Wenn Hass die Liebe ersetzt…

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Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Russlanddeportation in Reschitza

Ausgabe Nr. 2658

Bei der ökumenischen Andacht am Denkmal im Cărășana-Park (v. l. n. r.): Gastgeber Erwin Josef Țigla, Msgr. József Csaba Pál, Bischof Reinhart Guib, die Überlebenden Ladislaus Höflinger und Elfriede-Helen Polluch, die in der Deportation geborenen Elfriede Chwoika und Adelheid Crețu sowie der Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten, Ignaz Bernhard Fischer.                         Foto: Beatrice UNGAR

,,Erst durch den Roman ‚Atemschaukel‘ von Herta Müller sind die Entbehrungen und die Leiden der Rumäniendeutschen der Welt bekannt geworden (…) Hören wir nicht auf, von all dem zu erzählen und gewissenhaft zuzuhören“, sagte die Ehrenvorsitzende des Verbands der ehemaligen Russlanddeportierten aus Rumänien, Elke Sabiel, in ihrem Grußwort bei der Feierlichen Sitzung des Vorstandes des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien im Rahmen der Gedenkveranstaltung  zum 75. Jahrestag seit dem Beginn der Deportation von Rumäniendeutschen in die Sowjetunion im Januar 1945, die am 24. Januar d. J. in Reschitza stattgefunden hat.

Drei Zeitzeugen erhielten bei der Vernissage der beiden Ausstellungen im Museum des Banater Montangebiets Gedenkmedaillen (v. l. n. r.): Helmut Weinschrott, der in der Deportation geboren wurde, die ehemalige Deportierte Elfriede-Helene Polluch und die in der Deportation geborene Elfriede Chwoika.

In seiner anschaulichen und packenden Ansprache im Anschluss an den Gedenkgottesdienst in der Maria Schnee-Pfarrkirche am Tag darauf erläuterte der Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten, Ignaz Bernhard Fischer, wie es zu dieser Katastrophe für die Deutschen in Rumänien kommen konnte. Er sagte, zwei ,,unreife Lehrjungen“ – damit meinte er den Faschismus und den Kommunismus – hätten die ,,Schrauben der christlichen Werte an der Völkermaschine zunächst gelockert und danach ersetzt. Die Liebe durch Hass die Freiheit durch Gewalt.“

Zum Abschluss des Ökumenischen Gedenkgottesdienstes in der Maria Schnee-Pfarrkirche überreichte Erwin Josef Țigla (links) dem Vorsitzenden des Verbands der ehemaligen Russlanddeportierten in Rumänien, Ignaz Bernhard Fischer, eine Ehrenurkunde.

Damit konnten sie den Zweiten Weltkrieg entfesseln und Millionen Menschen ins Verderben stürzen.

Eine globale Perspektive auf die traurigen Ereignisse, deren Folgen bis heute spürbar sind, wählten auch der römisch-katholische Diözesanbischof von Temeswar, Msgr. József Csaba Pál und Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien in dem ökumenischen Gottesdienst, der am Samstag stattgefunden hat.

Bei der Gedenksitzung des DFDR-Vorstands sprachen (v. l. n. r.) der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț, die Ehrenvorsitzende des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten Elke Sabiel, der DFDR-Vorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Dr. Bernd Fabritius und Bischof Reinhart Guib.                                                                   Foto: Marc SCHROEDER

Zum Auftakt der Zentralen Gedenkveranstaltung wurden im Museum des Banater Montangebiets zwei Ausstellungen – „ORDER 7161 – Zeitzeugenporträts einer Deportation”, Fotoausstellung von Marc Schroeder (Luxemburg) und „Mitgenommen – Heimat in Dingen”, eine Wanderausstellung des Hauses des Deutschen Ostens München eröffnet und mehrere Bücher vorgestellt: „Un veac frământat. Germanii din România după 1918” (Ein bewegtes Jahrhundert. Die Deutschen in Rumänien nach 1918), in der Koordination von Dr. Ottmar Trașcă und Dr. Remus Gabriel Anghel (Verlag des Forschungsinstituts für Fragen der nationalen Minderheiten, Klausenburg, 2018); „Dincoace și dincolo de tunel. 1945” von Mariana Gorczyca (Polirom, 2019), in deutscher Übersetzung „Diesseits und jenseits des Tunnels. 1945” von Beatrice Ungar (Honterus, 2020); „Deportarea în fosta URSS a etnicilor germani din România. Argumente arhivistice ruse” (Die Deportation von Rumäniendeutschen in die ehemalige UdSSR. Argumente aus russischen Archiven) von Ministerialrat Dr. Ilie Schipor (Honterus, 2019); der Russlanddeportation gewidmete Veröffentlichungen des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen und des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins „Deutsche Vortragsreihe Reschitza”.

Drei der zahlreichen zum Thema Russlanddeportation der Rumäniendeutschen erschienenen Bücher stellten Dr. Ilie Schipor, die HZ-Chefredakteurin Beatrice Ungar, die Schäßburger Schriftstellerin Mariana Gorczyca und der Klausenburger Historiker Remus Anghel vor (v. l. n. r.). Zwei der Bücher sind im Honterus-Verlag erschienen, der durch den Verlagsleiter Benjamin Józsa vertreten war.                               Foto: Marc SCHROEDER

Stellvertretend für alle Ansprachen bei der Gedenksitzung des DFDR-Vorstands am Freitag Nachmittag im „Alexander Tietz“-Zentrum Reschitza bringen wir jene des DFDR-Vorsitzenden Dr. Paul Jürgen Porr im Wortlaut: ,,Wir haben uns heute hier versammelt, um der Opfer der Deportation vor 75 Jahren zu gedenken – der Toten und der Überlebenden.

Wie bekannt, wurde im Januar 1945 praktisch die gesamte arbeitsfähige deutsche Bevölkerung Rumäniens in die UdSSR deportiert – die Generation meiner Eltern.

Bei der Kranzniederlegung waren alle Regionalforen vertreten aber auch Gäste aus der Ukraine, Polen und Serbien und nicht zuletzt der Deutsche Konsul Ralf Krautkrämer aus Temeswar.

Zusammengepfercht in Viehwaggons, kamen die meisten in die heutige Ostukraine, in die Kohlenbergwerke im Donezkbecken. Von Hunger und sibirischer Kälte geplagt, mussten sie Schwerstarbeit leisten. Viele fanden dort ihren Tod – durch Arbeitsunfälle, Erfrieren oder Krankheit. Die Überlebenden blieben physisch und psychisch ihr Leben lang gezeichnet. Aber ihr Überlebenswille hat gesiegt! Sie blieben vor allem Menschen! Trotz Elend, Ungeziefer und Stacheldraht haben sie das Singen nicht verlernt. Und das Beten erstrecht nicht. Und sie wurden erhört und kamen zu ihren Kindern und Eltern zurück.

Prof. Dr. Rudolf Gräf, Ministerialrat Dr. Ilie Schipor und der Journalist und Übersetzer Werner Kremm bestritten den Vortragsnachmittag am Freitag im ,,Alexander Tietz“-Zentrum.                    Foto: die Verfasserin

Einige, leider inzwischen sehr wenige, leben auch heute, einige sind auch hier unter uns. Wir, die Jüngeren, die Krieg und Deportation nur vom Erzählen oder Lesen kennen, verneigen uns tief vor ihnen!“

Im Anschluss hielten ebenda Ministerialrat Dr. Ilie Schipor (Bukarest): einen Vortrag in rumänischer Sprache zum Thema „Die Deportation der Rumäniendeutschen anhand von Dokumenten aus sowjetischen/russischen Archiven” und Prof. Dr. Rudolf Gräf, Prorektor der Babeș – Bolyai-Universität Klausenburg und Direktor des Forschungsinstitutes für Geisteswissenschaften Hermannstadt einen Vortrag in deutscher Sprache zur Russlanddeportation im europäischen Kontext. In dem Raum gab es auch eine Ausstellung mit Bildern von Anton Ferenschutz und Gastgeber Erwin Josef Tigla präsentierte die aus Anlass des Gedenktages in Rumänien und Deutschland herausgegebenen Sonder-Briefmarken und -Briefumschläge.

Den Höhepunkt der Gedenkveranstaltung bildete am Samstag Vormittag der Ökumenische Wortgottesdienst  in der „Maria Schnee“-Pfarrkirche Reschitza mit Msgr. József Csaba Pál und  Bischof Reinhart Guib, der auch den Abschluss der Gebetsoktave für die Einheit der Christen darstellte. In der kleinen Kunstausstellung im Kirchenraum waren Werke von Doina & Gustav Hlinka, Viorica Ana Farkas, George Molin, Marianne Florea, Michael Messer und Lilian Theil zu sehen.

Zum Schluss fand am Denkmal der Russlanddeportierten im „Cărășana“-Park eine Ökumenische Andacht mit anschließender Kranzniederlegung statt, die von den „Banater Musikanten“  aus Temeswar unter der Leitung von Iosif Dorel Antal musikalisch begleitet wurde.

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.