Hurezeanu, hatte den Autor vorgeschlagen, mit der in einem diesbezüglichen Brief an Matthias Buth geäußerten Begründung:  „Ihre Gedichte sind ein Beweis Ihrer starken emotionalen Bindung zu Rumänien. Sie poetisieren Orte, Menschen, Ereignisse aus Rumänien, die wiederum universell gelten. Sie sind ein ‚atopischer’ und untypischer Dichter, ein vertrauensvoller Freund Rumäniens in guten wie in schweren Tagen.“

 

Ebenfalls in diesem Jahr erschien Buths neuestes Werk „Der Schnee stellt seine Leiter an die Ringmauer“ im Ludwigsburger Pop-Verlag. Hier treffen Gedichte und prosaische Erinnerungen auf analytische Essays über Rumänien und seine Grenzen hinaus. Im Nachwort schreibt der Literaturkritiker Markus Bauer, in Buths Lyrik erlebe man „das Land als eine Musik, als Gedicht, als Geliebte.“ Doch in seinem gewohnt prägnanten Stil schreibt Matthias Buth nicht nur über das Banat und Siebenbürgen sowie ihre Bewohner, sondern auch über Exilanten, die in Deutschland leben. So porträtiert er unter anderem den Pfarrer Bruno Fröhlich, der sonntags von Kirche zu Kirche fährt, „um neue Psalmen in die weichen Fenster zu beten“; oder eine Frau, die nach Ceauşescus Tod endlich zu ihrer Tochter nach Köln ziehen kann. Poetisch reist er über die Donau, durch Kronstadt, Konstanza und Hermannstadt und singt seine Ode an das Land: „Rumänien ist eine ferne Verzweiflung / Ein Gepäck dass sich nicht abwerfen lässt / Es wartet an Flüssen und Hügeln / An Straßen und Gleisen / Denn es ist europalang unterwegs / Mit sich und seinen ungeschriebenen Versen“.

Buth nimmt seine Leserschaft aber auch mit auf Reisen durch die eigene Heimat und nach Paris. Dort besucht er den Montparnasse-Friedhof, wo er an dessen Grab dem französischen Dichter Charles Baudelaire huldigt. Er sinniert über große Dichter, Streicher und Pianisten und schlägt so eine Brücke von Baudelaire zu Clara Haskil – von Paris nach Bukarest. Während Baudelaires Grab mit Briefen und Metro-Fahrkarten, auf denen Grüße und Danksagungen gekritzelt sind, übersät ist, findet Buth nicht einen Zettel oder Hinweis der Zuneigung auf Haskils letzter Ruhestätte, und so legt er einen Stein auf ihren Namen: „Clara Haskil, ein kostbarer Name, der für einen wesentlichen Teil der rumänischen Kultur- und Geistesgeschichte steht. Er ist jetzt umso mehr mitgemeint, weil Rumänien unverzichtbares Mitglied der Europäischen Union ist. Sie ist Rumänien, das bleibt.“

Insbesondere das moderne Europa in Form der EU ist immer wieder Kern seiner Essays. Sie behandeln z. B. die sozialen Wüsten, die durch die Abwanderung nach Westen in den osteuropäischen Staaten entstehen, was eine europäische Leitkultur überhaupt ist und wie Rumänien ein gutes Beispiel für ein geeintes Europa darstellt. Es habe „sich herausgestellt: Das europäische Bewusstsein oder die Arche Noah gemeinsamer Geschichte und Zivilisation sind stärker [als geschichts- und kulturvergessene Nationalisten]. Es gibt in Rumänien den starken politischen Wunsch, das Land im demokratischen und europäischen Lebensverbund der Völker Europas zu halten und es weiter bürgerschaftlich zu organisieren. Denn alle Staaten auf unserem Kontinent sind europäisch gewachsene Kulturnationen, auch Rumänien“ – „ein Herzstück Europas, ein Kulturland, das seine Grandezza aus zahlreichen Quellen entwickelt hat.“

Tobias LEISER

 

Gemeinde

für Eginald Schlattner

In vollem Ornat geht er

Zu seiner Kirche in Rothberg

 

Kupferspangen beschlagen

Mantel und Morgen

 

Die Tür atmet schwer

Wenn sie nachgeben muss

 

Er streicht Wellen über die

Bänke

Leergebetet seit Jahren

 

Die Orgel tropft Stille

Im Chor spielen die Fenster

 

Dann breitet er seine Arme

Und tröstet Gott

 

Bis auch

Er nicht mehr kommt

 

Matthias BUTH

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Literatur, Aktuelle Ausgabe.