Apfelsuppe auf dem Winzerhof

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Streiflichter von der 13. Auflage des ,,Astra Multicultural“-Festivals

Ausgabe Nr. 2681

Entsprechend den Umständen mit Mund- und Nasenschutz ausgestattet, kochten Hirten aus Städterdorf/ Rășinari und ihre Helferinnen einen traditionellen Lammeintopf.                               Foto: Tobias LEISER

Zum fünften Mal wurde am vergangenen Wochenende, vom 10. bis 12. Juli, das „Astra Multicultural“-Festival der kulturellen Vielfalt im Freilichtmuseum im Jungen Wald gefeiert. Auf dem 96 Hektar großen Gelände wurden den rund 7000 Besuchern die Kulturen der verschiedenen Ethnien Rumäniens nähergebracht. Über 100 Künstler führten Volksmusik und -tänze auf; 50 Handwerker boten an ihren Ständen ihre traditionell hergestellten Waren feil, und in verschiedenen Workshops setzten sich rund 100 Teilnehmer sowohl mit Holz- und Keramikmalerei, Sticken und Nähen als auch mit der Holzverarbeitung auseinander. Zudem wurden auch 16 Dokumentarfilme zum Thema Minderheiten gezeigt. Und natürlich durfte der alljährliche Gastronomie-Marathon nicht fehlen.

Seifenblasen fangen spielen konnten die Kinder in einem der zahlreichen Workshops.                                                                  Foto: Fred NUSS

Drei Tage lang konnte man sich quer durch die Küchen Rumäniens essen: Neben Siebenbürger Sachsen, Ukrainern, Kroaten sowie Roma bereiteten auch Ungarn, Rumänen, Türken, Tataren und Lipowener Gerichte aus ihrer Region auf alten Öfen oder über offenem Feuer zu.

Mit Pauken und Trompeten läutete die Neppendorfer Blaskapelle letzten Freitagmittag das diesjährige „Astra Multicultural“ ein. In Reih und Glied marschierten und musizierten die elf Musiker in ihren Trachten vom Haupteingang des Freilichtmuseums, vorbei am großen See, zur Bühne am Dorfmarkt, wo das ganze Wochenende Volkslieder und -tänze aufgeführt wurden.

Die Neppendorfer Blaskapelle auf ihrem Marsch zur Bühne auf dem Dorfmarkt.                                                                              Foto: Tobias LEISER

Einige der Marktstände hatten bereits geöffnet. Dort gab es frisches Kartoffelbrot, Honig von einer Imkerei aus Michelsberg, Krapfen (gogoşi) und vielerlei mehr Leckereien. Es duftete nach frischgebackenen Pfannkuchen und Schafswürsten, die vor sich hin brutzelten, und ab und an blies der Wind eine Rauchschwade um die Ecke eines Holzhäuschens, um den Besuchern so den Weg zu einem der vier Schauplätze des alljährlichen Gastronomie-Marathons zu weisen. Zwei Eintöpfe brodelten hier schon seit einigen Stunden gemächlich vor sich hin und warteten darauf, hungrige Mäuler zu stopfen.

Hier köchelt ein kroatisches Kessel-Paprikasch.          Foto: Fred NUSS

Doch auch anderorts wurde bereits seit dem Morgen fleißig gekocht, gebraten und geschmort: Auf einem Gehöft im nördlichen Teil des Museums bereiteten drei Männer aus Alzen einen traditionellen Eintopf aus Kalbsfleisch, Paprika und geräuchertem Speck zu; auf dem ehemaligen Gehöft eines Kerzenziehers im südlichen Teil gab es einen Hühnereintopf mit Mehlknödeln und ein kleines Stück weiter köchelte ein Lammeintopf.

Wer sich hier nun für ein Gericht entscheiden wollte, hatte – im wahrsten Sinne – die Qual der Wahl. Soll’s der Eintopf aus Alzen werden oder der Lammeintopf aus Städterdorf? Oder doch lieber der Hühnereintopf mit Mehlknödeln aus Unter-Schewesch? Oder vielleicht erst einmal eine Scheibe Brot mit Schmalz als Vorspeise? Die Schafswürste duften aber auch herrlich!

Die ,,Hora de la Rusca“ zeigte ein Volkstanzensemble aus Unter-Schewesch/Sebeșu de Jos.                                                       Foto: Tobias LEISER

Am Dorfmarkt eilte Mihaela Gherghel, eine Kuratorin des Astra-Museums, den überforderten Gästen zur Hilfe und führte sie herum. Am Stand des Hermannstädter Restaurants „Sonne“ stellte sie ihnen den Koch Dani vor, der an diesem Tag allerlei Spezialitäten aus seinem Heimatort Kleinscheuern kredenzte. Der typisch siebenbürgisch-sächsische Eintopf aus Schweinefleisch, Kartoffeln, Möhren und jungen Stachelbeeren wird stets mit Brot und eingelegten Gurken gereicht, und kaum hatte man seine Portion verputzt, servierte Dani schon die nächsten Köstlichkeiten: scharf eingelegte weiße Brechbohnen; saftiges, auf den Punkt gegartes Enten-Pastrami; Rührkuchen mit Ricottafüllung sowie Schnitten mit Schafskäse-Aufstrich und einem perfekt abgestimmten Schmalz aus Enten- und Schweinefett, das auch den allerletzten Gaumen Großmutters einfachem Schweineschmalz mit Grieben abschwören ließ.

Der Taraf aus Băbiciu Kreis Olt mit dem ausgezeichneten Sänger Aristide Titi Căldăraru sorgte am Sonntag vor dem Gewitter für Bombenstimmung auf dem Dorfmarkt.                                                           Foto: Fred NUSS

Gegen 16 Uhr war die erste Etappe gemeistert, und nach einer Nacht tiefsten Verdauungsschlafes ging es am Samstag in die zweite Runde des Marathons – diesmal sogar an fünf Schauplätzen. Heute auf der Speisekarte: Pfeffereintopf mit Kartoffeln von der Szekler-Gemeinde aus Santionlunca, lipowenische Fischsuppe, kroatisches Paprikasch, siebenbürgisch-sächsische Apfelsuppe sowie Fleischbällchen mit Linsen und Kartoffelsalat von der Demokratischen Union der Türken in Rumänien. Unterhalb der Sennhütten konnte man außerdem der traditionellen Herstellung von Butter im bădău (Butterfass) beiwohnen und in der Glut gebratene Polenta-Kugeln mit Käsefüllung (cocoloşi) probieren.

Erneut schien es schier unmöglich, sich für ein Gericht entscheiden zu können. Die Apfelsuppe klingt doch nach einer guten Vorspeise; danach sollte noch Platz für mehr sein.

Also auf zum alten Gehöft eines siebenbürgisch-sächsischen Weinbauern, das einst in Kleinschelken stand und heute im südlichen Teil des Freiluftmuseums samt Werkzeugen und Maschinen an die Tradition der Winzerei erinnert. Auf einer kleinen Holzbank oberhalb der Treppe saß Elisabeth Rosenauer aus Neppendorf und begrüßte die hungrigen Gäste. Die Apfelsuppe wäre zwar noch nicht fertig, aber man dürfte ruhig eintreten und der Köchin, Katharina Dickinger, über die Schulter schauen. Im ganzen Haus duftete es bereits intensiv nach Apfel, und sofort wurde man wärmstens empfangen.

Katharina Dickinger aus Neppendorf beim Zubereiten der Apfelsuppe.                   Foto: Tobias LEISER

Während Katharina Dickinger die zuvor weich gekochten Äpfel mühselig durch ein grobes Sieb presste, konnten sich die Besucher die Wartezeit bei einem Kaffee und einem Stück Rhabarberkuchen vertreiben. Danach vermengte die Köchin den Abrieb von Zitronen mit Eigelb und einem großzügigen Schuss Weißwein; erst mit einer Gabel, dann mit einem alten Holzlöffel – damit ginge es doch besser. Unter stetigem Rühren gelangte das Gemisch schließlich zu dem heißen Apfelsud, nachdem dieser ein weiteres Mal auf dem alten Ofen aufgekocht worden war. Ein letztes Mal abschmecken, Frau Rosenauer kosten lassen (ein weiterer Schuss Weißwein schien zu fehlen) und fertig war die Apfelsuppe. Noch eine Handvoll geröstete Brotwürfel auf die Portion und endlich durfte man das siebenbürgisch-sächsische Gericht genießen.

Draußen vor dem Haus wurde die Fertigstellung der Apfelsuppe um 13 Uhr mit einer Aufführung der Tanzgruppe des Hermannstädter Jugendforums gefeiert.

Neben dem Fischer-Gehöft aus dem Donaudelta brieten Lipowenerinnen Fische und kochten Fischsuppe.                                        Foto: Fred NUSS

Wieder zurück am Dorfmarkt war Kuratorin Mihaela erneut zur Stelle und empfahl die Fischsuppe der lipowenischen Gemeinde aus Tulcea, die auf der anderen Seite des Sees kochten, doch zuvor müsste man das Paprikasch probieren. Die beiden Köche der Union der Kroaten in Rumänien reichten einen würzigen Weißkrautsalat und Polenta-Brot zu dem wunderbar cremigen Eintopf. Die zarte, saftige Lammfleischeinlage fiel von ganz allein von den Knochen und ließ letztendlich gar keinen Platz mehr für die berühmt berüchtigte Fischsuppe aus dem Donau-Delta.

Auf zum Endspurt am Sonntag. Im Winzer-Gehöft kochten die Kuratorinnen Camelia Stefan und Simona Malearov an diesem Tag eine Kümmelsuppe: Zuerst eine große Zwiebel in etwas Öl scharf anbraten und mit Salz und zwei Esslöffeln Kümmel würzen, dann zwei Esslöffel Mehl dazu und schließlich mit zwei Liter Wasser aufgießen, hieß es in dem alten Kochbuch, das die Köchinnen hin und wieder zu Rate zogen. Das Ganze hätte etwa 30 Minuten lang köcheln sollen, doch auf dem alten Ofen dauerte es eine volle Stunde, bis man die Kümmelsuppe verköstigen durfte. Unterdessen konnten sich alle Hungrigen an den Schnitten mit Schmalz, Paprikapulver und roten Zwiebeln bedienen und draußen bei einer frischen Zitronenlimonade Platz nehmen. Gegen 13 Uhr wurde serviert und für die Gäste, die danach noch den Drang nach einer süßen Nachspeise verspürten, gab es leckeren Rhabarberkompott vom Vortag.

Kürtöskalács (Baumkuchen) gab es auch.                 Foto: Tobias LEISER

Diejenigen, die nun während ihres Verdauungsspaziergangs durch den Jungen Wald nicht die Chance wahrnahmen, zumindest den gebratenen Fisch der ukrainischen Gemeinde aus dem Donau-Delta zu probieren, würden sich später ärgern; spätestens um 15 Uhr mussten alle Händler und Köche, die ihre Gerichte draußen über offener Flamme zubereiteten, den Marathon aufgrund starken Regens vorzeitig abbrechen. Schnell eilten aber die Helfer des Festivals herbei und halfen beim Abbau.

Die Tanzgruppe des Hermannstädter Jugendforums führte siebenbürgisch-sächsische Volkstänze auf.                                             Foto: Tobias LEISER

Die wenigen verbliebenen Besucher des „Astra Multicultural“ suchten Zuflucht unter dem Dach einer kleinen Holzhütte am Ländlichen Markt, bis der Regen nachließ. Dort konnte man weiterhin allerhand Köstlichkeiten der rumänischen Küchen genießen. Die meisten schienen gesättigt; hier und da verspeisten dennoch einige munter ihre Portion Paprikasch, andere genossen die Fleischbällchen mit Linsen. Das Ensemble Bila Roja (Trandafirul Alb) aus Letea aber ließ sich nicht beirren, und so spielten und sangen sie noch, als auch die letzten Gäste den Heimweg bereits angetreten hatten.

Tobias LEISER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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