,,Ich bin ein Zeichner“

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Der Künstler Gert Fabritius feiert bald seinen 80.

Ausgabe Nr. 2659

Gert Fabritius mit seinem Stuhlobjekt ,,Transportable Heimat“, hier als Performance im Museum im Kleihues-Bau, Kornwestheim 2007.

Gert Fabritius – der Wanderer, wohin kehrt er immer wieder zurück? Zur Linie. Markant und klar. In seiner Rede anlässlich der Vernissage der Jubiläumsausstellung zu seinem 80. Geburtstag in der Galerie Inter Art in Stuttgart hob der Künstler mit einem Augenzwinkern sein „einseitiges“ Talent hervor: „Ich kann nicht reden, ich bin ein Zeichner: Ich bin mit dem Zeichenstift in der Hand auf die Welt gekommen. Zum Glück habe ich bei der Geburt meine Mutter nicht verletzt.“ Seine „Tagebuch- und Blatt-auf-Zeichnungen eines Unbefugten“ sind noch bis zum 23. Februar ausgestellt.

 

„Ein Wanderer hat immer die Heimat bei sich!“, so der siebenbürgisch-sächsische Künstler Gert Fabritius. Seine Heimat bestimmt er als „transportabel“ – und widmet ihr seine bedeutendste Installation, die den TItel ,,Transportable Heimat“ trägt und die er im Kleihues-Bau der Kornwestheimer Museen als Performance 2007 im Rahmen der von Dr. Irmgard Sedler kuratierten Retrospektive zeigte.

Am 21. Februar 1940 in Bukarest geboren, in Mühlbach aufgewachsen und 1957 nach Klausenburg verschlagen, ist bereits Kindheit und Jugend von Gert Fabritius bewegt. Auf der Kunstschule und anschließend der Kunstakademie „Ion Andreescu“ in Klausenburg hat er Lehrer, die sein Talent erkennen und ihn fördern. „Großartige Seherlebnisse“ werden ihm zuteil, er verarbeitet diese in Zeichnungen und Holzschnitten. Den Roman ,,Die Brücke über die Drina“ von Ivo Andrić illustriert er in vier Holzschnitten – und legt diese als Diplomarbeit vor. Brisanz und Relevanz des Themas beeindrucken seine Professoren – die Arbeit wird angenommen. Beachtung finden auch seine Illustrationen für die Tribuna. In der rumänischen Wochenzeitung erscheinen erstmals Texte von Franz Kafka mit Radierungen von Fabritius. Die Öffentlichkeit ist von seinen Zeichnungen und Holzschnitten überzeugt. Das ändert sich auch in Bukarest nicht, wo er ab Herbst 1967 für die deutsche Tageszeitung Neuer Weg und den Kriterion-Verlag tätig ist.

Gert Fabritius: Tempus fugit.

Als Buchillustrator stößt er hier allerdings zum ersten Mal auf Ablehnung. Die Gründe sind absurd, die Zustände im sozialistischen Rumänien kafkaesk. Und es wird sich bis zu seiner Ausreise nach Deutschland nicht ändern: Die Außenwelt wird immer fremder, die Kollektivparanoia immer unerträglicher. Kunstprojekte scheitern – Fabritius’ Werke werden aus Ausstellungen entfernt, Einzelausstellungen und Poesieclubs boykottiert. Sein Name wird in Neuauflagen von Büchern, die er illustriert hat, gestrichen.

Die Entscheidung, nach Deutschland auszureisen, fällt 1977. Fabritius’ letztes Bukarester Projekt ist die Illustration des Buches ,,Die Mausefalle“ von Christian Morgenstern. Morgensterns Satz „Froh genießt das Tier der neuen Heimat, ohne sie zu scheuen“ leitet über in die nächste Lebensphase.

Als freischaffender Künstler in den Bereichen Holzschnitt, Zeichnung, Malerei und Installation kann er seine Werke im In- und Ausland ausstellen (Regensburg, Leipzig, Darmstadt, Köln, Stuttgart, Göteborg, Valparaiso, Marburg, München, Cleveland, Berlin, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt a. M., Wittenberg u. a.). Sie bereichern viele Sammlungen (Deutsches Historisches Museum Berlin, Villa Merkel Esslingen, Kunsthalle Hamburg; Sammlung Daimler Benz AG in Stuttgart, Kunstmuseum Tampere, Kunstmuseum Bukarest, Kunstmuseum Königsberg/Kaliningrad, Städtische Sammlung Velenje, Gerhard-Walz-Stiftung Budapest, Sammlung Gilkey, Portland Art Museum/Oregon, USA). 1997 wurde Gert Fabritius mit dem Sonderpreis zum Lovis Corinth-Preis 1997 und 2012 mit  dem Siebenbürgischen Kulturpreis geehrt.

Ingeborg SZÖLLÖSSI

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kunst, Persönlichkeiten.