Ein Wort aus Hermannstadt zur Tageslosung
Ausgabe Nr. 2675
Jesus Christus spricht: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.“ (2. Korinther 12,9 – Tageslosung für Freitag, den 5. Juni 2020)
Lebens- versus Glaubenserfahrung,
Sprich- versus Bibelwort !?
„Kann alleine !“ – wenn das aus dem Mund einer Erstklässlerin kommt, dann darf ein Lehrerherz höher schlagen, das heißt, man darf die Früchte der erzieherischen Bemühungen an den Schülern entdecken. Erfolg und Resultate werden als Indikatoren für die Effizienz erzieherischer, beruflicher, wirtschaftlicher und sonstiger Aktivitäten gesehen. Aber in der Welt der Wirtschaft und Politik oder im Leistungssport z.B. ist nicht viel Raum für Schwache, sprich Erfolgslose. Andersrum: wenn wir in einem Disput auf die Durchsetzung unserer eigenen Sicht verzichten, aus Rücksicht, Bedacht oder wegen Konfliktvermeidung im Sinne von „Der/die Klügere gibt nach“ dann wird das als Schwäche interpretiert im Sinne der Erweiterung des Sprichwortes „Der Klügere gibt nach, … wenn er der Schwächere ist“. Und… wer ist schon gerne schwach? Wer ist gerne von anderen abhängig? Wir hören das immer wieder: „Herr Pfarrer, alles ist zu ertragen, auch das Altwerden, solange wir nicht auf die Hilfe Anderer angewiesen sind…“ Wie bringt man dann als Seelsorger das Gespräch auf die Zusage Gottes durch Christus, dass gerade in den Schwachen sich Gottes Kraft als wirksam erweist?
Hilfe am Helfenden
,,Nur keine Schwäche zeigen, sonst bist du verloren“, das ist auch für die Dienerinnen und Diener der Kirche nichts Fremdes. Einer meiner ehemaligen Kollegen sagte einmal, im Kontext von „Güterverwaltung: Modell Wirtschaft – Modell Kirche, gegen-, neben- oder miteinander ?“ : „… wenn du dann auch noch sagst, dass du die Kirche vertrittst, stehst du eh´ schon auf der Verliererseite…“ Also: „Kirche ist der Versammlungsort der Erfolglosen, der Verlierer, der Versager, damit wollen wir nicht zu tun haben !“ So sehr diese Aussage auch schockieren mag, viele haben sich diese Einstellung zu eigen gemacht. Und es bringt viele Dienerinnen und Diener der Kirche dazu, sich bis über den Rand ihrer Kräfte und darüber hinaus (der Prozentsatz der „burnout – Gefährdeten“ ist größer, als man denkt…) zu engagieren. Dabei habe ich ein Bild vor Augen, das mir ein Pfarrkollege aus Österreich vor Augen gebracht hat: ein Pfarrer, der mit ausgebreiteten Armen, beim Segnen, „erstarrt“ und erst nach Monaten intensiver Therapie wieder – beschränkt – einsatzfähig ist. Denn man will ja kein/e „schwache/r“ Pfarrer/in sein !
Der Apostel Paulus bekam diesbezüglich auch einiges zu spüren, denn in den Gemeinden in Korinth wurde seine Autorität als Apostel in Frage gestellt. „Ein schwacher Mensch!“. Er leidet jedenfalls unter seinen gesundheitsbedingten Einschränkungen, er empfindet sie so, als würde Gott ihn mit einem Stachel durchbohren würde. Dreimal hat er seinen Herrn darum gebeten, ihm diese Schwachstelle zu nehmen. Vergeblich. Doch gerade diese Erfahrung hilft ihm, Unbegreifliches zu verstehen und es auch noch anderen zu beispielhaft zu erklären.
Stellt Jesus unser Denken auf den Kopf?
Nein, er rückt es zurecht.
Schwäche zugeben zu können, kostet Kraft. Im Alltag vermeiden wir es, Schwäche zu zeigen… Aber wenn wir gefordert sind, zu handeln, im Namen Jesu, da müssen wir unsere Prioritäten neu aufstellen. Da muss ich erkennen, dass es nicht auf meine Kraft ankommt, weil ich mich auf seine Kraft verlassen darf. Wo wir ganz schwach sind, kommt seine Kraft zur Geltung. Christi Kreuz, damals ein Zeichen seines Todes und der Ohnmacht, ist zum Zeichen des Sieges geworden. Es steht für einen neuen Anfang, für ein neues Leben aus der Gnade Gottes. Den Blick zum Kreuz aufrichten hilft einerseits, die eigene Schwachheit zu akzeptieren; andererseits entsteht dadurch Raum, in dem die Macht Christi wirken kann und uns viel weiter bringen kann, als wir es je zu hoffen gewagt hatten. AMEN
Pfarrer Klaus Martin UNTCH