Streiflichter von den 17. Rumänisch-amerikanischen Musiktagen
Ausgabe Nr. 2680

Die 17. Auflage der Rumänisch-amerikanischen Musiktage hat vom 1. bis 5. Juli d. J. vor dem Thaliasaal stattgefunden. Unser Bild: Nachdem am Mittwoch Abend die ersten Töne von Antonio Vivaldis ,,Jahreszeiten“ vom Balkon ertönt waren, sammelten sich sogar Schau- und Hörlustige hinter den Absperrungen, um dem Spiel der Hermannstädter Staatsphilharmonie zu lauschen. Die von Vivaldi geschriebenen erläuternden Sonette wurden zwar nicht vorgetragen, jedoch konnte auch ein jeder, der die vier Jahreszeiten nicht kannte, der Handlung ganz leicht folgen: Unter der Führung Ovidiu Dragomans wurde die Staatsphilharmonie vom Hermannstädter Balletttheater begleitet. Foto: Tobias LEISER
Der Covid-19-Pandemie trotzend haben die Rumänisch-Amerikanischen Musiktage auch in diesem Jahr wieder stattgefunden. Obwohl die 17. Auflage der Konzertreihe, vom 1. bis 5. Juli, nicht wie in gewohnter Manier auf dem Großen Ring und in der Philharmonie, sondern auf dem Vorplatz neben dem Thalia-Saal abgehalten werden musste, erfreuten sich die Musiktage dennoch zahlreicher Besucher. In neun einzelnen Konzerten nahmen die Musiker ihre Gäste mit auf eine musikalische Odyssee: von einer Harfen-Interpretation der Tänze aus Siebenbürgen, über Werke von Bach bis Vivaldi, bis hin zu Jazz mit Blues- und Rock-Elementen sowie Ska-Punk-Reggae.
„Eine märchenhafte Harfe“ lautete das Motto des Auftaktes am Mittwoch. Maria Bîldea, an der Harfe, begann den Abend mit dem Stück ,,Tänze aus Siebenbürgen“, das der Musiksammlung Codex Caioni entstammt. Namensgeber des Codex war der rumänische Franziskanermönch und Komponist Johannes Caioni, der die Sammlung von sowohl weltlicher als auch religiöser Instrumental- und Vokalmusik sowie Tänzen und Liedern der rumänischen, slowakischen und ungarischen Folklore zwischen 1652 und 1671 veröffentlichte.
Die Harteneckgasse wurde für die Musiktage zum Teil abgesperrt und diente so als provisorische Tribüne; gespannt verfolgten rund 60 Musikliebhaber Bîldeas Darbietung, gefolgt von Klarinettensoli von Petru Pane und Trios mit Oxana Corjos am begleitenden Konzertflügel wie der Rumänischen Tänze von Bela Bartok.

Das Ilia-Quartett konzertierte am Samstag. Foto: Tobias LEISER
Zum zweiten Konzert des Abends füllten sich dann auch die letzten freien Plätze vor dem Thalia-Saal. Nachdem die ersten Töne von Antonio Vivaldis ,,Jahreszeiten“ vom Balkon ertönt waren, sammelten sich sogar Schau- und Hörlustige hinter den Absperrungen, um dem Spiel der Hermannstädter Staatsphilharmonie zu lauschen. Die von Vivaldi geschriebenen erläuternden Sonette wurden zwar nicht vorgetragen, jedoch konnte auch ein jeder, der die vier Jahreszeiten nicht kannte, der Handlung ganz leicht folgen: Unter der Führung Ovidiu Dragomans wurde die Staatsphilharmonie vom Hermannstädter Balletttheater begleitet. Auch wenn die eine oder andere Tänzerin später klagen wird, sie sei mit ihrer Leistung unzufrieden, war es doch eine gelungene Aufführung, die das Publikum mit Stehapplaus, der noch mehrere Minuten lang durch die Harteneckgasse hallte, belohnte.
Am Donnerstag ging „ein Klavier auf Reisen“. Im Rahmen der 10. Auflage seiner Tournee führte der Star-Pianist Horia Mihail eine Stunde lang durch das Lebenswerk Ludwig van Beethovens. Neben ,,Für Elise“ und der Mondscheinsonate bildeten die 32 Variationen in c-Moll einen der Höhepunkte des Abends, die er gekonnt ohne Notenblätter vortrug. Für diejenigen, die Mihail nicht kennen sollten: Der gebürtige Kronstädter spielte sein erstes Konzert bereits im Alter von 10 Jahren. Später studierte er Klavier in Kronstadt und an der Musikakademie in Bukarest, bevor er 1995 den Master an der University of Illinois erhielt; 1999 verlieh ihm die Boston University das Künstler-Diplom. Heute spielt er unter anderem für die Kronstädter Philharmonie und gilt als Initiator verschiedener Musik-Turniere wie dem Duell Stradivari vs. Guarneri.
Im Anschluss an die einstündige Pause waren die Plätze in der Harteneckgasse wieder fast restlos besetzt, und die Reise ging weiter ins 20. Jahrhundert. Das Quintett um den Pianisten Sorin Zlat und seinen Vater, Sorin Zlat Senior, am Saxophon interpretierte Jazz-Klassiker von Nat King Cole, George Gershwin. Jimmy Heath, Cole Porter und Victor Young. Begeistert wippte das Publikum mit den Füßen und nickte im Takt; nur zu gern hätten die einen oder anderen wohl das Tanzbein geschwungen, doch gab das der Platz leider nicht her, und so musste es beim Wippen und Nicken bleiben. Doch besonders die Sopran-Stimme Mihaela Alexas sorgte immer wieder für Ablenkung. „Zugabe! Zugabe!“ rief es aus dem Publikum, als wollten sie, dass das Konzert nie endet.
Nach dem Orgelkonzert am Freitag in der Franziskanerkirche mit Werken von Brahms, Mozart sowie dem rumänischen Pianisten und Komponisten Valentin Gheorghiu wurden die Musiktage wieder vor dem Thalia-Saal fortgesetzt. Erst sah es so aus, als müsste das letzte Konzert des Abends wetterbedingt ausfallen, doch pünktlich zum Auftritt der Traffic Strings hörte es auf zu regnen und der Himmel klarte zumindest teilweise wieder auf. „Perpetuum Jazz“ nannten sie ihren einzigartigen Mix aus amerikanischen und rumänischen Jazz-Rhythmen gepaart mit Blues-, Rock- und Tango-Elementen, dargeboten auf klassischen Streichinstrumenten unter Begleitung von Panflöte und Schlagzeug. Die wunderbar ausgefeilten Arrangements des Violinisten Lucian Moraru boten Musik für alle Geschmäcker; besondere Begeisterung lösten aber die energiegeladenen Jazz-Rock-Titel wie der ,,Nuclear Blues“ beim Publikum aus.

Der Cellist Răzvan Suma brachte am Sonntag Abend gemeinsam mit dem Orchester der Hermannstädter Staatsphilharmonie unter der Leitung von Tiberiu Soare virtuos und mit spürbar brennender Leidenschaft u. a. Werke von Leonard Bernstein zu Gehör.Foto: Tobias LEISER
Samstag wurde es mit dem „Café Konzert“ des Ilia Quartetts dann wieder klassisch. Die Streicher um Ilia Rusnac läuteten den Abend mit einer Interpretation von Bachs Bourrée ein – dem weltbekannten barocken Hoftanz.
Zum Höhepunkt der Rumänisch-Amerikanischen Musiktage kam es schließlich mit einem weiteren Konzert der Hermannstädter Staatsphilharmonie dirigiert von Tiberiu Soare, der bisher nicht nur Orchester in allen Teilen Rumäniens geleitet, sondern es unter anderem auch durch seine Leitung des Royal Philharmonic Orchestra in London zu internationaler Bekanntheit geschafft hat. Komplettiert wurde die Staatsphilharmonie an diesem Abend durch den Solisten Răzvan Suma am Violoncello. Virtuos und mit spürbar brennender Leidenschaft begleitete der gebürtige Klausenburger Werke von Leonard Bernstein, dem rumänischen Komponisten Dumitru Bughici, bis hin zu Stücken des Argentiniers Astor Piazzolla, der den Tango mit Jazz- und Klassik-Einflüssen revolutionierte. Als Suma sich nach dem letzten Lied erhob, wollte der Applaus in der vollbesetzten Harteneckgasse gar nicht mehr abklingen. Auf halbem Weg in den Thalia-Saal musste er umkehren, um sich erneut vor dem tosenden Publikum zu verneigen.
Den Schlusstakt am Sonntagabend vollführte die Hermannstädter Band Suburbia11. Mit einer Mischung aus Ska, Punk, Reggae und Balkanbeats heizten sie dem Publikum schon mit Beginn des ersten Songs (Dick Dales Surf-Hit Misirlou Twist, unter anderem bekannt aus Quentin Tarantinos Kultfilm Pulp Fiction) gehörig ein. Die Harteneckgasse war zum Abschluss der Musiktage erneut voll besetzt und auch hinter den Absperrungen hatten sich auf beiden Seiten so viele Zuhörer versammelt, dass Polizei sowie Ordner einschreiten mussten, um die Menge auseinanderzutreiben. Einige Tanzwütige zogen lange Gesichter, als sie wieder zurück auf ihre Stühle verbannt wurden. Doch nicht nur fetziger Ska und Punk wurden hier geboten, auch seichte Rockballaden, bei denen Sänger Marius Dan sein stimmliches Potenzial vollends ausschöpfen kann, gehören zum Repertoire der Gruppe.

Den Schlusstakt am Sonntagabend vollführte die Hermannstädter Band Suburbia11.Foto: Tobias LEISER
Die Musik verstummte und die Lichter gingen aus. Langsam leerte sich die provisorische Tribüne, und die Bühne auf dem Vorplatz des Thalia-Saals wurde abgebaut. Nach und nach legte sich die gewohnte Ruhe wieder über die Harteneckgasse; die Odyssee der rumänisch-amerikanischen Musiktage ging zu Ende. Für die 18. Ausgabe der Konzertreihe im nächsten Jahr bleibt zu hoffen, dass sie dann wieder auf dem Großen Ring stattfindet, mit mehr Platz zum Tanzen und einer ebenso breiten Palette verschiedener Musikgenres.
Wer eines der Konzerte oder gar alle verpasst haben sollte, kann sich die Aufzeichnungen auf der Seite www.facebook.com/sibiuindependent jederzeit anschauen.
Tobias LEISER