Wer kennt schon Kirchenburgen?

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Podiumsgespräch zur Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgen in Berlin

Ausgabe Nr. 2661

Podiumsteilnehmer, Moderator und Gastgeber (v. l. n. r.): Sebastian Bethge, Dr. Achim Krekeler, Bischof Reinhart Guib, Prof. Dr. Paul Zalewski, Stefan Bichler und Botschafter Emil Hurezeanu.  Foto: die Verfasserin

Wer kennt schon Kirchenburgen? Wer kennt die Landschaft, in der sie vor achthundert Jahren gebaut wurden? Nein, gleich um die Ecke stehen Sie nicht, man muss reisen, sich auf den Weg machen nach Rumänien in den Karpatenraum. Die Herren – keine Damen sind dabei – auf dem Podium, das am 11. Februar in der Botschaft Rumäniens in Berlin stattgefunden hat – wissen das, sie kommen alle nicht von dort, außer der amtierende Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Reinhart Guib, der einer siebenbürgisch-sächsischen Familie entstammt. Er kommt später, man wartet auf ihn. Der Himmel über Berlin wird im Moment von der stürmenden  teutonischen „Sabine“ beherrscht, doch ein Bischof kommt damit klar.

 

Nun ist er da und die Fachleute und Enthusiasten auf dem Podium können ihre Diskussion beginnen. Doch zuvor begrüßt der Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen, Philipp Harfmann, den Hausherrn, wichtige Exzellenzen und Politiker und uns Gäste. Der Hausherr und Einladende ist S.E. der Botschafter von Rumänien, Emil Hurezeanu. Er begrüßt alle zu einem neuen „Familientreffen“ in seiner Botschaft in der Mitte Berlins. Er sagt: ,,Ich bin Hermannstädter und Siebenbürger, ich habe mein ganzes Leben praktisch unter Deutschen und Rumänen verbracht, aber vor allem unter Sachsen, und umgeben von deren kulturellem und zivilisatorischem Erbe – Städte, Türme, Bräuche, Kirchenburgen…Ich weiß,  mir ist es schon als Kind bewusst geworden, wie bedeutend die Anwesenheit der Sachsen war, unter uns Rumänen aus Mittelsiebenbürgen. Und ich meine damit vor allem europäische und die westliche Modernisierung – welch ein Privileg zusammen zu leben – heute, morgen werden es 1.000 gemeinsame Jahre sein, in einem einzigen Körper, Siebenbürgen, aber mit so vielen Seelen, Sprachen, Konfessionen, historischen Erinnerungen und Lebensprojekten!“ Eine wunderbare Hommage des Rumänischen Botschafters  an Siebenbürgen, die dortige Kultur und die Historie, die auch seine wurde.

Kenner und Fachleute sind die Herren auf dem Podium alle. Stefan Bichler, Referent für die Öffentlichkeitsarbeit  der Evangelischen Kirche A. B. aus Hermannstadt wird das Podium kompetent leiten, Professor Dr. Paul Zalewski von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, Dr. Achim Krekeler von Dr. Krekeler Generalplaner GmbH und der Denkmalschutzbeauftragte Sebastian Bethge, ein nach Siebenbürgen ausgewanderter Berliner, sind wissende Diskutanten und absolute Kenner dieser Gotteshäuser und ihrer baulichen Probleme. Ebenso der Hausherr der 160 Kirchenburgen in Siebenbürgen, Bischof Guib.

Das siebenbürgische Kulturerbe Kirchenburgen lässt niemanden los, das Thema geht um die Welt und einige Kirchenburgen wurden bereits Weltkulturerbe. Vom Siebenbürgen-Virus ist zu hören. 160 erhaltenswerte Kirchenburgen soll es geben, so richtig intakt sind viele nicht, das ist auf den Fotos zu sehen, die auf die Leinwand projiziert werden. Für die Ortschaften ist diese Wehrkirchenkultur wichtig. Zusammen gehören sie mit der Landschaft, der einzigartigen. Evangelische Gemeinden gibt es in den Dörfern keine mehr, vor dreißig Jahren verließen die Gemeindemitglieder ihre Kirchenbänke mit bestickten Kissen und Decken und sprangen über die Karpaten in den Westen. Die Vorfahren haben sich mit diesen Bauwerken verteidigt. Den Jetzigen und Zukünftigen ist es eine Verpflichtung das Erbe zu erhalten. „…heute ist der rumänische Staat selbst verpflichtet, die Kirchenburgen zu schützen, dieselben Kirchenburgen, die in der Vergangenheit, Sie und uns geschützt haben“, ist von Botschafter Hurezeanu zu hören. Auf den Fotos ist das statische Gefüge der uralten Bauweise zu sehen, auch sind Fotos von den Kirchtürmen in Rothbach und Radeln zu sehen, die im Februar 2016 nicht mehr Stand hielten und herabstürzten. Die Stiftung Kirchenburgen agiert vor Ort wie eine Feuerwehr: Retten, retten, retten!

Ein Notprogramm wird mit der Bundesregierung in Deutschland aufgestellt, Begutachtungen der Schäden in verschiedenen Kirchen finden statt, Bodenanalysen und geologische Gutachten gehören dazu. Danach stellt die Bundesregierung viel Geld zur Verfügung, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und Staatspräsident Klaus Johannis sind die Schirmherren der Stiftung Kirchenburgen e.V.

,,Eine Sache ist sicher: die Kirchen bleiben, auch wenn die Präsidenten wechseln“, sagt Botschafter Hurezeanu. Auch die Europäische Union ist an vielen Projekten beteiligt. Patenschaften können auch übernommen werden. Gerne würde man die Pfarrhäuser und die Kirchen und den Kindergarten zusammen lassen, das Kirchenensemble erhalten.

Burghüter werden gebraucht, die sich um diese Kirchen kümmern, sie versorgen, die Dorfbevölkerung sollte sich engagieren, mithelfen, doch das scheint recht schwer zu sein. Zusammengewürfelt ist die Dorfgemeinschaft, für sie sollte die Kirchenburg ein Platz des Zusammenfindens sein, das müssen sie erst begreifen. Auch Hinzugezogene mögen die Kirche mitten im Dorf. Auch in anderen Ländern, anderen Kirchengemeinden Europas, gibt es ähnliche Probleme.

Siebenbürgen hat Potenzial, die Landschaft mit diesen Kirchen ist unglaublich. Touristen kommen nicht wegen einer Kirche in die Karpaten. Sie kommen wegen der Landschaft mit den Kirchen. Eine kaum zu trennende Historie des Landes.

Der Botschafter Rumäniens in Berlin hat sich auch in den Vorstand der Stiftung Kirchenburgen wählen lassen und ahnte nicht, dass diese Zusage mit viel Arbeit verbunden ist: ,,Wir Rumänen achten sehr auf Äußerlichkeiten und die künstlerische Seite des Lebens, während die Deutschen, schweigsam und fleißig, die angefangene Arbeit zu gutem Ende bringen und nie vergessen, was sie versprochen haben, aber auch nicht, was man ihnen versprochen hat. Wir passen gut zusammen, wir ergänzen uns, würde ich sagen.“

Zum „Familientreffen“ wurde Wein aus dem Prahovatal gereicht und die klassischen gutschmeckenden rumänischen Speisen dufteten durch die hinteren Räume der Botschaft.

Christel WOLLMANN-FIEDLER

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche, Kultur.