Gespräch mit Erich Türk zu 25 Jahre Barockensemble ,,Transylvania“
Ausgabe Nr. 2683

Das Barockensemble ,,Transylvania“ heute (v. l. n. r.): Mátyás Bartha (Violine), Erich Türk (Cembalo), Ciprian Câmpean (Bass) und Zoltán Majó (Blockflöte)
Das Barockensemble „Transylvania“ aus Klausenburg widmet sich seit 1995 der siebenbürgischen Barockmusik. Es benützt Kopien barocker Instrumente, setzt sich aber auch für die zeitgenössische Musik Siebenbürgens ein und hat mehrere ihm gewidmete Werke der Komponisten Hans Peter Türk, Adrian Borza, Dan Voiculescu, Adrian Pop und Cornel Ţăranu aufgeführt. Vom Wirken des Barockensembles ,,Transylvania” zeugen fünf CDs und eine Dokumentar-DVD über siebenbürgische Musik, Rundfunk- und Fernsehübertragungen und eine rege Konzerttätigkeit (ca. 500 Auftritte). Alle Mitglieder des Ensembles sind Absolventen der Klausenburger „Gh. Dima“- Musikakademie. In diesem Jahr feiert das Ensemble sein 25. Gründungsjubiläum. Aus diesem Anlass gewährte der Musiker Erich Türk, der seit 1996 als Cemballist dabei ist, der HZ-Chefredakteurin Beatrice U n g a r folgendes Interview:
Welches war der springende Punkt zur Gründung des Barockensembles Transylvania? Gibt es ein Stichdatum?
Der springende Punkt war eine persönliche Begegnung zwischen dem inzwischen leider verstorbenen Flötisten István Nagy (1942-2018) und der niederländischen Familie Jantine und Hans Kamp, die bei einer Konfirmation in Mera (ein Dorf unweit von Klausenburg) zufällig an denselben Tisch gesetzt wurden. Die rumänische Oper aus Klausenburg, in deren Orchester István Nagy spielte, ging damals öfter auf Tournee in die Niederlande, und István schlug den Kamps vor (die als Vertreter der niederländischen Partnergemeinde nach Mera gekommen waren), bei der nächsten Niederlande-Tournee an einem freien Tag in Werkendam (in der reformierten Kirche bei Kamps) aufzutreten.
Das Konzert, das zugleich als ,,Geburtsstunde“ unseres Ensembles gilt, fand Ende 1995 statt, war sehr gut besucht und wurde ein großer Erfolg. Damals spielten István Nagy und Zoltán Majó Querflöte und István Dallos Violoncello (alle drei waren damals Mitglieder des Opernorchesters). Vom Erfolg des ersten Konzertes angespornt, rief Familie Kamp zusammen mit anderen Gemeindegliedern eine Stiftung ins Leben, die in den nächsten zehn Jahren hunderte Konzerte für das Barockensemble ,,Transylvania” organisierte. Das zweite Konzert war schon der Beginn einer ganzen Tournee von mehreren Wochen Ende 1996. Damals war ich schon als Cembalist dabei, neben István Nagy und Zoltán Majó. Das organisatorische Konzept unserer Tourneen war sehr gut ausgedacht, wir spielten meistens in Kirchen der reformierten Partnergemeinden dieser niederländischen Stiftung in Siebenbürgen. Gelegentlich dieser Konzerte wurde einerseits auf die Partnerschaft aufmerksam gemacht, für Projekte gesammelt, aber auch wir brachten mit der Musik einen Dank zurück in die Niederlande. Überdies gingen die Rechnungen so auf, dass auch wir etwas verdienten, was damals in den ,,wilden” und materiell doch sehr kargen 1990-er Jahren eine große Hilfe war.
Wir brauchten damals noch Visa für alle Länder, Österreich, Deutschland, die Niederlande, und in den Niederlanden brauchten wir auch eine Arbeitsgenehmigung. Es hat aber trotz Stress und Schlangestehen immer alles geklappt und öfters haben wir auch in der Rumänischen Botschaft in Den Haag zum Empfang am Nationalfeiertag, dem 1. Dezember, gespielt.
Wie kam es zu der Zusammensetzung? Ist sie die gleiche geblieben? Gibt es einen harten Kern?
Das erste Konzert spielten wie gesagt die oben erwähnten Musiker. Das Fehlen eines harmonischen Instruments führte jedoch dazu, dass ich als Cembalist angesprochen wurde und so ab 1996 statt István Dallos einstieg. Zwei Jahre später kam noch der Fagottist Florin Cîrlejan als Vierter hinzu, und 2000 übernahm statt ihm der Cellist Ciprian Câmpean den Bass. 2008 ging István Nagy im Alter von damals 66 Jahren in den Ruhestand, und seither spielen wir mit dem Violonisten Mátyás Bartha zusammen.
Der „härteste Kern“ ist Zoltán Majó, als einziges Gründungsmitglied noch aktiv dabei, aber auch ansonsten ist die Zusammensetzung doch sehr stabil, mit 12, 20 bzw. 24 „Dienstjahren“ im Ensemble sind auch wir Übrigen keine Frischlinge mehr.
Kann man nur auf historischen Instrumenten Barockmusik spielen? Wo kann man heute solche kopieren lassen?
Barockmusik kann man natürlich auch auf modernen Instrumenten spielen. Die historischen Instrumente sind besser dafür geeignet, allerdings ist es gar nicht einfach „umzusteigen“. Im Laufe der Jahre haben wir uns bemüht, der historischen Aufführungspraxis immer mehr gerecht zu werden. Zoltán Majó war zwar hauptberuflich Flötist in der Oper, hatte sich aber schon seit seinen jungen Jahren mit der Blockflöte auseinandergesetzt, die nun auch im Barockensemble zum Einsatz kam. Ich habe anfangs auf einem gar nicht historischen Cembalo, das wir von der Klausenburger Philharmonie geliehen hatten, gespielt. Wir haben dann jahrelang eine unschätzbare Unterstützung von meinem Freund, dem Amsterdamer Cembalobauer Joel Katzman, bekommen. Er stellte uns immer ein erstklassiges Cembalo von ihm für unsere Tourneen vollkommen gratis zur Verfügung, bis ich mir dann auch ein eigenes Instrument nach historischer Bauart zulegen konnte. István Nagy hat in den Niederlanden eine barocke Traversflöte gekauft, er hat auch in Amsterdam gelegentlich Unterricht genommen und sich erfolgreich bemüht, mit über 50 Jahren praktisch ein neues Instrument zu lernen. Ciprian Câmpean ist auch auf Darmsaiten und Barockbogen umgestiegen, und hat dann (als Pendler) noch ein Barockcello-Master in Genf absolviert. Mátyás Bartha, der in Basel lebt (wo es die älteste Lehrstätte für historische Aufführungspraxis gibt – die Schola Cantorum Basiliensis), war schon mit der Barockgeige gut befreundet, als er ins Ensemble kam.
Woher die historischen Instrumente kommen? Von Instrumentenbauern, die sich darauf spezialisieren. Die Niederlande sind da recht gut bestückt, auch Deutschland, Belgien, Frankreich, usw., in letzter Zeit erscheinen auch Einige in Osteuropa. Mátyás hat sich zum Beispiel eine Viola d´amore bei einem Geigenbauer aus Neumarkt am Mieresch bauen lassen.
Warum gerade Barockmusik?
Barockmusik ist leicht genießbar und kommt gut an, auch bei Publikum, das nicht an die E-Musik gewöhnt ist. Und unser Publikum in Holland war zum Großteil solches (wir haben ja auch in vielen kleinen Ortschaften gespielt, nicht für die Abonnenten des Concertgebouw, sondern für die lokalen Kirchgänger). Auch waren Zoltán und ich schon in diesem Feld „vorbelastet“, und die Kollegen wurden einfach mitgenommen. Und es gibt auch so viel gute Musik aus dem Barock, deren Autoren teilweise wenig bis gar nicht bekannt sind.
Auch zeitgenössische siebenbürgische Komponisten haben dem Ensemble Werke gewidmet. Wie klingen diese auf barocken Instrumenten?
Gar nicht schecht. Wir haben den Komponisten die Möglichkeiten der barocken Instrumente als Auflage verschrieben, und sie haben sie gut ausnützen können. Auch klingen viele unserer modernen Stücke nicht so modern, sondern eher von Folklore inspiriert. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht, sie haben immer gefallen, auch solchem Publikum, das nicht oft Konzerte besucht.
Habt ihr einen Lieblingskomponisten?
Wir haben nie eine „offizielle“ Meinungsumfrage gemacht und stellen uns eigentlich nicht das Problem, weil es so viele gute Komponisten gibt, und auch innerhalb des Barock so viele verschiedene Stile. Aber ich denke, wenn jemand nominalisiert werden sollte, wäre es am ehesten Georg Philipp Telemann. Er hat enorm viel geschrieben, und wir haben noch kein einziges schwaches Stück von ihm gehört. Und, auch wenn wir keine Statistik geführt haben, wäre es nicht ausgeschlossen, dass er der am häufigsten anzutreffende Komponist unserer Programme war. Auch genießen wir den französischen Barock sehr, da gibt es sehr viele, oft wenig bekannte Komponisten, die großartige Musik geschrieben haben. Wahrscheinlich fragen jetzt viele: und Bach? Auch Bach haben wir gern, aber er genießt heute den seiner Leistung angemessenen Ruhm, während viele andere ausgezeichnete Komponisten des Barock viel weniger bekannt sind, als ihre schöne Musik es rechtfertigen würde.
Wie habt ihr die Durststrecke gemeistert, ohne live-Konzerte?
Als Ensemble waren für diese Zeit keine Konzerte geplant, erst im Juli gab es ein paar Projekte. Allerdings sind sie zum Teil schon abgesagt. Für September haben wir eine Tournee in Deutschland, Österreich und der Schweiz geplant, da hoffen wir noch. Jeder von uns spielt allerdings auch in anderen Formationen und hat dementsprechend etliche Absagen verkraften müssen. Ich habe die dadurch gewonnene Zeit dafür genutzt, in meinen älteren Aufnahmen zu stöbern, für deren Anhören und Bearbeiten ich keine Zeit gefunden hatte. So habe ich diese Tage Einiges gepostet. Als Ensemble, hatten wir sowieso vor, eine Jubiläums-CD herauszugeben, und wir hatten schon das Programm ausgewählt, das eine Collage aus verschiedenen gelungenen Konzert- und CD-Aufnahmen ist. Nun, da sich die online-Alternative als sicherer als das live-Konzert präsentiert, haben wir beschlossen, dieses Jubiläumsprogramm ins Netz zu stellen. Vor zwei Wochen haben wir angefangen, und jeden Mittwoch wird auf der facebook-Seite des Barockensembles „Transylvania“ ein Stück gepostet (insgesamt werden es sieben). Die CD ist inzwischen fertig. Bestellen kann man sie schon unter http://transylvantiqs.ro/index.php?route=product/product&product_id=69 best
Welches war euer schönstes/lustigstes/seltsamstes Erlebnis in den 25 Jahren?
Oh, da gibt es Einiges. Erstens können wir uns als sehr glücklich wähnen, dass wir nicht nur gut miteinander musizieren, sondern auch menschlich sehr gut miteinander auskommen. Das ist auch nötig, denn auf einer Tournee sind wir rund um die Uhr zusammen, nicht nur beim Konzert sondern auch im Auto, beim Essen, beim Proben, und manchmal auch beim Schnarchen. Es gibt durchaus Musiker, gar nicht wenige, denke ich, die zwar zusammen spielen, aber sonst nicht gut miteinander auskommen. Das muss sehr unangenehm und anstrengend sein. Wir freuen uns immer auf unsere gemeinsamen Projekte, aufs Musizieren, wie auch auf das Gesellige. Im Laufe der Jahre haben wir an allerhand außergewöhnlichen Orten gespielt: in Kulturscheunen (richtige Scheunen, mit Bühne und Stühlen eingerichtet – aber ohne Tiere), aber auch im Münchener Gasteig oder im Amsterdamer Concertgebouw. Wir haben in etlichen unserer schönen siebenbürgischen Kirchenburgen gespielt, aber auch in alten Kirchen aus dem niederländischen Flachland oder in den österreichischen und Schweizer Alpen, in modernen, manchmal auch skurillen Betonkirchen Westeuropas, in Rumänischen und Ungarischen Botschaften mehrerer europäischer Länder, in der Amsterdamer Oude Kerk, die mitten im Rotlicht-Viertel liegt, umgeben von pikanten Schaufenstern, oder unter dem Heck eines Kriegsschiffes aus dem 17. Jahrhundert im Schiffsmuseum von Istanbul, mit Blick auf den Bosporus, wo Riesenschiffe auf und ab fuhren. Im Laufe der Jahre gab es etwa 800 Auftritte in Holland, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Ungarn, Belgien, Frankreich, Portugal, England, Italien, Moldawien, Serbien, der Türkei und natürlich in Rumänien.
Wie sehen die Zukunftspläne aus?
Gute Frage, welche Zukunft? Einstweilen ist das Planen auch nicht mehr, was es mal war… Wir hoffen, vielleicht im Juli noch auftreten zu können, und im September auf unserer Tournee. In Österreich sind schon die Regeln für Veranstaltungen festgelegt worden, bis September dürfen da auch schon 500 Personen zusammenkommen, soviel Publikum haben wir ja normalerweise nicht auf einmal. Mal sehen, wie in Deutschland und der Schweiz entschieden wird. Fürs nächste Jahr zu planen macht vorläufig nicht viel Sinn, aber wenn die diesjährigen Projekte nicht zustande kommen, denke ich wohl, dass sie auf nächstes Jahr verschoben werden können. Allerdings sind wir auch der Internet-Präsenz gar nicht abgeneigt, ich beschäftige mich sowieso seit einigen Jahren mit Tonaufnahmen und neuerdings versuche ich (schon vor Corona), auch im Video-Bereich noch was dazuzulernen.
Danke für das Gespräch.
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