Im Jahreslauf

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Löwenzahn und Huflattich

Ausgabe Nr. 2677

Blühender Löwenzahn.

Der Löwenzahn (rumänisch: păpădie; lateinisch: Taraxacum offcinale) gehört einer Gattung der Korbblütler an und ist eine Milchsaft enthaltende Wiesenblume mit grob gezähnten, eine grundständige Rosette bildenden Blättern, einzeln auf einem hohlen Schaft stehendem Köpfchen aus meist gelben Zungenblüten und kugeligem Fruchtstand aus zahlreichen Einzelfrüchten, die auf einem langen Stiel eine schirmartig ausgebreitete Federkrone tragen und schon beim leichten Windhauch wie ein Fallschirm davonfliegen. „Löwenzahn“ ist ein Wort, dass dem Siebenbürgisch-Sächsischen fehlt. Es heißt hauptsächlich südsiebenbürgisch mundartlich: „dǝ gadǝlīsz“, im Plural „dǝ gadǝlīsǝn“ sowie „dǝ garlīsz“, im Plural „dǝ garlīsǝn“ (Hermannstadt).

Mit diesen Mundartwörtern wird auch meist in unserm siebenbürgischen Umgangsdeutsch der Löwenzahn benannt. Mundartlich sind dazu unzählige Laut- und Wortformen meist im Plural bezeugt, die wir mit Auswahl bringen; südsiebenbürgisch: „gedelīlsǝn“ (Bulkesch), „godǝlīsǝn“ (Bekokten), „godǝlüsǝn“ (Hohndorf), „garlusǝn“(Tartlau, Wolkendorf), „garliusǝn“ (Alzen, Felldorf, Holzmengen, Mediasch, Schaal), „garlousǝn“ (Draas), „garluisǝn“ (Hahnbach, Groß- und Kleinschenk), „gąrluisǝn“ (Martinsberg), „gagǝliusǝn“ (Kleinprobstdorf, Reußen); „jadǝruǝsǝn“ (Zendersch), „jedǝluǝsǝ“ (Zuckmantel); nordsiebenbürgisch: „godelits“ (Treppen), „gōdelūs“ (Jaad), „galits“ (Auen), „gēlits“ (Budak, Mettersdorf, Schogen), „gelits“ (Weilau), „golits“ (Dürrbach), „gogolits“ (Tschippendorf), „gugelits“ (Schönbirk), „guǝgalitsa“ (Tekendorf), sowie „gąlitsa“ (Zepling) [wobei Suffix -a auch auf ungarischen Einfluss deuten kann]; beliebt ist nordsiebenbürgisch auch die Verkleinerungsform, zum Beispiel: „galitskng“ (Kreweld), „gelitskng“ (Jakobsdorf bei Bistritz sowie Wallendorf); „gegǝlitskǝr“ (Waltersdorf), „guagǝlitskǝ“ (Obereidisch) sowie „güagǝlitskǝ“ (Birk und Niedereidisch). Auf das gelbe Köpfchen der Wiesenblume deutet der Beleg; „(man nennt sie) gēlits, sǝ blāi nēmlich gēǝl“ (,man nennt sie so, da sie gelb blühen‘; Mettersdorf). Ein südsiebenbürgischer Beleg verdeutlicht, dass es zweierlei Arten des Löwenzahns geben soll, wobei eine Art einen hohlen Stengel hat, sodass aus mehreren ineinander gesteckten Stengeln, die Kinder Halsketten basteln: „dēr gagǝluisǝn sen tswēǝrlą; dǟ iäm frǟgior ǝrioszkun ǝnd wat schpētǝr ǝrioszkun, iosz wat dǝ kant dǝ glidǝr mauchǝn, iosz genǝ kenǝ sǝ nichǝn mauchǝn, wel sǝ nichen hōlung äm schtongǝl hun“ (etwa in dem Sinn: ,es gibt zwei verschiedene Arten von Löwenzahn, die eine blüht im Frühjahr, die andere Art blüht später, daraus fertigen die Kinder Ketten an, aus der ersteren Art können keine Ketten angefertigt werden, da der Stengel keine Höhlung hat‘; Reußen); ein anderer Beleg bestätigt, das: „eousz dǝ schtongǝln fun dǝ jadǝruǝsǝn mąchǝn dǝ kent kātǝnǝn“ (,aus den Stengeln des Löwenzahns machen die Kinder Ketten; Zendersch); in der Heilkunde hat der Löwenzahn auch seine Verwendung, das beinhaltet der Beleg: „dǝ gigǝlitskǝr, dāi sai och gāt for’n hāszt, mät szäkfi, och ländnblāit“ (,die Blüten des Löwenzahns sind auch gut gegen Husten, mit einem Gemisch von Kamille und Lindenblüte wird ein Tee zubereitet; Waltersdorf); letztlich in einer Bauernregel, die besagt, dass große Mengen von Löwenzahn auf der Hutweide eine reiche Heuernte verhindern: „wän fil gēlits sai ąf dǝr hātwēt wit winich hāi“ ( wörtlich: ,wenn viel Löwenzahn auf der Hutweide ist, wird wenig Heu‘; Budak).

Blühender Huflattich.

Der Huflattich (rumänisch: vulturică oder podbal; lateinisch: Tussilago farfara) ist ein Korbblütler mit gelben Blüten und rundlich-herzförmigen Blättern, die auch zu Heilzwecken verwendet werden. Diese mundartliche Benennung des Huflattichs ist häufig nordsiebenbürgisch, weniger südsiebenbürgisch belegt. Dass der Huflattich die erste im Frühjahr blühende Heilpflanze sein soll, beinhaltet der Beleg: „am frājōr asz dǝ ąlǝrīrscht blaum dǝ gēlits“ (wörtlich: ,die allererste Blume im Frühjahr ist der Huflattich‘; Schogen); dass er gerne am Bachrain wächst, bringen zwei Belege: „langǝszt dǝr bāch blei dǝ gōdǝlūs“ (,neben dem Bach blühen die Huflattiche‘; Jaad); auch bestätigt in einem südsiebenbürgischen Beleg: „dǝ jedǝluǝsǝ wōszǝn um bōchrīn“ (,die Huflattiche wachsen am Bachrain‘; Zuckmantel, auch Maniersch, Nadesch); in der Volkseilkunde heißt es: „dǝ īrscht gēlits wērn gaut for dǝ gēǝlsucht, ǝm sel sǝ kläum ąnt diarn ąnt drängkng“ (etwa in dem Sinn: ,die ersten Huflattiche sollen als Heilmittel bei Gelbsucht verwendet werden, man soll sie klauben, dörren und den damit gekochten Tee trinken‘; Oberneudorf); ein Volksglaube besagt, dass sie auch wohltuend für ermüdete Augen seien: „wun ǝm dǝ īrscht gelits fant, sąl ǝm sǝ am dǝt ōch ǝramwakǝln, dǝnō dau enǝm dǝ ōng naszt wī an diam jōr“ (,wenn man die ersten Huflattiche findet, soll man sie um das Auge wickeln, dann werden einem die Augen in dem Jahr nicht wehtun‘; Weilau).

Der nordsiebenbürgische Sprachforscher Friedrich Krauss nimmt an, dass dieser mundartlichen Namensgebung wohl mittelhochdeutsch *gatǝlȏs [gete-, getlȏs], in der Bedeutung ,ohne gate‘; das heißt ,ohne Gefährte, allein, einzig‘ zugrundeliegt; weil der ursprünglich damit benannte Huflattich „zu allererst allein an Rainen und Flussufern blüht“!; von der mundartlichen Benennung ausgehend, haben sich durch sprachliche Mischung und sprachlichen Ausgleich [wie ersichtlich] unzählige mundartliche Laut- und Wortformen entwickelt.

Bemerkung: Längsstrich über Vokalen (z. B. ā ) bedeutet Länge; Vokal ǝ wird wie ein Murmel-e gelesen; Konsonantenpaar sz wird wie ein s gelesen, doch verhärtet ausgesprochen; Konsonantenpaar ng wird wie ein Gutturalnasal gelesen; ts entspricht hochsprachlich z.

Sigrid HALDENWANG

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Im Jahreslauf.